Liebe Johanna, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Mein Tagesablauf sieht aus wie immer, nur noch ruhiger, weil alle Veranstaltungen abgesagt wurden. Ich arbeite an Gedichten und Bildern im Atelier, erledige Alltagsdinge und gehe in den Pausen am liebsten am Rheinufer spazieren.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Für andere mag ich nicht sprechen. Für mich ist es wichtig, mich trotz der Pandemie mit anderen verbunden zu fühlen. Das geht am besten über meine Arbeit. Ich tausche mich online übers Schreiben und Malen aus, aber auch über Alltagsprobleme und Ängste.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Wir werden nicht so weitermachen können wie bisher. Corona hat nicht nur gesundheitliche Missstände bewusster gemacht, wir befinden uns in einem gesellschaftlichen Umbruch, dessen Ende im Augenblick noch nicht sichtbar ist für mich. Dies zu reflektieren und gesamtgesellschaftliche Schlüsse daraus zu ziehen, wird eine wichtige Rolle spielen.
Die Rolle der Kunst und Literatur wird sich wohl nicht ändern. Kunst und Literatur werden nach wie vor als herzstärkende Mittel wirken können, auch als erkenntniserweiternde. In Kunst und Literatur können wir uns spiegeln und uns dadurch selbst näherkommen. Besser verstehen. Vielleicht wird diese Rolle durch die Pandemie intensiver wahrgenommen werden. Das würde mich freuen.
Was liest Du derzeit?
Ich lese vor allem Gedichte von Marion Poschmann, Nadja Küchenmeister, Jürgen Brôcan und Aleš Šteger.
Außerdem die großartige autobiografische Zeitreise von Annie Ernaux: Die Jahre
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Ich stützte mich auf die Schönheit der Welt
und hielt den Geruch der Jahreszeiten in meinen Händen“
aus: Annie Ernaux, Die Jahre
Vielen Dank für das Interview liebe Johanna, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen vielfältigen Literatur- und Kunstprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an KünstlerInnen:
Johanna Hansen_Schriftstellerin, Künstlerin
Foto_Elena Hill
29.7.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.