„Freiheit ist für mich mit Glück verknüpft“ Sarah Zaharanski, Schauspielerin_ Romanjubiläum Malina _ Wien 6.7.2021

Ingeborg Bachmann und ihr Werk sind omnipräsent, es gibt immer wieder neue Bezüge und Zugänge. Meine erste Begegnung war im Schauspielstudium in Graz. Da habe ich Ingeborg Bachmann als Schwerpunktthema eines Referates gewählt, da stand ihre Lyrik im Mittelpunkt. Ich war begeistert.

Sarah Zaharanski, Schauspielerin_Romanschauplatz_Ungargasse_Wien

Ich spielte dann 2019 in „Antigone“ am Stadttheater Klagenfurt. Die Regisseurin Lore Stefanek hat mich da auf den Film „Malina“ (1991, Regie: Werner Schroeter) mit Isabelle Huppert in der Hauptrolle aufmerksam gemacht: „Diesen Film musst Du sehen!“. Barbara Schnitzler, eine tolle, erfahrene Kollegin, die ebenfalls in „Antigone“ mitspielte, erzählte mir damals auch, dass sie am Grab von Ingeborg Bachmann in Klagenfurt/Annabichl war, da bin ich dann auch hingefahren. Ich war erstaunt wie bescheiden das Grab war. Ich bin auch zweimal hingefahren, weil ich es beim ersten Mal nicht gefunden hab. Ich musste erst die Wegbeschreibung von meiner Kollegin bekommen (lacht), es ist ja ein sehr bescheidenes Grab.

Es ist grundsätzlich spannend wie Vermächtnis positioniert wird – auf persönlicher, literarischer und gesellschaftlicher Ebene. Wie positioniert sich eine Künstlerin/ein Künstler zeitlebens dazu selbst. Sind da Rückschlüsse zu ziehen was er/sie haben will oder auch nicht?

Ich kenne die Ungargasse, aber das Innere kannte ich nicht. Den Hof, das Stiegenhaus, den Keller. Dass sich alles so konkret verortet. Der Roman ist an sich ja sehr konkret mit seinen Orten.

Beruflich wollte ich unbedingt zuerst nach Deutschland, irgendwie hat es mich jetzt aber dann doch nach Österreich zurückgezogen, obwohl ich auch politisch mit Österreich nicht immer zufrieden bin. Hier gibt es eine große Neigung Themen zu verdrängen.

Als Land finde ich Israel unglaublich spannend. Ich war da zwar nur im Urlaub, aber ich habe danach auch eine zeitlang Hebräisch gelernt. Es ist eine wunderschöne Sprache. Es hat etwas Fließendes und gleichzeitig irgendwie auch was Hartes. Als wir die Familie eines Freundes besucht haben, war ich zum ersten Mal in einer Wohnung, in der es einen eigenen, bombensicheren Raum gibt. Das ist ein komplett anderes Leben als in Österreich.

In der politischen Perspektive von Partnerschaft ist Ingeborg Bachmann wegweisend. Sie war da eine Vorreiterin und hat sehr klar patriarchale Strukturen thematisiert. Da geht es um Kraft und Selbstbestimmtheit für Frauen. Um Haltungen und Positionen.

Wenn man in einer Partnerschaft lebt, verbringt man ja die meiste Zeit miteinander. Da kommen natürlich auch die schirchsten Sachen von einem raus. Wir Menschen versuchen uns ja normalerweise zusammenzureißen, aber da prallt dann das Kultivierte mit dem Archaischen aufeinander. Wo viel Licht ist, gibt es halt auch Schatten, das Verborgene. Das muss man halt irgendwie auch zulassen.

Ich finde schon, dass es in einer Partnerschaft Elemente gibt, die kriegsähnlich sein können – was so die Grundemotionen betrifft. Das ist aber halt auch ein Teil eines partnerschaftlichen Prozesses, eine gemeinsame Entwicklung. Wenn es aber wirklich zum „Krieg“ kommt, also einer „Gegnerschaft“, in der es um bewusstes Verletzen oder ums „Siegen“ geht, dann wird’s eher pathologisch. Dann sollte man es beenden. Es braucht da Mut, Erkenntnis und Konsequenz. Es kommt darauf an wie Menschen gestrickt sind, das ist halt sehr individuell.

Feminismus ist für mich ein gesellschaftliches Anliegen, auch die Männer in meiner Generation wollen diese Machtspiele nicht mehr.

Als Schauspielerin wurde ich sehr viel von Männern inszeniert und sehr oft wurden auch bloß Klischees von Frauen gezeigt. Das war dann immer wieder ein bloßes Reproduzieren. Frauen wie Ingeborg Bachmann und Elfriede Jelinek haben begonnen das zu ändern und das ist auch für mich als Schauspielerin eine wichtige Blickänderung.

Im ersten Teil von „Malina“ wird diese unterlegene Beziehung der Frau zu Ivan offengelegt. Aufgrund jahrhundertelanger Tradition kann eine Frau da immer wieder reinfallen. Es gibt da die emotionale Ebene und die Reflexionsebene.

Ich habe meinen Beruf. Ich muss nicht alles tun, was der Mann sagt. Für mich ist es aber auch ein großes Ringen, um ein emanzipiertes Leben in einer Partnerschaft. Wir tragen kleine Kämpfe in der Partnerschaft aus. Aber auch nicht alles muss ein politisches Manifest sein.

Im Studium hatten wir ein Kameraseminar bei Käthe Kratz, die ja eine der ersten weiblichen Regisseurinnen im ORF war. Mit ihr wurde mir das erste Mal so richtig klar, was Feminismus ist. Danach habe ich bei mir zuhause ein Treffen angesetzt, und die Frauen aus allen Schauspieljahrgängen eingeladen. Wir haben dann Stücke mit weiblichen Hauptfiguren und von Autorinnen gesammelt, um sie unseren DozentInnen für die Szenenstudien vorzuschlagen. Den Jungs haben wir danach berichtet, dass wir unsere BHs verbrannt haben und es war voll die Aufregung. Das war ziemlich super (lacht). Wir hatten das Gefühl, wir müssen Sachen ausprobieren, die Frauen zwanzig Jahre vorher schon gemacht, angezündet hatten. Mir wurde bewusst, dass es da nicht um ein schnelles Posting geht, sondern um ein ständiges Bemühen, Verändern-Wollen. Es geht jetzt um klares Positionieren und Benennen von Macht und Missbrauch. Dass es kein T-Shirt-Feminismus wird, sondern nachhaltig ist. Was sind die Themen? 

Es gibt auch tolle Vorbilder. Ich treffe im Berufskontext immer wieder Kolleginnen, die ich bewundere und denke, geil was ihr macht und wo ich mir etwas abschauen darf – im Frausein, im Schauspielerinsein. Da habe ich nicht den Eindruck des Klischees von zickigen Schauspielerinnen, die sich von den Jüngeren bedroht fühlen. Ich fühle mich da oft sehr unterstützt.

Aber man darf halt nicht aus dem Blick verlieren, dass man als Frau in Europa ganz andere Möglichkeiten hat, als in anderen Kontinenten.

Die Frage von Partnerschaft sollte immer auch gesellschaftlich gesehen werden. Und diesen patriarchalen Druck gibt es. „Malina“ war und ist da auch ein wichtiger Impuls zur Bewusstwerdung: Wenn man als Frau maximale Freiheit anstrebt, kann man dabei draufgehen.

Persönlich fühle ich, dass mich weniger das Patriarchat, als vielmehr die Gesellschaft als Ganzes erdrückt. Weil es Regeln gibt, um bestimmte Ziele zu erreichen, die ich aber vielleicht nicht annehmen will. Ich möchte eigenen Entscheidungen folgen, aber finde, es ist in Kunst und Leben nur bedingt möglich. Das ist auch ein persönlicher Prozess. Etwa, was braucht es am künstlerischen Weg? Und was, wenn ich mich an bestimmte Regeln nicht halten möchte? Ich würde mir da mehr Freiheit wünschen und weniger Hierarchie. Für mich beschreibt „Malina“ ja dieses „Tun-Müssen – wieso?“.

Eine bewusste Entscheidung ist immer eine sehr kraftvolle, weil es auch oft eine Entscheidung gegen Regeln ist. Etwa gegen eine Rolle als Frau/Mann.

„Malina“ ist visionär, so klug in der Beschreibung des Menschseins. Das macht wahrscheinlich das Zeitlose aus.

Wir alle wollen in der Gegenwart ankommen, im Bewusstsein und Leben, im Jetzt. Die Analyse dazu, die Beschreibung im Kopf, greift aber immer zurück auf die Bausteine des Gewesenen. Das Jetzt ist ja eigentlich nur: wenn ich jetzt auf der Straße im Regen singe (lacht).

Freiheit ist für mich verknüpft mit Glück. Für mich ist Leben das, was man nicht plant. Man umarmt das Leben. Die Sonne, den Regen, trinkt Wein in Spanien. Ich bin da. Es ist super. Emotion, Bauchgefühl.

Emotionen sind Freiheit.

Ein Buch geht natürlich durch den Kopf. Das ist großartig, aber zuerst glaube ich, ist aber immer das Gefühl da, dann erst die Kunst, das Buch.

Seinen Leidenschaften nachgehen, seinen Weg finden. Für mich ist alles gut, was mich erdet. Ich bin sehr impulsiv und emotional (lacht).

Ich bin seit drei Jahren in Wien, fühle mich aber noch ein bisschen fremd. Ich hab hier aber bisher auch noch nicht Theater gespielt, jetzt kam Corona noch dazu. Ich brauche noch etwas Zeit mit dieser Stadt. Das Wesentliche sind für mich die Cafès und Bars (lacht). Einfach Begegnungsorte, Treffpunkte. Das war mein zwölfter, dreizehnter Umzug hier nach Wien.

„Malina“ inspiriert, bei allem Leiden seinen Weg zu gehen. Im besten Fall ist es ein glücklicher Weg – nicht nur schwer, sondern auch schön.

50 Jahre Malina _ Roman _ Ingeborg Bachmann _ im Gespräch:

Sarah Zaharanski_Schauspielerin _Wien _ Station bei Ingeborg Bachmann _Romanschauplatz Malina_5_2021

Sarah Zaharanski – Schauspielerin / Actress

Interview und alle Fotos_Walter Pobaschnig _ 5_2021.

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