Lieber Istvàn, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Man wird früh wach, gegen zwei-drei, dann Kaffee trinken, dann an den einigermaßen aufgeräumten Tisch tapern, hinsetzen, sich schön carpe diem sagen… ja und dann: zu Hause bleiben, weitersitzen=arbeiten. Anschließend dann schlafen tapern. Aber das geht momentan nicht, es ist gerade Gründerzeit in Budapest, ein neuer Schriftstellerverband wurde gebildet, es gibt viel Branchengezeter – also es gibt viel zu tun.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Erstens für uns: Gelassen bleiben in der momentan aggressiven Stimmung, bedacht reden um nicht angreifbare Antworten, sachliche Erklärungen für diese Zeit formulieren zu können. Ich empfinde diese reibenden Tage (es ist seltsam für mich selbst) als eine moralische Weiterentwicklung, eine gute Zeit also. Zweitens für mich persönlich: meine Schulkasse. Ich bin Lehrer, und gerade jetzt legen meine Schüler ihre große Abschlussprüfung ab; sie sollten diese hübsch (ohne zu spicken) schaffen…
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Ich kann nur mit dieser Konstante von Barthes antworten: „… nirgends gibt und gab es jemals ein Volk ohne Erzählung; alle Klassen, alle menschlichen Gruppen besitzen ihre Erzählungen …“
Was liest Du derzeit?
Zwei Bücher simultan. Omka von Barbara Aschenwald und das Handbuch Materielle Kultur.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
«Am Tresen im Bistro. Drehe mich um und sehe mich in der Spiegelwand in Mantel und Hut. Ich stehe da wie ein Wackelkontakt, sagt mir mein Spiegelbild. Aber ich wackle nicht. Wie komme ich auf das Bild? Was wackelt?« /Paul Nizon
Vielen Dank für das Interview lieber Istvàn, viel Freude und Erfolg für Deine Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an KünstlerInnen:
Istvàn Kalàsz, Schriftsteller
30.5.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.
Foto_Istvàn Kalàsz