
Romanschauplatz _ Malina _ Wien


Lieber Raphael, was bedeuten Dir Orte?
Es gibt viele Orte denen ich aus nostalgischen Gründen gerne über den Weg laufe. Das Eisgeschäft, wo ich mit der Oma immer war. Die Trafik, in der mir der Opa neue Sticker für mein Stickerheft gekauft hat (damals noch mit Schilling).

Das Haus, in dem ich aufgewachsen bin und die Insel in Schottland, auf der ich zum ersten Mal Heimweh verspürt hab. Das spannende an diesen Besuchen ist aber, dass man den Ort immer wieder durch neue Perspektiven erleben kann und sich so immer wieder neue Schichten und Erkenntnisse offenbaren. Man merkt einfach, dass man gelebt hat.



Was bedeutet Dir Wien?
Im Moment ist Wien für mich hauptsächlich ein Lichtblick ins Unbekannte und
vermutlich noch etwas romantisiert in meinen Gedanken.


Welche Passagen des Romans möchtest Du hervorheben?
„Glauben Sie mir, Ausdruck ist Wahn, entspringt aus unserem Wahn.“


Was sind für Dich Grundaussagen des Romans?
Wer sind wir, wenn wir uns in Ideen von anderen Personen verlieren?

Kann uns die Liebe vor dem ewigen Straucheln zwischen Sinn und Absurdität bewahren?

Wird das sensible, neugierige, feinfühlige und kreative von der Härte dieser Welt erstickt?

Und wie viele Menschen sterben dadurch in ihren eigenen Gedanken?

Wie siehst Du die Protagonisten*innen im Roman?
Die Ich-Erzählerin sehe ich als eine in Gedanken gefangene Frau, welche sämtliche Leiden und Hoffnungen der Welt in sich aufnehmen muss, egal wie sehr es sie zerfrisst.


Gleichzeitig scheint es aber auch so, als wäre Sie genau deshalb die einzige Figur, die wirklich frei ist.

In Ivan sehe ich einen sehr stoischen, geradlinigen Mann, der seine Art zu leben gefunden hat und sich nicht im Klaren ist, in welchem Maß seine Gleichgültigkeit die Ich-Erzählerin zerstört.










Malina verkörpert, vor allem im späteren Verlauf, die selbstzerstörerische Natur der Ich-Erzählerin.




Was braucht Liebe, um zu wachsen?
Zeit. Aufmerksamkeit. Verständnis. Vertrauen und Kommunikation.


Der Wille gemeinsam zu wachsen und dabei nicht zu vergessen, dass man trotzdem auch ein Individuum ist.

Was lässt Liebe enden?
Wenn eines/oder mehrere der oben genannten Dinge zu lange ausbleibt.



Und natürlich lebt man sich manchmal einfach auseinander und das kann für beide Parteien gesund sein.

Wie hat sich die Rolle des Mannes in Liebe und Beziehung verändert?
Ich denke es gab damals wie heute, solche und solche Männer. Ich kenne leider noch zu viele (auch junge) Männer, die ihre Partner, bewusst oder unbewusst, als Besitz wahrnehmen.

















Es hat sich schon einiges getan, und ich bin zuversichtlich, dass sich noch vieles verbessern wird, aber Männer wie Ivan und Malina wird es immer geben.




Wie geht es Dir als Mann mit gesellschaftlichen Rollenbildern?
Als Jugendlicher hatte ich (wie so mancher) große Probleme damit. Ich war sehr sensibel und meistens tief in Gedanken versunken, und wurde deshalb nicht selten als „Schwuchtel“ etc. bezeichnet. Und so beginnt es oft. Man(n) äußert keine Gefühle mehr, nur noch „selbstbewusste“ Meinungen, Statements und Witze sind erlaubt und über unsere Hoffnungen und Gedanken zu Welt und Leben sprechen wir dann um 03:00 nach dem fünften Bier.





Heute sind diese Dinge für mich persönlich kein so großes Problem mehr, man wird älter und reflektiert. Aber ich denke schon öfter daran, wie es meinem Neffen damit gehen wird, bzw. irgendwann vielleicht auch meinen Kindern.

Sind Ivan und Malina auch männliche Prototypen der Gegenwart?
Auf jeden Fall.



Wie würdest Du die Vision eines neuen Männerbildes sehen?
Zitat der Ich-Erzählerin aus dem Buch: „Ich weine noch einmal weiter, aber nur weil es jetzt so wohltuend ist.“ Ich würde mir wünschen, dass dieser Zustand für Männer ein gesundes Maß an Normalität erlangt.



Welche Eindrücke nimmst Du vom Romanschauplatz mit?
Es ist noch schwer zu beschreiben. Ich hatte an einigen der Orte das Gefühl, in einem Stück Geschichte zu stehen welches vielen verborgen bleibt.






Was sind Deine derzeitigen Projektpläne?
Im Sommer 2022 spiele ich noch „Roberto Zucco“ und „Don Gil von den Grünen Hosen“ mit der Theaterachse Salzburg. Danach werde ich nach Wien ziehen um dort hoffentlich viel am Theater und im Film zu arbeiten.






Romanschauplatz _ Malina _ Wien
Herzlichen Dank, lieber Raphael, für Deine Zeit in Wort und szenischer Darstellung hier am Romanschauplatz „Malina“! Viel Freude und Erfolg für alle Theater-, Schauspielprojekte!
Malina _ Roman _ Ingeborg Bachmann _ im Gespräch und szenischem Fotoporträt:
Raphael Steiner_ Schauspieler
Interview und alle Fotos_Walter Pobaschnig _Wien
Herzlichen Dank an Herrn Friseurmeister Herbert Weber, Friseursalon Weber, Ungargasse 7, 1030 Wien, für die freundliche Kooperation!
Station bei Ingeborg Bachmann_Malina.
Walter Pobaschnig 2_22
Und wieder so schöne Fotos vom Schauplatz meiner Kindheit! Haus Ungargasse 9 und auch Aufnahmen vor unserer damaligen Wohnungstüre. Der Ausblick vom Dach des Hauses Ungargasse 6 (?) ist atemberaubend! Dort würde ich gerne auch mal stehen!
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