„Ingeborg Bachmann geht es nicht um Perfektion sondern um das Leben“ Patricia Trageser_ Schauspielerin_ Station bei Bachmann_Wien 16.4.2021

Patricia Trageser, Schauspielerin

Ingeborg Bachmann ist so vielseitig. Da ist Kraft wie Zerbrechlichkeit.

Im Schreiben ist ganz dieses Ankommen zu spüren. Reflexion, Mut und Direktheit. Dieses Bei-Sich-Sein, das Ängste nicht ausschließt, sondern an- und aufnimmt, vielleicht um diese zu verwandeln, in jedem Fall um diese auszusprechen für sich und andere, schonungslos.

Wenn Bachmann schreibt ist sie Zuhause. Da ist innerlich Haus und Grund. Auch Abgrund. Natürlich steckt da viel Persönliches drin und das macht verletzbar.

Auch auf der Bühne ist es so. In jeder Rolle steckt viel aus dem eigenen Leben und es ist ein Preisgeben davon. Das ist Überwindung, Angst und Befreiung.

Der Roman Malina ist da sehr exponiert. Das ist einzigartig. 

Rollen mit großer „Fallhöhe“ interessieren mich sehr. Das geht an das Innerste, greift über Konvention hinaus und führt weiter in der eigenen Persönlichkeit.

Bei Ingeborg Bachmann geht es nicht um Perfektion sondern um das Leben. In allen Schattierungen. Es geht um Dasein im Doppelsinn. Die Welt wahrzunehmen und mein Da-Sein – „Ich bin da!“. Das ist ein Wert und Weg.

Es ist viel zu lernen von Ingeborg Bachmann.

Das Feuer stellt ja bei Bachmann eine wesentliche Chiffre für Kunst und Leben dar. Und ist natürlich ganz unmittelbare Tragik. In meiner Kindheit hatte ich selbst große Angst vor Feuer, ich träumte davon und konnte kein Feuerzeug in die Hand nehmen.

Ich muss jetzt wieder stark daran denken. Dieses Brennen wie die Angst vor dem Feuer ist ja eine Metapher für Kunst. Der Wille, das Bemühen, die Herausforderung um die Flamme der Anerkennung und des Erfolges im Beruf Künstlerin und gleichzeitig die Angst, die Enttäuschung. Das liegt sehr nahe beieinander. Flamme und Asche.

Feuer hat eine große Kraft wie Macht. Da ist Spiel, Faszination und Zerstörung. Kunst, Liebe, Leben trägt all das in sich. Der Roman erzählt davon. Da ist alles kompromisslos.

Auch diese Lust zu Begegnung bei Bachmann kommt mir da in den Sinn. Gerade in einer Stadt wie Wien ist es ja wunderbar möglich sich zu treffen und auszutauschen. Bachmann lebte das und es ist hoffentlich bald wieder so gut möglich. Kunst lebt wesentlich davon. Begegnung ist natürlich auch Netzwerk, das trägt. Gerade in diesen Tagen.

Begegnung ist ebenso ein Entdecken der eigenen Persönlichkeit. Ein ganz wichtiges. Das fehlt ja jetzt großteils in der unmittelbaren Form. Wir müssen uns da wieder finden und wohl neu entdecken.

Im Roman Malina geht es um Kopf und Herz. Um den Zwiespalt dabei, den Widerstreit. Das kennen wir alle. Aber wer traut sich das so schonungslos auszusprechen?

Leben heißt riskieren. Auch den Schmerz.

Frau kann ihre Konflikte selbständig lösen, dazu braucht es keinen Mann.

Frau ist so viel – aber nicht das Schneewittchen, das auf den Prinzen wartet.

Heute muss alles sehr schnell gehen. Auch das Kennenlernen. Das ist der falsche Weg.

Es fehlt oft das Interesse für das Gegenüber in einer Beziehung. Der echte Kontakt. Da ist viel Oberfläche aber keine Tiefe.

Sympathie auf den ersten Blick gibt es, nicht Liebe.

Liebe ist Arbeit.

Nur die ersten 4/5 Monate ist honeymoon.

Unsere Gesellschaft ist gekennzeichnet von Erwartung und Überforderung. Das ist auch in der Liebe so.

Eine Stadt, ein Ort trägt Liebe. Im Entflammen, Erleben, Zelebrieren wie dem Erlöschen.

Jede Stadt trägt die Flamme und die Asche der Liebe. Das prägt, lässt nicht los. Bleibt unvergessen. Der Roman erzählt davon.

Ingeborg Bachmann _ Foto _Heinz Bachmann

Männer suchen nach Rechtfertigungen, Frauen stellen Fragen. Frauen sind im Selbstreflexionsprozess weiter. Männer haben da noch einen Weg vor sich.

Diversität in der Kunst sollte mehr strukturell angesprochen und thematisiert werden. Es gibt viel zu tun.

Ingeborg Bachmann war mir bisher über Fotos und Berichte bekannt. In der Erarbeitung dieses Projektes zum Romanjubiläum ist sie mir aber sehr schnell nahegekommen. Da ist eine starke Verbindung fühlbar geworden. Diese Entdeckungsreise ist sehr interessant.

Ingeborg Bachmann ist Vorbild und Inspiration. Es geht darum aufmerksam und neugierig sein. Nach Außen wie nach Innen. Zurückzuschauen wie ich was ich geworden bin und immer weiterzugehen in Leben und Kunst.

Patricia Trageser, Schauspielerin

50 Jahre Malina _ Roman _ Ingeborg Bachmann _ im Gespräch:

Patricia Elisabeth Trageser, Schauspielerin _Wien.

„Das Theater und die Kunst haben nun die Möglichkeit ganz neue Wege zu gehen“ Patricia Elisabeth Trageser_Schauspielerin, Wien 16.12.2020 | Literatur outdoors – Worte sind Wege

Station bei Ingeborg Bachmann- alle Fotos/Interview_Walter Pobaschnig _ Hotel Kempinski_Wien_15.1..2021

Walter Pobaschnig _ 4_2021

https://literaturoutdoors.com

Ein Gedanke zu „„Ingeborg Bachmann geht es nicht um Perfektion sondern um das Leben“ Patricia Trageser_ Schauspielerin_ Station bei Bachmann_Wien 16.4.2021

  1. Dem Eingangszitat möchte ich widersprechen. Wenn man Ingeborg Bachmanns Schreibprozess betrachtet, auch Zeugen ihres Schreibens oder eigene Aussagen hört, sieht man, dass es ihr durchaus auf Perfektion ankommt. Sie war kaum je zufrieden mit ihrem Schreiben, sie schrieb um, strich, schrieb neu, redigierte wieder, kam kaum zu einem Ende. In der Zeit mit Werner Henze kam diese Akribie zum Tragen und führte oft zu Streit, da Henze ein Schnell- und Vielproduzierer war, er dasselbe von Bachmann forderte, was sie aber nicht liefern konnte und wollte. Sie musste an den Texten feilen, bis diese zumindest im Ansatz perfekt waren. Ich glaube, so ganz hat es ihr nie genügt. Vielleicht, weil sie auch mit sich selber immer im Zweifel lag.

    Aber ein tolles Interview – ich mag diese Bachmannreihe natürlich sehr.

    Herzliche Grüsse
    Sandra

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