Liebe Daniela, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Um 6:00 Uhr läutet mein Wecker. An jenen Tagen, an denen ich an einer humanberuflichen Schule unterrichte, fahre ich 35 Minuten zur Arbeit, unterrichte 5 – 8 Stunden/Tag, fahre heim, bereite vor, korrigiere, bin Mama, Haus- und Ehefrau, völlig unspektakulär. Manchmal quietscht das Hamsterrad, meistens ist es gut geölt.
Ich versuche, meinem Körper und meiner Seele Gutes zu tun, indem ich zum Denken in den Wald gehe. In guten freien Zeiten verlier ich mich in Texten, die ich lese oder schreibe.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Ich weiß es nicht.
Ich weiß nicht, wieviel WIR mein Denken inkludiert. Für das Umfeld, auf das ich mich beziehen kann – ein privilegiertes Umfeld by the way – finde ich Folgendes nicht verkehrt:
Wir tun gut daran, zu erkennen, dass sich mit mehr Wissen, mehr Erkenntnis unsere Meinung verändern darf, vielleicht sogar verändern muss.
Wir sollten verstehen, dass immer alles irgendwie zusammenhängt.
Wir müssen uns hinterfragen und Menschen, die das nicht tun, mit Skepsis begegnen.
Wir haben Verantwortung der Demokratie und der Gemeinschaft gegenüber.
Wer kann, soll helfen, wenn andere Hilfe brauchen.
Wir dürfen lachen.
Wir sollten vorsichtig sein, wenn PolitikerInnen, PhilosophInnen, KünstlerInnen auf alles eine Antwort haben.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Wesentlich ist, der lähmenden Hilflosigkeit in den Hintern zu treten! Die Angst vor Veränderung ist kein guter Ratgeber. Die Angst vorm Scheitern auch nicht. Wir brauchen Mut, Innovation, Menschlichkeit, globales Engagement – und wirkliches Handeln.
Kunst hat unterschiedliche Zugänge. Kunst kann unterhalten, kann Hebamme für die Emotionen, für die Energie des Auditoriums sein; sie lässt uns staunen, lachen, weinen; wir spüren uns intensiver. Das kann einen Anstoß geben, die Trägheit zu überwinden.
Kunst kann manipulieren; sie setzt Energie frei, die in jede Richtung genutzt werden kann. Kunst ist ein Instrument, sie kann das Beste und das Schrecklichste in uns zum Schwingen bringen.
Kunst kann genauer auf das Leben schauen, weil sich KünstlerInnen intensiv mit ihrer Welt auseinandersetzen und vielleicht dabei Oberflächen abkratzen. Kunst zeigt uns, was tiefer liegt. Manchmal verändert sich dadurch auch der Blick des/der Kunstschaffenden – und der RezipientInnen.
Kunst überschätzt sich aber auch gerne; laut Maslowscher Bedürfnispyramide wird sie erst relevant, wenn alles andere gedeckt ist. Und trotzdem: Kunst ist zutiefst Teil unserer Existenz.
Was liest Du derzeit?
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest du uns mitgeben?
Lichtung
manche meinen
lechts und rinks
könne man nicht velwechsern
werch ein illtum
(Ernst Jandl)
Vielen Dank für das Interview liebe Daniela, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Daniela Dangl, Schriftstellerin
Foto_Lisa Neudert.
10.5.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.