Ich bin in eine Welt hineingeboren, die aufbauen, verbessern wollte. In den 1980er Jahren gab es den Mauerfall, Utopien von Frieden, der Wert des Menschen und seines Lebensraumes wurden thematisiert. Ich trage das in mir. Der Roman Malina sieht das ja dunkler, diesen immerwährenden Krieg der Welt.

Mein Weg zur Kunst begann sehr früh. Das Interesse war immer da und vielseitig – Tanz, Zirkus, Theater, Musik, eine einzige Suche. Mit vierzehn Jahren stellte sich dann die Frage der weiteren Ausbildung. Ich habe dann die „Graphische“ Lehranstalt in Wien, Schwerpunkt Fotografie, besucht, war dabei auch ein Jahr an einer amerikanischen High School, in Quincy Kalifornien, das liegt zwischen San Diego und den Rocky Mountains, zwischen sehr spannenden beeindruckenden Naturkontrasten, auch die Wüste ist sehr nah.

Ich habe nach der Schule in Wien dann als Fotografin gearbeitet, im Portraitbereich, auch kurz in den USA, und zB. in der Werbung für Palmers. Parallel dazu begann ich das Studium der Theaterwissenschaften wie eine Schauspielausbildung. Studieren wurde es nicht, die Praxis rief. Es ergab sich dann eine Theaterrolle mit dem ensemble adhoc im „Theater Spielraum“. Ich hatte da eine Rolle eines Kindes ala „Adams Family“ in den „Vollmondnächten“, und bekam gute Kritiken. Hermes Phettberg war auch dabei.

Dann war ich in der Produktionsassistenz, Fotografie, Redakteurin, Texterin beim Spielfilm und in der Werbung tätig. Ich war auch Moderatorin von Finanznachrichten. Da waren dann immer auch schon eigene Projekte parallel dabei.

Kunst ist für alle da. Es ist besser Leute machen Kunst, sei sie gut oder eher sehr laienhaft, als sie werden Waffenschieber oder sonst was.

Es geht in der Kunst nicht um welchen Level, welche Ausbildung, welches Können, sondern darum, dass man es macht, dass man sich ausdrücken will.

Kunst ist immer bestinvestierte Zeit. Das geht nicht besser.

„It´s your voice!“ sagte mein großartiger Schauspiellehrer David Maayan an der Schule des Theaters. Das möchte ich jedem ans Herz legen. Den Weg gehen, Prozesse erleben, den eigenen Ausdruck finden.



Kunst bereichert mein Leben. Es ist mein Lebensweg.
Ich fühle mich in der freien Theater-, Kunstszene sehr wohl. Ich muss nicht die fünfte Leiche im Tatort spielen. 😉

Vor Jahren hatte ich das Kunstformat „Zeitlos im Bild“, da gab es vorrangig positive Nachrichten. Ich finde, das Gefüge der Welt kann sich ändern, wenn wir daran mitwirken, mittels Bewusstseinsarbeit, gerade auch in den Medien. Es wäre möglich, etwa 80% positive Nachrichten und 20% negative Nachrichten zu bringen. Das würde viel bewirken.

Klang ist derzeit ein Schwerpunkt bei mir mit einem Kollektiv namens „LIQUIDinfinity“. Es geht da um sozialkritische Texte in Verbindung mit Alltagsgeräuschen und Sounds aller Art, des Lebens. Das Theremin, ein Synthesizer, ist dabei auch als Klangerzeuger wesentlich. Diese Kombination ist sehr spannend. Inhalt und Musik zu verbinden fasziniert mich. Wir nennen es „musikalische Kommentare“. Ich nehme meine Gesangsstimme da bewusst zurück, denn toll singen machen schon so viele begabte Kolleg_innen vielleicht besser (lacht). Das Thema ist Fülle und Reduktion.


Kunstorte, an denen Publikum und Darsteller*innen interagieren, schätze ich sehr. Ich nenne meine Performancearbeit gern „site-spezific“, immersiv, körperbetont. Viele Worte für „ein Erlebnis, einen Prozess für Darsteller, Crew und Zuseher_innen kreiieren wollen“. Es ist spannend, diese Trennung von Aktivität und Passivität im Theater aufzuheben bzw. damit zu spielen.



Bewegung und Körperarbeit lassen Erfahrungen entstehen. Das ist etwas was mir auch im Theater wichtig ist.
Erfahrungsräume und Orientierung im Raum als Theaterkonzept, ich mag das. Ich bin ein großer Freund von Raumarbeit.


Ich schätze die Psychologen unter den Schriftstellern wie Dostojewski, Tschechow, Strindberg. Ich selbst arbeite intuitiv.
Mit dem Roman Malina verbinde ich zunächst das Bild der schreibenden Frau. Das ist ein wichtiges Thema. Schreibende Frauen sind sehr wichtig. Ich denke da jetzt etwa an Sophie Reyer und Julya Rabinowich. Ich schreibe selbst auch.

Die Aufarbeitung von Vergangenheit ist auch ein wichtiges Thema des Romans. Ich komme aus einer Generation, in der das Kapitel Nationalsozialismus, II.Weltkrieg, Shoa, im Geschichtsunterricht überschlagen wurde. Das war möglich. Für mich war und ist es ein sehr wichtiges Thema. Ich sehe den Rechtsextremismus natürlich als immerwährend lauernde gesellschaftliche Gefahr mit höheren und niedrigeren Wellen. Die Tendenzen sind wieder stärker da, die Mechanismen dieselben.

Die Dichtheit des Romans, die Treffsicherheit der Themen, das ist außergewöhnlich bei Ingeborg Bachmann.
Dieses Verschmelzen von Malina und der Ich-Erzählerin, diese Symbiose, das ist sehr besonders. Für mich gibt es da weibliche und männliche Persönlichkeitsanteile, aber ich sehe es entgegengesetzt. Wie es der Roman darstellt, ist es faszinierend.

Es gibt in der Kunst Männer, die dich bremsen und Männer, die dich supporten wollen, beides ist mir unangenehm (lacht). Weil es ein Gefälle ist. Es geht um Miteinander, Augenhöhe und Solidarität, in Kunst und Gesellschaft.


Die Kämpfe, den Krieg, von dem Bachmann in Beziehungen spricht, da geht es um unerfüllte Sehnsüchte.
Dieser private, gesellschaftliche Krieg Bachmanns ist wohl in vielem geschluckt worden, er ist unter der glitzernden Oberfläche, in den Hinterhöfen.







Persönlich kenne ich es nicht so sehr, dass man sich in Beziehungen zerfleischt.

Ich erwarte mir wenig von Menschen. Die Erwartungen gehen an mich selbst.

Begehren, Sehnsucht, das sind wunderschöne Dinge. Eine Affäre ist auch heute ein Beziehungsmodell. Es ist nicht meines. Ich bin da old school.
Beziehungen scheitern oft an Erwartungshaltungen. Der/Die Andere soll mir etwas geben, das mir fehlt. Ein anderer Mensch kann aber nie etwas für dich selbst erfüllen.

„Das ist doch eine arme Künstlerin, das ist ja super, die ist abhängig“, auch das gibt es aus der männlichen Partnerschaftsperspektive.

Ich erlebe meine Welt, meine Kunstwelt als sehr wertschätzend. Ich darf da sehr dankbar sein über die viele investierte Zeit und das Talent, die mir so viele Kolleg_Innen aller Sparten zur Verfügung stellen, damit ich meine bzw. wir unsere gemeinsamen Träume verwirklichen kann. Ich bin gerne die Reiseleitung, gebe aber genauso gerne das Ruder auch wieder ab, wenn ich wo mitarbeite.

Ich selbst erlebe von Männern viel Wertschätzung. Es gibt aber auch viele rohe, brutale Männer. Ich hatte da eine sehr schmerzvolle und bedrohliche Erfahrung.

Es gibt verschiedene Filter, mit denen Menschen einander sehen. Das ist auch ein wesentliches Thema des Romans. Und die Frage daraus: wer bin ich wirklich? Was bedeutet das, „Wirklichkeit“?
Diese Filter gilt es zu durchschauen. Aber sie verletzen auch. Davon erzählt ja auch der Roman.

Unsere Welt, unsere Wirklichkeit, unsere Gesellschaft, das sind Vereinbarungen.

Im Moment geht es mir in meinen Projekten darum Hoffnung, Mut, Miteinander, flache Hierarchien zu stärken. Das ist meine Vision im Moment, in dieser Corona Zeit. Davor war Bewusstseinsarbeit und Provokation mehr im Fokus.
Ergebnisse in Kunstprojekten und Unterstützung, sehen wie etwas wächst, das gibt Mut. Das wünsche ich allen Menschen.


Es ist bei allen Projekten der freien Kunstszene beeindruckend wie viel Zeit, knowhow da investiert wird. Viele wissen nicht wie sie die Miete zahlen sollen, aber sie machen Kunst.
In der freien Szene war es immer prekär und wackelig, jetzt mit Corona ist es völlig unplanbar, existenzbedrohend. Niemand kann sagen wie es nächstes Jahr aussehen wird.

Ich habe letztes Jahr im Frühjahr zu Beginn der Pandemie die Burgtheaterdirektion und das Kunsthistorische Museum angeschrieben, um eine Zusammenarbeit anzuregen – „Ihr seid die Hochkultur, wir die freie Szene, lasst uns gemeinsam ein Zeichen setzen, jetzt“. Es ist nicht passiert.

Dieses Jahr reichte ich vier Projekte beim Kultursommer Wien ein. Es hat nicht funktioniert, das ist schon sehr traurig. Es gab keine Rückmeldung. Da war eine Lesung, Theater, Musik und ein innovatives experimentelles Projekt dabei. Diese Projekte haben eine monatelange Vorbereitung. Es wäre schon gut, wenn es mehr gesehen, mehr unterstützt würde.

Ich lebe jetzt prekär und werde es wohl auch bis ins Alter. Es ist nichts Neues für mich als Künstlerin. Und ich würde es nicht anders wollen. Denn es bedeutet auch Adrenalin, Unabhängigkeit, Freiheit meiner Gedanken und Ideen ohne Kontrollmechanismen, die Kunst in monetären Werten messen. Es ist mein Platz in dieser Welt, so fühlt es sich an.

50 Jahre Malina _ Roman _ Ingeborg Bachmann _ im Gespräch und Fotoporträt:
Peta Klotzberg_Schauspielerin, Regisseurin, Künstlerin _Wien _ Station bei Ingeborg Bachmann_Malina.
Aktuell: https://fraujedermann.at/
Interview und alle Fotos_Walter Pobaschnig _ Romanschauplatz_Malina_Wien_6_2020.