Ich liebe die Atmosphäre von Orten. Das gestaltete Leben in Geschichte und Gegenwart, die Architektur und die Bewegungen des Lebens darin, herum. Es ist eine Ansprache, die mich fasziniert.
Grundsätzlich bin ich eher ein Stadtmensch. Städte bedeuten mir sehr viel. Ich brauche Menschen und das Überraschende. Die Dynamik und das Entdecken im um die Ecke biegen, sehen.
Ich bin 2009 nach Wien gekommen. Dieser neue Lebensraum war nicht Liebe auf den ersten Blick. Aber es ist in den Jahren für mich eine faszinierende Stadt in Stil, Geschichte und Moderne und eine tiefe, starke Liebe geworden.
Als Schauspielerin in einer neuen Stadt gibt es Träume und Erwartungen. Natürlich auch die Realitäten. Ich kann mich durchaus einfühlen in das Ankommen von Ingeborg Bachmann in Wien. Ihr Weg und Wille sich künstlerisch auszudrücken, auch unter schwierigen Voraussetzungen, das ist auch mein Wunsch, mein Anspruch.
Als ich nach Wien kam, habe ich meine Master Ausbildung in Zahnmedizin abgeschlossen und wurde auch eingeladen an der Universitätsklinik Wien tätig zu sein. Dann kam meine Tochter auf die Welt. Und als ich in Griechenland dann in einem Theater saß, dachte ich über meine Ziele, mein Leben nach und wusste – ich will auf die Bühne. Das tat ich dann auch und bin bis heute glücklich mit diesem Weg.
Ein griechisch-österreichisches Theaterensemble ermöglichte mir dann den Weg auf die Bühne in Wien. Ich bin jetzt seit vielen Jahren Ensemblemitglied.
Ich habe die Bühnenreifeprüfung in Wien absolviert. Das war natürlich eine große Freude und Motivation. Jetzt bin ich eine diplomierte Schauspielerin und gespannt auf die kommenden Möglichkeiten und Herausforderungen.
Aktuell probe ich für das Stück „Die strahlende Blume“ im Theater Arche, Wien. Es ist ein mythologischer Stoff. Es geht auch um Verliebtsein, das erste Verliebtsein. Das ist ganz wunderbar.
Ich spiele hier in Wien in verschiedenen Sprachen – Deutsch, Englisch, Griechisch. Ich liebe das.
Musik war mir schon in der Kindheit wichtig. Da habe ich mit der Bürste in der Hand gesungen. Allerdings war ich da noch etwas schüchtern und habe das Rampenlicht einer Bühne gemieden. Später änderte sich das und ich war als Sängerin teil einer Band. Elektronische Popmusik – diese Live Gigs waren eine interessante Erfahrung.
Besonders auch der Tanz ist eine große Leidenschaft von mir.
Mein Weg zum Theater war verschlungen. Ich bin ausgebildete Zahnmedizinerin. Gemeinsam mit einer Freundin entschieden wir uns dann für eine Schauspielausbildung. Das hat auch meine Persönlichkeit sehr bereichert. Ich habe dann immer wieder in einem Ensemble gespielt. Mein Beruf war aber Zahnärztin. Ich war eine theaterspielende Zahnärztin. Das war super. Einerseits Geld und anderseits Bewunderung und Applaus.
Ich habe mich schon in meinem Beruf als Zahnärztin sehr für die Menschen, die zu mir kamen, interessiert. Meine PatientInnen schätzten diese Aufmerksamkeit. Da ist auch viel Psychologie in diesem Beruf und natürlich auch eine Präsenz, die an Theater und Bühne erinnert.
Mein Beruf als Schauspielerin ist für mich auch ein persönlicher Rollenwechsel. Ich musste da erst neu zu mir selbst finden. Mich mit inneren Fragen, Konflikten auseinandersetzen und mich einer offenen Wahrnehmung stellen.
Es ist als Schauspielerin in Wien nicht einfach. Die Möglichkeiten sind nicht so groß. Aber ich liebe diesen Beruf und mache es mit Leidenschaft.
In der Wissenschaft braucht es Beweise. Theater, Kunst kommt vom Herzen. Es geht um das Spüren und den Ausdruck. Um Emotionen.
Momentan ist es eine schwierige Phase für das Theater was Produktionsprojekte und Rollenangebote betrifft. Das ist weltweit so. Interessanterweise blüht in Griechenland das Theater derzeit. Es ist für Menschen in Krisensituationen sehr wichtig. Es gibt tolle Produktionen in Athen und vielen Städten.
Kunst findet und öffnet in Krisen Chancen. Das ist ganz wesentlich für jede Gesellschaft.
Die Europäische Union ist ganz wichtig. Für die Idee vom Menschen an sich, für die Werte, die wir haben. Etwa Solidarität. Leider sehe ich das derzeit nicht.
Menschen können sich nicht selbst lieben. Damit beginnen das Leiden und auch der Hass in einer Gesellschaft. Der Weg, die Sicht zu anderen Menschen sind versperrt.
Kunst ist ein Spiegel der Gesellschaft in ihrer Schönheit und den Dunkelheiten.
Für mich ist das Leben eine Reise. Darin liegt der Sinn. Erfahrung und Entwicklung. Nicht Stehenzubleiben.
Im Moment zu sein. Das ist im Theater wie im Leben sehr wichtig. Da-Zu-Sein, erleben. Die Folge von Momenten annehmen, annehmen können.
Der Mensch sucht den Ausdruck. Kunst beginnt da. Auf allen Lebens- und Gesellschaftsebenen.
Es gibt als Frau in der Gesellschaft den Druck schön zu sein. Es gibt ganz viele unterschiedliche Vorgaben. Du bist zu groß, zu dick, zu sexy, zu fad. Ich sage – wurscht. Es hat wurscht zu sein.
Ich bin eine glückliche Frau.
Als Frau müssen wir immer an alle Frauen in der Welt denken. Es hat sich vieles verbessert aber es ist ein Kampf und wir müssen weitermachen. Wir haben viel erreicht aber es ist nicht alles.
In der Kunst lernst Du ständig. Du bist nie ohne ein Buch. Und es hört nie auf. Du lernst und lernst und lernst. Das ist toll.
Orte sind mir wichtig. Das Sommerhaus der Kindheit am Meer in Griechenland hat eine ganz besondere Bedeutung. Ich bin auch in Gedanken oft dort. Es ist ein großes Gefühl von Geborgenheit. Damals wie heute.
Das Meer, die Sonne, der leichte Wind – da ist so viel Ruhe. Auch in meiner Arbeit als Schauspielerin ist dieser Ort in Entspannung oft bei mir. Es ist Schönheit, die Raum gibt und Räume öffnet. Ganz real und im Kopf. Ich reise immer wieder in der Phantasie dorthin.
Ingeborg Bachmann war eine mutige Feministin. Im Schreiben wie im Lebensstil.
Ingeborg Bachmann, damit verbinde ich auch wesentlich Selbstbewusstsein. Weitermachen gegenüber und in Schwierigkeiten.
Da war auch viel Schmerz im Leben dieser beeindruckenden Schriftstellerin. Sie versuchte damit umzugehen. Stellte sich diesem Schmerz mit allem was ihr möglich war. Die Kunst hat da auch eine Kraft der Verwandlung.
Das Theater ist im Prozess der Veränderung. Es kommt etwas Neues, es ist zu spüren. Es bewegt sich sehr viel in den Möglichkeiten von Theater, Film, Video, Fernsehen und ich bin sehr neugierig was kommt.
Die Herausforderungen moderner Kommunikation und Unterhaltung für die Bühne können auch ein push, ein Anstoß für das Theater sein. Theater muss gewinnen. Immer.
Künstler sind Kinder im Körper von Erwachsenen. Eine Gesellschaft braucht diese Phantasie um sich Herausforderungen zu stellen und Neues entwickeln zu können.
Das künstlerische Reisen im Theater, der Kunst zu Epochen und Menschen ist faszinierend. Es ist ein Traum, diese Möglichkeit zu bekommen.
Für mich ist die Sprache ein ganz wesentlicher Zugang zu einem Bühnenstück. Das eigene Anderssein trifft sich mit dem der Sprache. Sprache ist ein Zauber.
Die deutsche Sprache ist eine große Inspiration. Sie lehrt auch Genauigkeit, eine gewisse Langsamkeit. Ich spreche selbst Griechisch, Deutsch, Englisch und Französisch, Slowakisch.
Ohne Kunst wäre das Leben so fad.
Vielen Dank liebe Ino Matsou für das Interview und Dein wunderbares szenisches Spiel bei Ingeborg Bachmann – viel Freude und Erfolg für alle Projekte und Träume!
Station bei Bachmann _ Ino Matsou, Schauspielerin, 6.3.2020, Wien.
Interview, szenische Regie und alle Fotos_Walter Pobaschnig _ 6.3.2020.
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