Liebe Elke, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich versuche, viel Bewegung und Frischluft in meinen Alltag zu bringen, weil ich merke, dass das auch meinen Geist beweglich hält. Also gleich in der Früh raus in die Natur, und wenn ich danach schreibe, dann zumindest 2-3 Stunden pro Tag am Stehpult. Ich arbeite gerade an meinem neuen Album in Kooperation mit einem australischen Produzenten – da erhalte ich meistens in der Früh die verarbeitete Version des „Rohstoffs“, den wir am Vorabend hingeschickt haben. Das ist sehr spannend! Gleichzeitig beginnt die Arbeit an der Artwork für das Album – man darf gespannt sein.
Tatsächlich läuft jetzt auch die Konzertschiene wieder an, und es ist viel unglamourös Administratives dafür zu erledigen. Gegen Nachmittag und Abend hin beginnt dann der künstlerische Teil – ich beschäftige mich mit meinen Songs. Ein Geschenk des Schicksals oder meiner Psyche ist, dass ich „Writer’s Block“ nicht kenne. Ich schreibe sehr viel neues Material. Um mich herum und in mir passiert so viel, das in Songs gefasst werden muss!

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Ich denke, wir müssen alle raus aus einer sich aufschaukelnden Reiz-Reaktion-Hyperventilation-Automatik. Diese ist so erschöpfend und destruktiv. Atmen wir doch durch, kommen wir zur Ruhe, lösen wir uns vom Zwang, sofort empört zu reagieren. Konzentrieren wir uns auf das Wesentliche – und das sind bessere zwischenmenschliche Beziehungen und Umwelt- und Klimaschutz. Eigentlich ist letzteres eine ablenkende Bezeichnung für das, worum es geht: Das Sicherstellen unseres eigenen Überlebens auf diesem Planeten. Als Band widmet sich „Galvin’s Garden“ auch diesem Thema, und zwar ganz praktisch. Wir setzen für jeden Gig 1 Baum. In Kürze werde ich Reforestationsprojekte in Irland besuchen, die ich unterstützen will. Ich bin zwar in England geboren, aber meine familiären Wurzeln liegen in Irland, und ich habe viel Zeit dort verbracht. Irland war ursprünglich bewaldet – bevor die Schiffe der britischen Flotte gebaut wurden. Und wir brauchen Wälder. Sauerstoff wird nicht in der Flasche gemacht!
Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt der Musik, der Kunst an sich zu?
Kunst drückt aus, was gespürt im zwischenmenschlichen Raum schwebt. Diese diagnostische und/oder verändernde Kraft ist nicht zu unterschätzen! Wir Menschen sind künstlerische Wesen – alle! – und gerade in der Musik entsteht die Magie zwischen Musikern und Auditorium. Deswegen war ich so unglücklich ohne Livemusik, nur mit Online-Konzerten – da fehlte ein wesentlicher Teil meiner Performance: das Publikum.
In der Musik gibt es einerseits die Tendenz zur „Entmenschlichung“: Virtuelle NFT-Bands, getunte Stimmen und Körper, mittels Künstlicher Intelligenz geschriebene Hits, die von Plattenfirmen gepusht werden. Kommerziell durchaus sinnvoll – keine lästigen, unberechenbaren Künstler mehr. Diese Welle rollt auf uns zu. Gut finde ich diese Entwicklung nicht. Ich denke, sie löst Unbehagen aus, weil sie uns als Menschen nicht entspricht. Der Unterschied ist wie engineered Fast Food zu ursprünglichem Essen.
Andererseits findet in der Musik eine ungeheure Do-It-Yourself-Bewegung statt. Jeder kann heute Songs schreiben, aufnehmen und veröffentlichen. Das finde ich gut. Darauf gehört stärker mit neuen Formaten reagiert. Es ist doch spannend, wie viel einzigartige Musik geschaffen wird.
Worüber wir reden müssen, ist die Bezahlung von Musikern. Es ist doch absurd, dass ausgerechnet dort, wo sich die Musik mehr und mehr abspielt – nämlich digital – kein vernünftiges Einnahmenmodell zu finden ist. Da muss etwas geschehen. Wir brauchen eine Lobby.

Was liest Du derzeit?
John Ironmonger: The Whale at the End of the World. Ein wunderschönes Buch, das ich jedem empfehlen kann. Ich habe es mit einem Lächeln aus der Hand gelegt.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Aus meinem Song „Nothing is Ever Perfect”:
“And yet we strive to create a broken kind of beauty
Some hindsight, explanation, some justification
And yet this crazy idea of how every life still matters,
Vielen Dank für das Interview liebe Elke, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Elke Galvin, Singer/Songwriterin
Elke Galvin ist eine österreichisch-britische Singer/Songwriterin, Ihre Band heißt „Galvin’s Garden“. Elke lebt in Kärnten und Oberösterreich.
Buy Galvin’s Garden: @bandcamp
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Fotos_privat.
2.5.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.