
Liebe Susanna, welche Bedeutung hat die Natur in Deiner Kunst?
Die Natur ist meine Hauptinspiration. Meine aktuellen Arbeiten beschäftigen sich mit Vergänglichkeit und dem Festhalten von Zeit, und Erinnerungen.
Die künstlerische Technik ist dabei die Cyanotypie (Fotodrucktechnik, Anm.), mit der ich schon in meinem Diplom viel gearbeitet habe.
(Beim Diplomprojekt dienten die Fundstücke aus der Kiste meines Großvaters der Fotograf war, als Vorlage wie beispielsweise Fotos, die er von meiner Großmutter gemacht hatte.)

Aktuelle Materialien sind jetzt angeschwemmte tote Pflanzen, Hinterlassenschaften der Natur, die ich an der Donau gefunden habe.

Aufgrund der Überschwemmung im Sommer an der Donau wurde sehr viel an die Ufer geschwemmt. Tote Tiere, Pflanzen, Kleidungsstücke, Müll. Ich habe dann mit Cyanotopie experimentiert. Die toten Pflanzen waren am Besten für meinen künstlerischen Prozess geeignet. Pflanzen haben etwas sehr Poetisches.
Die Arbeiten sind direkt an der Donau in Wien und in Stopfenreuth (Nationalpark Donau-Auen) entstanden.

Welche Bedeutung hat Wasser für Dich?
Wir leben seit 2020 im zwanzigsten Bezirk in Wien, in unmittelbarer Nähe der Donau. Das man hier in der Großstadt leben kann und die Donau hat, ist einfach wunderbar. Am Wasser findet man Ruhe.

Ich bemerke jetzt auch in meinen Arbeiten, dass es immer mehr um das Zusammenspiel, die Zusammenhänge von Mensch und Natur geht. Es sind nicht mehr spezielle Themen sondern es geht jetzt um alles, den Gesamtblick von Natur, Welt. Wasser vereinigt das für mich und drückt es sehr gut aus.

Ich habe immer nach einer Möglichkeit gesucht nicht nur im Studio sondern auch draußen zu arbeiten, mit der Natur. Da arbeitet die Natur quasi mit mir zusammen. Wir arbeiten zusammen (lacht).

Wie ist Dein Arbeitsprozess aufgebaut?
Ich sehe, lese oder finde Dinge, nehme diese mit und setze es dann um. Ich produziere dann sehr viel. Dann gibt es eine Auswahl.

Wie ist Deine künstlerische Arbeit im Laufe der Jahreszeiten?
Im Sommer konnte ich viel draußen arbeiten. Über den Herbst und Winter arbeite ich das im Sommer entstandene auf. Ich finde es gut mit den Jahreszeiten zu arbeiten.
Der Arbeitsrhythmus mit der Natur hat etwas Entspannendes.

Ich stelle meist alle Farben selbst her und kaufe wenig dazu. Alles was man selbermacht, dauert länger aber ist meistens auch irgendwie besser (lacht). Das ist wie beim Kochen.

Wie siehst Du die Verbindung von Kunst und Leben?
Erst seit kurzem lebe ich die unmittelbare Verbindung von Lebensraum, Wohnung und Atelier, momentan genieße ich es. Nütze die Wegzeiten für meine Arbeit. Vermutlich werde ich aber wieder ein Atelier brauchen, weil ich relativ große Bilder mache. Für die nächsten zwei, drei Monate passt es aber sehr gut hier.





Ich arbeite meistens vormittags, kommt auch darauf an wie lange ich mit dem Hund spazieren gehe. Dann nach Mittag bis abends. Es gibt auch Zeit am Computer, um Projekte/Termine zu bearbeiten. Ich habe da einen Kalender, den ich dann abarbeite. Ich mache dies dann meist tageweise. Dann ist der Wochenschwerpunkt etwa Bewerbungen oder Steuer und Ähnliches .


Wie wichtig sind Ortsveränderungen und Bewegung für Deine Kunst?
Ich überlege derzeit ob ich mich für Auslandsstipendien bewerbe. Reisen, der Blick von außen, eine andere Urbanität, der Blick von Kulturen, das ist ganz wichtig für die künstlerische Arbeit.

Ein Ort macht sehr viel in der Kunst. Ob in der Stadt oder der Natur.

Was bedeutet Dir Wien?
Wien ist meine Wahlheimat. Sehr lebenswert, als Großstadt mit Anschluss an die Natur.


Wie war Dein Weg zur Kunst?
Ich konnte immer gut zeichnen, wusste aber zunächst nicht, was ich damit tun soll. Ich habe dann eine Ausbildung in Kommunikations- und Modedesign gemacht und auch in dieser Branche gearbeitet. Dann habe ich aber umgesattelt und Kunst studiert.

Mit welchen Kunsttechniken arbeitest Du?
Ich versuche in meiner Kunst so wenig neues Material wie möglich zu nehmen und wenn dann nachhaltig. Ich verwende dabei auch gebrauchte Leinwände, färbe und nähe diese neu zusammen. So produziere ich wenig Müll (lacht). Wie kann man Sachen wiederverwerten, herstellen, produzieren, das interessiert mich. Mir wird da nicht langweilig (lacht).

Kunst gibt auch Ruhe. Wenn man Kunst macht, ist man immer ruhig.

Ich bin sehr an verschiedenen Kunsttechniken interessiert und experimentiere mit diesen. Im Studium habe ich für Siebdruck begeistert. Eine Siebdruckwerkstatt wäre aber zu kostspielig gewesen. Und ich habe dann gelesen und mich informiert über weitere Techniken und bin dann auf die Cyanotopie, eine alte Fototechnik, gestoßen und dachte, ich probiere das mal aus. Es dauert aber natürlich eine zeitlang, bis dies möglich ist. Dieser Prozess begeistert mich aber, wenn ich nicht weiß, was passieren wird, du wirst immer überrascht, was da herauskommt. Es ist nicht absehbar – es ist ja nie irgendwas absehbar. Das finde ich sehr wichtig in der Arbeit. Ich möchte mich selbst immer wieder überraschen können und auch die Betrachtenden.

In meinen verschiedenen Zugängen öffnet sich auch wieder ein neuer Blick. Es gibt ja meist einen kritischen Blick auf die gerade vollendete Arbeit und man will etwas verändern. Zeit, ein Abstand tut da gut.


Neue Sachen auszuprobieren sind für mich ein künstlerischer Motor. Ich lese, sehe viel, sehe mir auch alte Techniken an. Ich arbeite derzeit etwa mit Wachs, da gibt es auch verschiedene Herausforderungen. Aber solche Experimente finde ich gut, so was mache ich gerne (lacht).

Unseren Zimmertisch habe ich etwa aus einem Bett gebaut, das ich davor hatte. Da habe ich mit Leim und Holz experimentiert. Ich will Sachen, die ich mal hatte, nicht wegtun sondern lieber etwas daraus machen.
Wir haben auch ein Jahr in einem Bus gelebt und ich habe dann angefangen in dem Bus zu arbeiten, was natürlich wahnsinnig eng war.


Das interessiert mich nach wie vor, wie kann man auf kleinstem Raum arbeiten und wohnen, wie es etwa in Japan ein Thema ist. Wir würden das auch gerne wieder machen, in einem Bus leben, wenn Reisen vielleicht wieder einfacher wird.




Wie war das künstlerische Arbeiten im Bus, im Unterwegssein?
Direkt nach dem Kunstdiplomabschluss sind wir mit dem Bus gereist. Da habe ich hauptsächlich Zeichnungen gemacht und gemerkt, wie ich mein Atelier vermisse. Das war total verrückt, weil ich mich ja so auf diese Reise gefreut habe. Jetzt wüsste ich natürlich, wie ich auch im Bus arbeiten könnte und dann vielleicht auch Station zu machen und uns einzumieten für ein temporäres Atelier. Im Bus kann ich nicht malen aber Sachen vorbereiten.

Darf ich Dich bitten, Werke vorzustellen?

Das ist eine Arbeit aus 2019/20. Diese ist inspiriert von den Arbeiten meines Großvaters, der Fotograf war, und da auch Fehlversuche in der Fotoentwicklung hatte, die ich aber am spannendsten fand. Das ist jetzt quasi ein Stück davon, ein Cyanotopie Abdruck malerisch mit Weiß bearbeitet.
Dieses Werk heißt „Überbleibsel – Überschwemmung“ und ist meine erste große Arbeit mit Cyanotopie und diese ist in der Stopfenreuther Au entstanden. Da sind tote Pflanzen, Schlamm, Bäume. Der Blauton kommt nach einer gewissen Zeit dieser Technik.
Das persönliche Sehen der Betrachtenden dabei ist mir wichtig.

Könntest Du bitte den Arbeitsprozess zu Deinen Werken mit der Cyanotopie Technik skizzieren?
Ich bin da meistens sehr früh an der Donau unterwegs. Ich mag Menschen, aber es ist wichtig, dass ich da alleine bin (lacht). Es war dann im Sommer und auch jetzt sehr viel von den Überschwemmungsfolgen sichtbar und etwa auch an der Farbe der Bäume erkennbar. Da waren dann auch ganz viele tote Pflanzen und die mir am interessantesten erschienen, die habe ich dann mit mir zu einem Punkt gezogen, der relativ flach war. Dann habe ich die große Leinwand ausgelegt, gab Emulsion darauf und platzierte die Pflanzen darauf. Das ist in der Komposition zu bedenken. Dann gebe ich die Pflanzen weg und renne damit zur Donau, unterdessen kommt nochmal Licht darauf, deswegen ist auch das Wasser am Bild sichtbar.

Bei diesem Bild hier sind es angeschwemmte Holzstücke der Donau. Die waren ganz schön schwer (lacht). Es sind Holzstücke, große Steine und Seegras am Bild. Es wirkt sehr abstrakt und jeder kann darin etwas sehen. Ich sehe natürlich die hingelegten Naturmaterialien sehr stark, das ist spannend.

Da es sehr schwer war, sind auch die Spritzeffekte des Wassers zu sehen. Die Leinwand ist aus Baumwolle.

Dieses Werk hier ist aus recycelten Materialien. Ich habe es mit Kaffee und Braunton gefärbt.

Wie gehst Du bei der Titelgebung vor?
Ich habe da zunächst Zahlen ausgewählt, die mit Größen des Werks verbunden sind, also abstrakt betitelt. Jetzt bin ich dazu übergegangen, einen Titel in deutscher Sprache zu wählen.



Vielen Dank für das Interview liebe Susanna, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Station im Atelier_bei:
Susanna Klein_Künstlerin_Wien
https://www.susanna-klein.com/
Alle Fotos_Walter Pobaschnig
1.10.2021_Interview_im Atelier_Walter Pobaschnig.
Walter Pobaschnig 10_21