
Schon mit zwei Jahren wollte ich auf der Bühne stehen. Meine Mutter musste immer den großen Koffer bringen und ich stellte mich drauf und spielte. Das war meine erste Bühne.

Nach der Matura habe ich Biologie studiert und wurde nach dem Bachelor eingeladen auf der Uni Wien mitzuarbeiten. Es gab für mich auch ein Angebot für ein Stipendium zum Masterstudium einer Universität aus den USA. Ein Professor hat mich dazu eingeladen. Der Weg in die Wissenschaft war auch lange ein für mich interessanter. Ich habe aber zu diesem Zeitpunkt schon gewusst, dass mein Weg ein anderer sein sollte. So lehnte ich die Angebote der Universitäten dankend ab und ging nach Spanien, um eine Schauspielausbildung zu machen. Ich habe damals konsequent angefangen, dies zu machen was ich immer machen wollte. Was ich schon mit zwei Jahren wusste. So ist es bis zum heutigen Tag.
Manchmal gibt es eine Wehmut, dass ich nicht schon früher in Richtung der Kunst gegangen bin. Aber ich misse auch die Jahre des Studiums nicht, weil ich da sehr viel lernen und erfahren durfte.

Ingeborg Bachmanns Texte sind mir erstmals in der Schule begegnet. Es ist ein großer Name der österreichischen Literatur. Immer wieder hörte und höre ich von ihr. Ich habe großen Respekt vor ihr als Autorin. Ihre Themen finde ich sehr wichtig.
Das „Verschwinden“, das ich hier im Lebensraum Ingeborg Bachmanns in Wien darstelle, hat eine starke Symbolik aber auch immer wieder neue ganz reale aktuelle Bezüge, wenn es darum geht in einer Gesellschaft gesehen, gehört, wahrgenommen zu werden. Bachmann schreibt davon – von der Angst und Unsicherheit aber auch von Mut und Vision.
Szenische Darstellung „Verschwinden“ – Stadtpark Wien.


Ein Ort kann inspirierend sein aber dieser ist eigentlich nur eine Art Kulisse für Menschen, Begegnungen, Handlungen – also das was um Orte herum passiert, das ist mir sehr wichtig.

Ein schöner Ort gewinnt seine Bedeutung, seine schöne Form durch Menschen und Ihre Wege, ihre Träume, Ideen. Ein Ort kann aber auch sehr angstvoll besetzt sein – durch Erfahrungen, Ereignisse.


Es ist eine Wehmut in den Texten Bachmanns zu spüren und ich verstehe woher das kommt. Es ist ein wichtiger Generationenweg, den Bachmann da gegangen ist.

In der Kunst ist es mir sehr wichtig innere Prozesse darzustellen, in abstrakter Form zu erzählen. Ich schätze sehr das Groteske, also das was wir nicht gerne zeigen, nicht gerne fühlen, verdrängen – dies sichtbar zu machen, ist sehr spannend und ganz wichtig. Um auch dahinzukommen, dass wir an unseren Schatten, Dämonen arbeiten, diese öffnen und damit diese vielleicht auch verschwinden zu lassen. Das ist ja auch der Weg des Schreibens bei Ingeborg Bachmann.

Clownerie schätzte ich sehr. Die Absurdität des Seins, das absurde Spiel, welches ja eine große Offenheit erfordert. Auf der Bühne und im Publikum. Das ist mir sehr wichtig, diese verletzlichen, zerbrechlichen Seiten des Menschseins zu zeigen. Gerade in einer Gesellschaft, die dies verdrängt.

Theater ist ein Spiel aus dem Herzen ohne zu verurteilen. Zu beurteilen. Das ist eine große Schönheit und Stärke.

Der Überlebenswille im Kampf zwischen den Welten – davon spricht der Roman Malina. Es sind Fragen, die da geöffnet werden: Wie kann ich trotz allem einen Weg der Existenz finden? Wie findet der Mensch, ein Mensch seinen Lebensraum und behauptet diesen? Wo ist die Nische für mich, wie die einer Blume, die in der Stadt aus dem Asphalt ihren Weg zum Licht sucht und findet?

Realität und Surrealität im Roman Malina von Bachmann erinnert mich auch an die japanische Butoh Kunstform. Gerade auch der Blick in die Seele im Ineinander von Raum, Zeit und Existenz.

Butoh habe ich in Spanien kennengelernt. Es ist eine sehr transformatorische japanische Kunstform. Es geht dabei etwa im tänzerischen Ausdruck um die pure Existenz, um Leben und Tod. Um Achtsamkeit und Wahrnehmung, um Schönheit und Dunkelheit der Seele und der Zeit. Das Unbewusste ist dabei ganz wichtig. Auch in Wien gibt es ein sehr engagiertes Butoh Theater. Ein wichtiger künstlerischer Weg für mich.
Gefühle sind immer universell und zugänglich.

Die Themen Bachmanns, etwa Geschlechterrollen und Macht sind immer noch brisante, wichtige Themen. Etwa der Sexismus.

Ich wünsche mir mehr Wertschätzung für die Kunst in unmittelbarer Anerkennung und Ermöglichung. Kunst wird gerne gesehen aber es ist dann oft kein Geld dafür da. Kunst, das ist viel Arbeit und viel Energie, die KünstlerInnen aufbringen. Das ist auch wichtige Seelenarbeit für eine Gesellschaft.

Kunst ist Seelennahrung jeder Gesellschaft.

Miriam Strasser in der szenischen Rolle der „Eiskönigin“ und dem „Verschwinden in der Wand“ _ im Roman Malina, Ingeborg Bachmann.
Vielen Dank liebe Miriam für Dein großartiges Bemühen in der Vorbereitung in Kostüm, Requisite wie Textzugängen und das beeindruckende Umsetzen der Romanszenerie und das interessante Gespräch!
Station bei Bachmann _ Roman Malina _ Miriam Strasser, Schauspielerin _ Wien_Romanschauplatz 11.2.2020
Herzlichen Dank an den Eislaufverein Wien für die freundliche Kooperation!
Idee, Regie, Interview und alle Fotos _ Walter Pobaschnig 2_20