„Ingeborg Bachmann ist mutig vorangegangen, sich verletzlich zu zeigen“ Jessica Lind, Schriftstellerin _ Romanjubiläum Malina _ Wien 9.11.2021

Jessica Lind, Schriftstellerin_
am Romanschauplatz _Malina_Wien

Herzlichen Willkommen, liebe Jessica Lind, Schriftstellerin, hier am Romanschauplatz „Malina“ in der Ungargasse in Wien!

Wie im Roman von Ingeborg Bachmann, der heuer sein 50jähriges Erscheinen feiert, spielt ein bestimmter Ort, eine umrissene Topographie, auch eine zentrale Rolle in Deinem neu erschienen Roman „Mama“. Welche Bedeutung kommt Orten in Deinem Schreiben zu?

Die Aura, die Orte ausstrahlen, ist ganz wichtig für das, was sich ihnen abspielt und abspielen kann. Sie bilden die Bühne für das, was geschieht. In meinem Roman „Mama“, der ja ausschließlich im Wald spielt, agiert dieser Wald als zusätzliche Figur, die auch ein Eigenleben besitzt.

Welchen Schreibort wählst Du? Hängt dieser mit dem thematischen Ort zusammen?

Ich wähle Orte, an denen es mir leicht fällt, meine Umgebung zu vergessen. Momentan ist das oft das Bett (lacht). Manchmal ist aber auch ein Grundrauschen ganz gut, dann gehe ich ins Kaffeehaus. Oder aber auch nach draußen, in der Natur, in Parks, das ist ganz unterschiedlich. Was gelingen muss und vor allem dann gut gelingt, wenn ich im Fluss der Geschichte bin, ist, Zugang zu diesem fiktiven Ort zu finden, an dem die Geschichte passiert.

Manchmal ist das schwierig, manchmal ist es einfacher. Manchmal bin ich Alice im Wunderland, die ihren Weg durch das Schlüsselloch finden muss. Aber Ziel ist es, alles um mich herum zu vergessen, wie mir das auch oft beim Lesen passiert, wo ich regelmäßig zu weit mit der U-Bahn fahre, weil ich ganz in der Geschichte drin bin.

Wie darf man sich diesen Wechsel, dieses Wechseln von Schreibort und Realität als Schriftstellerin vorstellen? Wie dreht sich der Schlüssel im Weg in und aus einer Geschichte?

Das Reinrutschen passiert unbewusst, das merke ich dann auch gar nicht. Sobald ich das merken würde, wäre ich wahrscheinlich wieder draußen. Schwerer ist es, die Emotionen nicht mit in den Alltag zu nehmen.

Da muss ich noch besser werden (lacht), es ist ja auch unfair, dann meinen Partner anzuschnauzen und grantig zu sein, weil mich eine Szene noch so sehr beschäftigt.

Spielen Träume in Deinem schriftstellerischen Arbeiten eine Rolle?

Ich liebe es zu träumen und meine Fähigkeit dazu. Ich unterhalte mich auch gerne über Träume und habe dabei erfahren, dass es nicht jeder Person gelingt, sich Träume gut zu merken.

Ich habe noch nie einen Traum 1:1 im Schreiben übernommen. Aber eine von meinen Techniken, wenn ich nicht weiter weiß beim Schreiben, ist – das hat früher besser funktioniert als ich noch kein Kind hatte (lacht) – mich hinzulegen, Augen zu schließen und, auch wenn ich nicht wirklich eingeschlafen bin, die Gedanken so wandern zu lassen, dass diese nicht mehr konkret kreisen, sondern eine Freiheit bekommen. Das hat schon oft dazu geführt, dass plötzlich ein neuer Funke da war, der mir geholfen hat, mich wieder an den Schreibtisch zu setzen und weiterzuarbeiten.

Das ist ja das Spannende beim Schreiben, dass viel Arbeit nicht am Schreibtisch passiert, sondern dazwischen – was man erlebt, sieht – wenn man nicht am Schreibtisch darüber brütet.

Dein Roman „Mama“ beginnt mit einer Fahrszene im Auto. Wie wichtig ist Bewegung, Ortsveränderung für Dich als Inspiration?

Am liebsten mag ich Zugfahrten, ganz klimabewusst (lacht). Dieses Sitzen und der Körper wird bewegt, das macht schon etwas mit den Gedanken. Die Gedanken schweifen. Generell ist Langeweile zuzulassen nicht das Schlechteste, wenn man schreiben will..

Der Romanschauplatz „Malina“ hier im dritten Bezirk ist sehr eng gezogen. Auch in Deinem Roman ist das so. Was sind die Bewegründe im Schreiben dazu?

Ich mag gerne klar definierte Grenzen, in denen ich mich bewegen kann und finde, dass aus Mangel oft eine große Fülle entsteht. Ich mag das Spielerische daran, das Experiment: das ist jetzt mein Raum, was kann darin passieren? Wie in einer Versuchsanordnung.

Es sind bedeutungsvolle Namen, die Deine Protagonisten*innen im Roman tragen, auch mit persönlichen Bezügen. Wie wichtig sind Dir Namen im Schreiben?

Zuerst einmal gar nicht. Oft ist es eher nervig, dass die ja alle irgendwie heißen müssen. Da verwende ich irgendwelche Namen, der mir in den Sinn kommen und sage mir, dass ich es später ändern werde. Dann gewöhne ich mich an die Namen und sie bleiben.

Aber bei „Mama“ war es anders. In der Kurzgeschichte auf der dieser Roman beruht, hieß das Paar noch Ada und Theo. Das hat meiner Lektorin aber nicht gefallen, sie meinte, die Namen seien zu bürgerlich. Bei Änderungen bin ich relativ schmerzfrei, ich wollte nur die biblische Referenz behalten und so habe ich die Namen auf Amira und Josef geändert. Was vor allem für Josef Sinn macht, weil schon der Name etwas über seine Herkunft erzählt. Er stammt ja aus einem bäuerlichen Milieu. Meine Lektorin war auch von diesen Namen nicht begeistert, sie sind trotzdem so geblieben.

Welche Referenzen der biblischen „Maria und Josef“ Geschichte hast Du bewusst aufgenommen bzw. reflektiert?

Ich arbeite gerne mit Versatzstücken aus Mythen, Märchen und auch aus biblischen Geschichten, weil man sofort Verbindungen dazu aufbauen kann. „Maria und Josef“ sind wie „Adam und Eva“ berühmte Elternfiguren.

Gibt es Parallelen Deiner Romanprotagonistin Amira in Fragen der Herausforderungen einer neuen Lebenssituation, dem Frausein darin, der Identitätsfindung, zur biblischen Maria?

Maria Muttergottes ist die berühmteste Mutter überhaupt. Ein Engel verkündet ihr die Empfängnis von Gottes Sohn und sie nimmt ihr Schicksal mutig, aber auch sehr duldsam an. Sie ist eine Auserwählte. Dieses Narrativ der Frau als aufopfernden Mutter und Gefäß setzt sich bis in unsere Gegenwart als Idealbild fort. Am Anfang des Romans glaubt Amira zu wissen, was eine gute Mutter ist. Als sich ihre Vorstellungen vom Mutterglück nicht einstellen, sie feststellen muss, dass sie es nicht schafft dem Idealbild zu entsprechen und nicht sofort die gewünschte Erfüllung findet, stürzt sie das in große Widersprüche. Alles zerbricht und Amira muss diesen Scherbenhaufen erst wieder zusammensetzen.

Was hat Dich zur Namensvariation von Maria zu Amira im Roman bewogen?  

Anders als bei Josef erfahren wir kaum etwas über Amiras Vergangenheit und Herkunft. Ich wollte sie nicht so genau verortet haben. Amira ist ein Name, der in verschiedenen Kulturen funktioniert.

Spielte dabei auch die Thematisierung der Rollenbilder von Frau und Mann eine Rolle?

Rollenbilder sind ein bestimmendes Thema im Roman. So emanzipiert und unabhängig man leben kann, sobald man ein Kind bekommt, müssen unzählige Dinge neu verhandelt werden. Wer geht wann in Elternzeit? Wie ist Elternschaft mit Lohnarbeit vereinbar? Noch immer passiert es in vielen heteronormativen Beziehungen, dass man sobald ein Kind da ist, in tradierte Geschlechterrollen rutscht. Das passiert auch bei Amira und Josef.

Auch im Roman „Malina“ geht es um Beziehungsmodelle und Gedanken, Emotionen, Reflexionen dazu. Was hat sich in 50 Jahren von „Malina“ bis zu Deinem Roman „Mama“ in Beziehungsrealitäten verändert?

In einer klassischen Beziehung teilt man sein Leben, im besten Fall die Liebe, aber auch Aufgaben. Es geht also um Aufgabenverteilung. In den 50ern war das noch relativ klar strukturiert. Und wenn ich von tradierten Geschlechterrollen spreche, meine ich diese Aufteilung: Die Frau kümmert sich um die Familie, der Mann um das Geld. Alles was dem nicht entsprach, war außerhalb der Norm. Was Normen bieten, ist Orientierung und Sicherheit. Mit dem Aufbrechen von Geschlechterkonventionen lässt sich nicht mehr alles so leicht einordnen. Heute gibt es mehr Möglichkeiten sich zu entfalten und sein Leben so zu gestalten, wie man es möchte. Die Gesellschaft hinkt allerdings hinterher, weil die Strukturen oft noch auf die heteronormative Beziehung zugeschnitten sind. Wie unsere Welt organisiert ist, hat die Pandemie deutlich gezeigt. Viele Verordnungen zielten auf das Zusammenleben in Familien ab. Aber nicht alle organisieren ihr Leben in klassischen Familienstrukturen. Für sie war es teilweise unmöglich, ihre Beziehungen in gewohnter Weise aufrecht zu erhalten. Ich glaube, da muss noch viel neu gedacht werden.

Ist Beziehung auch ein wechselseitig stützendes, rettendes Element für Liebende?

Bestimmt! Menschen brauchen andere Menschen. Nähe, Zärtlichkeit. Liebe ist ein unglaublich starkes Gefühl und wie wunderbar ist es, dass wir alle dazu fähig sind? Aber es gibt eben ganz viele verschiedene Arten von Beziehungen.

Was macht Glück in einer Beziehung aus?

Wenn ich das wüsste, wäre ich ein sehr glücklicher Mensch, würde es aufschreiben und als Ratgeber verkaufen und wäre wahrscheinlich eine sehr reiche Frau (lacht).

Dann darf ich die Frage umgekehrt stellen. Was lässt einen eine Beziehung beenden?

Da fragst Du die Falsche, ich bin mit meinem Partner seit sechzehn Jahren zusammen (lacht). Ich bin tatsächlich mit meinem ersten Freund zusammen und habe nie eine Beziehung beendet.

Welche Ähnlichkeiten, Unterschiede gibt es im literarischen Vergleich von Amira und der namenlosen weiblichen Ich Protagonistin in „Malina“?

Es ist jetzt schon lange her, dass ich den Roman Malina gelesen habe.

Was ich an Ingeborg Bachmann ganz stark bewundere ist, dass sie eine Liebende ist, die auch ganz offen Ihre Verletzlichkeit zeigt und sichtbar macht. Ich finde auch, dass dies keine Schwäche sondern eine Stärke ist.

Ich glaube, dass grundsätzliche Veränderungen in unserer Gesellschaft notwendig wären, um traditionelle Narrative zu überschreiben. Dass es eben nicht schwach ist, wenn man sich verletzlich zeigt, Gefühle zeigt, weint, sondern dass dies eine sehr große Stärke ist, weil es die Möglichkeit gibt, anzuknüpfen und sich emotional zu verbinden. Ingeborg Bachmann ist mutig vorangegangen, sich verletzlich zu zeigen.

Die Ich Protagonistin in Malina spricht auch von einer Vision für die Liebe, Mensch, Gesellschaft – „Ein Tag wird kommen“. Siehst Du dieses visionäre positive Element auch bei Amira?

Am Ende meines Romans ist es ein Freimachen von Konventionen, die sehr hart auf unser aller Schultern liegen, weil wir alle in uns eingeschrieben haben, wie gewisse Dinge zu sein haben, wie wir selbst zu sein haben. Die Gesellschaft ist ja immer eine Stimme im Kopf, zumindest in meinem (lacht).

Ich sehe es als eine große Chance im Erzählen, andere Bilder in unsere Köpfe zu bekommen. Ganz viel von dem, wie wir die Welt wahrnehmen, wie wir glauben, dass Dinge zu sein haben, kommt aus Geschichten, aus Filmen, aus der Pop-Kultur. Von diesen Bildern sind wir stark geprägt. Ich bin sehr froh, dass es immer mehr zum Diskurs wird, dass es neben den gängigen Bildern auch noch andere gibt. Und dass gerade diese Geschichten gesucht, gesehen und auch gelesen werden, weil sie frisch sind. Da sehe ich die große Chance für uns Künstler*innen, etwas zu verändern, weil es eben nicht egal ist, sondern jede/jeder einen Beitrag dazu leistet wie Bilder in unserer Gesellschaft, in unseren Köpfen aussehen.

In Deinem Roman geht Amira am Ende weiter, weg von etwas. In welche Zukunft geht sie für Dich?

Ich möchte dies offenlassen. Ich mag uneindeutige Enden von Geschichten sehr gerne, weil sie die Möglichkeit geben, dass Leser*innen zu Miterzähler*innen werden.

Nichts freut mich mehr, wenn mein Roman nicht mit dem Schluss endet sondern in den Köpfen noch weitererzählt, weitergesponnen wird.

Der Roman „Malina“ endet mit dem Verschwinden der Protagonistin. Ist dies für Dich ein Ende, ein Auflösen oder ein Durchgangsstadium und weitergehen?

Ich habe Malina mit Anfang Zwanzig gelesen und war sehr beeindruckt vom Roman und hatte damals das Gefühl, dass Ich-Erzählerin und Protagonist Malina sehr eng verknüpft sind und in meiner Lesart ist es fast so als wären die beiden eine Person. Auch aufgrund der vielen Gespräche, die ja fast wie Selbstgespräche sind.

Für mich ist das Auflösen, Verschwinden der Ich-Erzählerin am Ende ein zu Malina-Werden.

Ist es in Deinem Schreiben so, dass Du Dich in einer Protagonistin, einem Protagonisten reflektierst, gleichsam im Spiegelbild?

Sehr unbewusst würde ich sagen. Es ist ganz viel von mir in jeder Figur, auch in jedem Schauplatz, dies lässt sich wohl auch nicht anders machen. Aber es ist ein unbewusstes Vermischen von mehreren Positionen.

Der eine Pinselstrich im Schreiben ist vielleicht aus meiner eigenen Biographie und der andere von jemand anders, oder Fiktion. Das ist auch das Schöne, dass man da unentschieden sein darf, sich zerbrösln darf zwischen verschiedenen Figuren und jeder etwas geben kann. Etwa Sachen, die man sich für sich selbst wünschen würde oder die man an anderen schrecklich findet (lacht). Es ist ein sich Vermischen mit der Welt.

Welche „Farbtöpfe“ sind für Dich Inspiration, beziehungsweise schreibtechnisch bedeutsam?

Für diesen Roman waren das Märchen. Auch Kindheitserinnerungen, das Spielen im Wald, hinter jedem Baum ein Monster sehen, sich fürchten und gleichzeitig auch sich so geborgen zu fühlen, dass man zu spät nachhause kommt (lacht). Das waren so Dinge, die ich beim Schreiben des Romans abgerufen habe. Ansonsten ist es eine Mischung, aus dem was ich erlebe, was ich sehe, was mich berührt, welche Empfindungen ich habe, wenn ich durch die Welt, das Leben gehe.

Und dann gibt es noch popkulturelle Einflüsse in meinem Schreiben – Filme, Musik, Malerei, Fotografie. Kunst lässt einen ja oft sekundär erinnern, an das eigene primäre Erleben. Oft wird mir durch Kunst erst klar, wie es mir eigentlich geht. Inspiration ist dann eine Mischung aus primären und sekundären Erfahrungen.

Dein Schreiben kennzeichnet eine starke, mitreißende Bilderwelt in direkter Ansprache, die auch sehr schnell Bilder im Kopf beim Lesen erzeugt. Ist diese gleichsam filmartige Darstellung von (unheimlichen) Bildern im Kopf wesentliche Methode in Deinem Schreiben?

Ich versuche mich in eine Situation zu versetzen und vor allem Äußeres zu beschreiben. Davor zu sehr ins Innerliche zu gehen, habe ich oft eine gewisse Scheu, dadruch entsteht dieser „filmische“ Stil.

Inwieweit spielen Träume und das Unbewusste eine Rolle in Deinem Schreiben eine Rolle?

Das Unbewusste und das Manifestieren von unbewussten Ängsten spielen in meinem Roman eine große Rolle, ohne dass bei der Figur dabei auf biographische Ereignisse Rücksicht genommen wird. Alles was in meinem Roman passiert, steht auch drinnen und ist vor allem in der Gegenwart, im Moment verankert.

Ich glaube bei Malina ist das anders. Das Unbewusste ist da ein großer Schlüssel der Ich-Erzählerin für ihre Vergangenheit und wie sie geworden ist, wie sie Dinge erlebt, wie sie sich in ihren Beziehungen verhält. Das finde ich auch sehr spannend. Ich liebe psychologische Erzählungen, die sich damit beschäftigen, wer man ist und wie man zu dieser Person geworden ist.

Sind die Ängste Deiner Romanprotagonistin gänzlich ohne Bezug zur gewordenen Biographie?

Es sind tieferliegende unbewusste Ängste bei ihr, aber sie lässt diese zu einer Auseinandersetzung nicht wirklich zu. Sie kehrt diese eher unter den Teppich, bis es darunter so voll ist, dass es herausquillt und in Erscheinung tritt und sie nicht mehr loslässt.

Dein Roman spielt im Wald. Gibt es da konkrete ortsgebende Bezüge?

Es gibt da keinen konkreten Ort. Es sind verschiedene Wälder, die diesen mystischen Wald kreiert haben. Für den Buchtrailer war ich in Hohenberg, das ist in der Nähe von Lilienfeld/Niederösterreich, dort habe ich gefilmt. Diese Art von Wald kommt dem im Roman vermutlich sehr nahe. Anderseits gibt es etwa eine Lichtung im Roman, die einen Bezug zu dem Ort hat, in dem ich aufgewachsen bin. Das ist in der Nähe von St.Pölten. Es sind also verschiedene Wälder zu einem Wald erzählerisch montiert.

Welche Beziehung gibt es von Dir persönlich zum Wald? Ist dies ein Ort, um dem Du einen Bogen machst, weil dieser unheimlich ist oder ist dieser anziehend aufgrund seiner umgebenden Natur?

Der Wald ist beides. Man kann sich sehr geborgen fühlen im Wald, aufgehoben, nahe der Natur. Das hektische Leben zurücklassen und die Gedanken schweifen lassen. Anderseits bin ich auch eine, die gerne nach dem Unheimlichen sucht und die Schatten anschaut. Ich grusle mich gerne (lacht) und manchmal suche ich das auch.

Man hört im Wald etwa ein Geräusch und fragt sich, was war das? Ein Tier, ein Mensch, wer, was ist da noch im Wald?

Schon als Kind haben mich auch die Geschichten im Wald interessiert. Etwa ein Marterl, das an den Tod eines Jägers durch einen Eber erinnerte. Das waren so Sachen, auf die ich angesprungen bin (lacht).

Gab es da bestimmte Tageszeiten für die Waldspaziergänge?

Ich bin mit drei Schwestern in einem Dorf aufgewachsen, das von Wäldern umgeben war. Eine unserer Mutproben war, in der Dämmerung von der Wiese auf den Wald zuzugehen und einen Tannenzapfen mitzubringen. Da hat es mich schon richtig gegruselt (lacht). Die Mutprobe war aber auch Spiel und hat auch Spaß gemacht. Dieses Testen eigener Grenzen, das Überwinden und das darüber Hinweggehen.

War dieses Waldspiel auch Dein „Drehbuch“?

Ich glaube, das war die Idee meiner großen Schwester. Sie legte sich etwa auch beim Rodeln in den Schnee und rührte sich nicht mehr. Wir haben sie dann geschüttelt und gerüttelt und schließlich gekitzelt, bis sie sich wieder bewegte und sie war dann furchtbar wütend, dass wir dies taten und sagte „stellt`s euch vor, mir wäre wirklich etwas passiert und ihr kitzelt mich“ (lacht). Das Aufwachsen mit meinen Schwestern, meiner Familie hat mich sehr beeinflusst. Das sind Erfahrungen für das ganze Leben.

Liegt die Lust am Unheimlichen und der Mut sich dieser zu stellen in der Familie?

Ich komme aus einer Familie, die große Lust am Fabulieren hat, auch Lust am Drama. Wir Schwestern lieben und hassen uns (lacht). Das ist etwas, woraus ich schöpfe.

In Deinem Roman spielen Ängste eine große Rolle, die Höhenangst nicht. Hast Du Höhenangst?

Ja, ich habe Höhenangst. Als Kind hatte ich da einen Unfall. Ich habe das aber gut im Griff.

Darf ich Dich jetzt trotzdem noch zu einem Fotoshooting auf das Dach des Hauses einladen?

Ja, das ist kein Problem. Seiltanzen würde ich jetzt nicht (lacht), aber auf das Dach komme ich gerne mit.

Jessica Lind, Schriftstellerin_
am Romanschauplatz _Malina_Wien

Herzlichen Dank, liebe Jessica, für Deine Zeit in Wort und Bild hier am Romanschauplatz „Malina“! Viel Freude und Erfolg für alle literarischen, künstlerischen Projekte!

50 Jahre Malina _ Roman _ Ingeborg Bachmann _ im Gespräch und szenischem Fotoporträt:

Jessica Lind, Schriftstellerin

Mama

Station bei Ingeborg Bachmann_Malina.

Interview und alle Fotos_Walter Pobaschnig _Wien_10_2021.

https://literaturoutdoors.com

Walter Pobaschnig 10_21

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