„Den KünstlerInnen wie RezipientInnen beiseitezustehen und gegen den Einheitsbrei zu kämpfen“ crackthefiresister_Künstlerin_Wien 14.5.2021

Liebe Claudia, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Da ich einen „Brotberuf“ habe, unterscheidet sich mein Alltag weniger im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie als bei KünstlerInnen, die sich vollkommen dieser Aufgabe widmen. Den „Kulturbetrieb“ mit all seinen Orten, Menschen und Interaktionen vermisse ich aber auch sehr.

crackthefiresister _Autorin, Texterin, Malerin, Performerin, Musikerin.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

In dieser Zeit ist meiner Meinung nach besonders wichtig, das zu bewahren, was uns alle glücklich macht. Also weder Egoismus, noch das Verneinen der eigenen Bedürfnisse, sondern ein Finden der Mitte und eine Extraportion Freude. Damit meine ich freiwillige Rücksichtnahme auf andere Menschen, aber auch im Rahmen der Möglichkeiten sich selbst Freude zu bereiten. Jeder erste Schritt zur Hilfe und zum Wohlbefinden ist wichtig, also eine aktive Bemühung statt bloß zu warten oder zu reagieren. Mir selbst hilft es, positive Beobachtungen auszusprechen, auch wenn sie noch so klein erscheinen. Ruf‘ jemanden an, schreib‘ eine Karte oder kauf dir selbst einen Blumenstrauß und schenk‘ jemandem in der Nachbarschaft eine Blume daraus.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Musik, der Literatur, der Kunst an sich zu?

Wann und wie ein „Neubeginn“ aussieht, weiß ich nicht. Es wird wohl ein Kontinuum sein, das hier und dort uns bekannte und endlich wieder mögliche Elemente einhakt und mit den neuen Ausweichbemühungen kooperieren muss. Meine Freude wird groß sein, wenn vieles wieder sein darf, das derzeit leider fehlt, aber ich bin vorsichtig mit meinen Zukunftsvisionen, da ich auch nicht mehr weiß als andere. Natürlich gibt es auch jetzt etwas zu tun, das uns hoffentlich weiterhin begleitet: Man schreibt mehr Beiträge für Blogs, Ausstellungen und Veranstaltungen unter freiem Himmel sind geplant und an meinem Buch arbeite ich ohnehin zu Hause. Positive Effekte sind auch bei den Videokonferenzen und Streamings zu bemerken, weil diese nun als Nebeneffekt jene Menschen inkludieren, die auch vor der Pandemie nicht hinaus konnten. Allerdings sind sicherlich viele Leute schon „kastlmüde“ und wollen wieder Kunst und Menschen in ihrer Nähe in 3D, mit Bewegung, Raumtiefe und dem Rhythmus, der sich aus allen interagierenden Elementen ergibt; mit Klang und originalen Hintergrundgeräuschen, mit Gerüchen in Räumen, mit Lichteinfall. Zu jeder Zeit sehe ich es als Aufgabe jeglicher Kunst, sich selbst treu zu bleiben, die vorhandenen Möglichkeiten zu nutzen, den KünstlerInnen wie RezipientInnen beiseitezustehen und gegen die Nonchalance, gegen den Einheitsbrei zu kämpfen, zu unterhalten, zu verbinden, zum Denken anzuregen, zum Fühlen einzuladen und Grenzen zu überschreiten. Wichtig finde ich dabei, die Grenzen und Gefühle anderer Menschen trotzdem nicht aus den Augen zu verlieren.

Was liest Du derzeit?

Derzeit lese ich „Begegnungen zwischen den Worten“ von Silvia Springer und „The Visual Story“ von Bruce Block. Das erstgenannte Buch besteht aus verschriftlichen, wohlgeformten Gedanken und schon die Einleitung schlägt vor, die Texte für sich zu entdecken, mitzunehmen, was man brauchen kann und sein zu lassen, was einen gerade nicht anspricht. Das zweite Buch beschäftigt sich mit den Erzählelementen von (bewegten) Bildern, was zwar nach langweiliger Theorie riechen könnte, aber das Buch ist sehr anschaulich und deutlich konzipiert.

Schließlich lese ich aber zum x – ten Mal mein eigenes Buch, da ich es in vielen einzelnen Schritten bearbeiten muss, wobei meine Konzentration einmal auf inhaltlichen, dann wieder auf metrischen oder orthographischen Details liegen muss. Besonders spannend ist aber das, was ich derzeit mache: das Layout. Mein Buch „Ein Kamel geht spazier’n“ erscheint im Juni in 2 Bänden in einer Auflage von 42 Stück, beinhaltet 464 Reime auf 111 Seiten und – jetzt kommt’s – ist in Blindenschrift und Schwarzschrift ausgeführt, was für das Layoutieren eine Herausforderung ist. Braillezeichen verbrauchen immer gleich viel Platz, egal ob es sich um ein „i“ oder ein „sch“ handelt, durchschnittlich ist ein Text in Braille am Ende dreimal länger als in Schwarzschrift.

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Es gibt viele schöne Zitate, aber dieses gefällt mir menschlich besonders gut:

Im Zweifelsfall soll man immer das Bessere machen. (Geistlicher Ausspruch)

Vielen Dank für das Interview liebe Claudia, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Kunstprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!

5 Fragen an KünstlerInnen:

crackthefiresister _Autorin, Texterin, Malerin, Performerin, Musikerin.

crackthefiresister|Wien|Gesang|Bilder|Performance|Lesung|Interview|Unterricht

Foto 1_Markus Wetzlmayr _ 2_crackthefiresister

18.4.2021_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com

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