Liebe Julia, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Derzeit habe ich keinen geregelten Tagesablauf. Ich taste mich langsam wieder an einen gewissen Rhythmus heran. Was ich aber täglich mache, ist, singen, tanzen, schreiben, lesen, meditieren und in der Natur sein. Manchmal sogar alles gleichzeitig, wenn es mich überkommt!

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Sich auszutauschen anstatt zu verurteilen. Sich zu begegnen anstatt zu isolieren.Sich gemeinsam zu stärken anstatt auszugrenzen.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?
Das Theater war für mich immer schon ein Ort des Austausches, des Miteinanders, des gemeinsamen Beflügelns. Ein Ort, wo man zusammenkommt, gemeinsam atmet, gemeinsam lebt. Vieles bricht gerade auf und um und beginnt sich zu wandeln.
Gerade in der Kunst ist es meiner Meinung nach essentiell Fragen zu stellen, zu provozieren, von seiner Meinungsfreiheit Gebrauch zu machen und den Menschen – vor allem jetzt – eine qualitativ hochwertige Alternative zu den heute viel zu oft konsumierten Massenmedien zu bieten. Ein Raum für Diskurs und Akzeptanz. Das finde ich gerade jetzt äußert wichtig und notwendig!
Was liest Du derzeit?
Jerzy Grotowski – „Für ein armes Theater“
Ethan Hawke – „Regeln für einen Ritter“
Clemens G. Arvay – „Wir können es besser“
kann ich alle drei sehr empfehlen.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Einen Ausschnitt aus Reinhard Mey‘s grandiosem Lied „Sei wachsam“ – als wäre es für diese Zeit geschrieben worden.
„Wir hab’n ein Grundgesetz, das soll den Rechtsstaat garantier’n
Was hilft’s, wenn sie nach Lust und Laune dran manipulieren
Die Scharfmacher, die immer von der Friedensmission quasseln
Und unterm Tisch schon emsig mit dem Säbel rasseln?
Sei wachsam
Präg‘ dir die Worte ein!
Sei wachsam
Und fall nicht auf sie rein!
Pass auf, dass du deine Freiheit nutzt
Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt!
Sei wachsam
Merk dir die Gesichter gut!
Sei wachsam
Bewahr dir deinen Mut
Sei wachsam
Und sei auf der Hut!
Ich hab Sehnsucht nach Leuten, die mich nicht betrügen
Die mir nicht mit jeder Festrede die Hucke voll lügen
Und verschon‘ mich mit den falschen Ehrlichen
Die falschen Ehrlichen, die wahren Gefährlichen!
Ich hab‘ Sehnsucht nach einem Stück Wahrhaftigkeit
Nach ’nem bisschen Rückgrat in dieser verkrümmten Zeit
Doch sag die Wahrheit und du hast bald nichts mehr zu Lachen
Sie wer’n dich ruinier’n, exekutier’n und mundtot machen
Erpressen, bestechen, versuchen dich zu kaufen
Wenn du die Wahrheit sagst, lass draußen den Motor laufen
Dann sag‘ sie laut und schnell, denn das Sprichwort lehrt:
Wer die Wahrheit sagt braucht ein verdammt schnelles Pferd!“
Vielen Dank für das Interview liebe Julia, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Theater-, Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Julia Mikusch, Schauspielerin
Foto_Daniel Kastner.
24.8.2021_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.