„wir werden es / in diesem leben / zu nichts bringen /außer zu einander“ Olja Alvir, Schriftstellerin _ Wien 2.6.2022

Liebe Olja, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Unterschiedlich. Gerade bereite ich das Erscheinen und die Buchpräsentation meines ersten Gedichtbandes „Spielfeld“ vor. Abgesehen davon bin ich vielen verschiedenen Projekten verpflichtet und versuche gleichzeitig, davon und von den politischen Ereignissen und Umwälzungen nicht überwältigt zu werden. „Do nothing, feel everything“ hieß eine tolle Ausstellung die im Frühling in der Wiener Kunsthalle war. Ich versuche dieses Prinzip so gut wie möglich zu leben. Und die großartige multi-mediale Künstlerin Anna Kohlweis sagte einmal „meine Kunst ist ein asymmetrisch aufgespannter Schirm“. Ich schirme mich mit meinen unregelmäßig und eifrig sich streckenden künstlerischen und wissenschaftlichen Projekten gegen das Nicht-Fühlen.

Olja Alvir, Schriftstellerin

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Die selben Dinge wie immer. Solidarität. Zu verstehen, dass alles was um uns und in uns geschieht, in einem historisch-politischen Kontext steht. Ein entschlossener Blick auf die Zukunft in einer politischen Sprache, die die Zukunft als Ort der unbändigen Möglichkeiten denken kann.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?

Wir stehen immer vor einem Aufbruch oder Neubeginn. Das Gesellschaftliche ist das Persönliche und umgekehrt. Das Wesentlich dabei ist, welche Schlüsse wir aus diesen zwei Dingen ziehen. Die Rolle der Literatur und Kunst ist immer jene, die sie sich selbst zuschreiben will. Mir persönlich gefällt Kunst als ein Ort des Auslotens von Vergangenem, Gegenwärtigem und Zukünftigem, als Ort der überraschend möglich gemachten Kommunikation über Grenzen und Erwartungen hinweg, als Ort der wahnwitzigen Vorschläge für eine lebenswerte Zukunft für alle. Ich mag es, wenn Kunst politisch und gleichzeitig verspielt ist. Deshalb habe ich meinen Gedichtband auch Spielfeld genannt; einerseits als Anspielung auf das Spielen, und andererseits als Hinweis auf die Gewalt, die in der Willkür der Grenze liegt.

Was liest Du derzeit?

Ich verwende ein Script, mit dem ich jeden Tag ein zufällig ausgewähltes Gedicht auf poetryfoundation aufrufe. Auf lyrikline gibt es einen eigenen Button, über den man zu einem zufälligen Gedicht geleitet wird. Ansonsten lese ich gerade „Second Place“ von Rachel Cusk, „Mars“ von Asja Bakić und „Die verschissene Zeit“ von Barbi Marković.

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Etwas eigenes, frevelhafterweise:

wir werden es
in diesem leben
zu nichts bringen
außer zu einander

Vielen Dank für das Interview liebe Olja, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literatur-, Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

5 Fragen an Künstler*innen:

Olja Alvir, Schriftstellerin

olja.at

Foto_Christopher Glanzl

26.5.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com

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