„Schieles Kunst ist krass, unverblümt, schön“ Pauline Wentzel, Schriftstellerin_Station bei Egon Schiele_Wien 23.10.2021

Pauline Wentzel _ Schriftstellerin_Wien _
Station bei Wally Neuzil/Egon Schiele _ Wien

Liebe Pauline, wir sind hier in Neuwaldegg im Westen Wiens am Wohnhaus von Egon Schiele. Welche Eindrücke nimmst Du von Haus, Garten, Umgebung, Wegen unmittelbar auf?

Zuweilen mag einen in dieser Gegend eine Anwandlung ankommen, als werde die Zeit für einen Moment durchlässig, ganz kurz nur, etwa so, als wenn eine Schneeflocke auf der Haut schmilzt.

Das Haus ist im Gegensatz zu vielen anderen Teilen Neuwaldeggs nicht pittoresk, doch wenn man seine Rückseite vom Garten aus betrachtet, besitzt es einen ganz eigenen Reiz.

Ich glaube, im Garten hielte ich mich am liebsten an einem Spätsommertag wie dem heutigen auf, oder im Herbst.

Was bedeuten Dir Orte?

Orte verbinde ich oft mit dort geschehenen Momenten und darum stark mit Gefühlen.

Was sind Lieblingsorte von Dir in Wien?

Abgesehen von einem bestimmten Kaffeehaus, dem gegenüber ich empfinde, wie Altenberg es in seinem dem Kaffeehaus gewidmeten Gedicht beschreibt: eine kleine Stiege, die nahe der Jedleseer Brücke ins Wasser führt. Der Augarten. Eine Stiege an der die Wien begrenzende Mauer. Über große Teile hinweg die Fahrstrecke der U6. Der Stephansplatz, solange ich den Dom betrachte (u.U. auch der Stephansplatz im Allgemeinen). Das Cine Center.

Wie lebst Du den Kreislauf der Jahreszeiten?

Der Sommer gehört der Leichtigkeit, dem Schwimmen, den vielen Flusssandkörnern, die ich trotz aller Umsicht immer wieder in die Wohnung trage und den Schwalben am frühen und späten Himmel.

Im Herbst raschele ich durch die Platanenblätter im Augarten und spaziere – besonders am frühen Abend – durch die Stadt. In den Herbst fallen viele wohlgeordnete Tage, ebenso wie ein wenig Melancholie.

Der Winter ist fein, um an manchen Tagen nicht hinaus zu gehen, und Schnee bezaubert mich oft, doch spätestens ab Februar erwarte ich ungeduldig den Frühling.

Er ist abendliche Verheißung, schwer von Blüten.


Was bedeutet Dir Natur?

Natur ist wesentlich. Weitere Erklärungen würden die Frage nicht befriedigend beantworten.

Wie kann der moderne Mensch in Harmonie mit Welt/Umwelt leben?

Der Zustand der Harmonie ist dadurch gekennzeichnet, dass alle Aspekte in größtmöglichen Einklang zueinander gesetzt werden. Insofern müssten die Allermeisten von uns sich wesentlich intensiver nicht nur mit den kurz-, sondern auch mit den langfristigen Folgen ihrer Handlungen auseinandersetzen und insbesondere strenger abwägen, zwischen dem Grad, in welchem eine Handlung das eigene Wohlbefinden steigert, und dem daraus resultierenden Schaden/Nutzen für die Umwelt.

Kurz gesagt sollten wir unser Tun also wesentlich stärker auf dessen Verträglichkeit hin überprüfen.

Ich gebe zu, dass ich selbst keineswegs immer die Konsequenz besitze, mich an diesen Maßstab zu halten.)


Du bist in München aufgewachsen und lebst jetzt seit bald zwei Jahren in Wien. Was
bedeutet Dir  Wien als Lebens- und Kulturraum?

Wien bedeutet mir Glück, ganz besonders, wenn ich mich auf dem Weg ins Kaffeehaus befinde/vom Kaffeehaus komme!

Wie war Dein Weg zur Literatur?

Literatur in allen Formen ist in meinem Leben seit jeher wichtig. Allerdings erfuhr ich erst mit achtzehn, wie sehr Schreiben fehlen kann. Dies war vor allem ausschlaggebend für die Entscheidung, meine Lebensumstände weitgehend auf das Verfassen von Texten hin auszurichten.


Welche Schwerpunkte hast Du im Schreiben? Wo findest Du Inspiration?

Hauptsächlich schreibe Ich Märchen und Gedichte. Ein einzelner Anblick – etwa eine Aprikose, das Schmuckstück eines Vorübergehenden etc. – gibt mir oft den Grundgedanken für einen Text ein. Oder aber eine Empfindung – dies häufiger bei Gedichten als bei Märchen.

Welche Bezüge gibt es von Dir zu Egon Schiele?

Schiele war einer der ersten Künstler, für die ich mich ernsthaft  begeisterte, seine Werke führten mich, neben denen Klimts, zum ersten Mal nach Wien.

Welche Bezüge gibt es von Dir zu Wally Neuzil?

Vielleicht die Freude am Modellstehen, wenngleich es freilich einen großen Unterschied macht, ob man dieser Tätigkeit erwerbsmäßig nachgeht oder nicht.

Welche Eindrücke hast Du von der Kunst Egon Schieles?

Sie ist krass, unverblümt, schön.


Welches Bild von Egon Schiele beeindruckt Dich besonders und warum?

Mir fallen an dieser Stelle mehrere Werke ein, darum greife ich einfach eines heraus:

Das Portrait „Gerti Schiele“ (1909) berührt mich sehr wegen der Zartheit und Innigkeit, die für mich darin liegt. Der weiße Hintergrund, der auch als leer empfunden werden könnte, gleicht in meinen Augen einer Umarmung.


Welche Eindrücke hast Du von der Darstellung Wally Neuzils in Schieles Werken?

Die gemalte Wally Neuzil ist für mich eine sehr ausdrucksvolle, schöne Frau. Faszinierend finde ich, dass die einzelnen Merkmale ihres Gesichts für sich genommen zart wirken, im Ganzen aber vor allem Willensstärke zeigen.


Was braucht Liebe immer, um zu wachsen, blühen?

Vertrauen, Achtung, Geduld, Bereitschaft, dem Anderen zuzuhören


Was lässt Liebe untergehen?

Gleichgültigkeit


Darf ich Dich zum Abschluss zu einer Wortassoziation zu „Wally Neuzil“ bitten?

Waldabend

Pauline Wentzel _ Schriftstellerin_Wien _
Station bei Wally Neuzil/Egon Schiele _ Wien

Station bei Egon Schiele/Wally Neuzil_Wien_ im Gespräch und szenischem Fotoporträt:

Pauline Wentzel_Schriftstellerin_Wien

Interview und alle Fotos_Walter Pobaschnig _Wien_9_2021.

https://literaturoutdoors.com

Ein Gedanke zu „„Schieles Kunst ist krass, unverblümt, schön“ Pauline Wentzel, Schriftstellerin_Station bei Egon Schiele_Wien 23.10.2021

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