Überall Worte, Zeichen und Bilder am kalten Beton. Gemalt, geritzt, gesprayt. Hinter dem Vorhang die Umrisse von Charlotte, Ted und Danny. Seit den Jugendtagen sind gute 10 Jahre vergangen. Für Danny ging alles viel zu schnell. Für Ted waren es zehn lange Jahre. Charlotte will raus, aus allem hier. Über eine Wahrheit, einen festen Grund für Leben und Liebe können sie nicht erzählen. Da sind sie sich einig. Nur der Tod des Freundes am Ende der Jugend ist so ein Fixpunkt, um den sich auch jetzt alles dreht…
Der Blick zurück im Spiegel. Dem der Rahmen in der Gegenwart fehlt. Wie die Richtungen, die sich im Kopf voller Fragen drehen wie ein Karussell. Aber jetzt eine Party. Und im Zusammenkommen gibt es viel von Zukunftsplänen zu erzählen. Aber hatten wir das nicht schon mal? Was bewegt sich hier wirklich? Wird Charlotte in den Flieger nach Laos steigen? Ein neues Leben beginnen und nicht mehr ins Klassenzimmer zurückkehren? Alles dreht sich jetzt mit der Musik. Doch wo werden sie am Morgen sein?…
Vor ausverkauftem Haus im Theater Werk X Petersplatz, 1010 Wien trifft das Morosis Kollektiv mit seiner Inszenierung des Stückes „Wasted“ (Uraufführung 2011 Birmingham) der preisgekrönten britischen Autorin und Sängern Kate Tempest in das Herz der Lebensfragen der Gegenwart. Die Bühne wird zum beeindruckenden Schauplatz des Dramas einer Generation, die ständig im Aufbruch ist, sein muss, ohne anzukommen. Dieser Lebensprozess kostet Kraft und lässt Frustration und Niedergeschlagenheit im ständigen Dialog und Kampf mit Idee und Hoffnung sein. Die Gespräche unter Freunden werden dabei zu gutgelaunten zukunftsorientierten Präsentationsflächen, die im Alleinsein aber im Boden verschwinden lassen. Lebensträume reduzieren sich auf die Faktizität ihres Scheiterns. Immer weniger bleibt davon und das Arrangement mit den Möglichkeiten in Beruf wie Liebe ersetzt das Ideal. Der Aufbruch bleibt immer mehr ein rückwärtsgewandeter. Ein gespielter. Es geht weiter. Mit uns. Aber was bleibt von uns wirklich am Weg?
Die existentielle Mitte der dramatischen Aussage von Wasted wird vom Theaterkollektiv in variantenreichem Spiel ausgezeichnet umgesetzt. Es ist ein sehr körperliches Theater, das den Text unmittelbar in ganzheitlicher Ansprache zu setzen weiß. Die Szene etwa des körperlich ineinander Knotens, Festhaltens und Weiterbewegens als Generationen-Sinnbild von Hoffnung und Angst ist ein grandioses Highlight der Ausdruckskraft modernen Theaters. Morosis stellt sich auch der Herausforderung von Musik und Wort und beherrscht diesen Tempowechsel souverän. Die Akzente der Musiksequenzen wie der gelungene Kostümwechsel tragen die Aussage und heben das Spiel zu Sinnbildern, in denen das Publikum sich über Generationen hinweg wiederfinden kann. Das Stück greift in seiner Ansprache in Spiel und Bühnenbild sehr gut und vermag anzusprechen und zu begeistern.
Ein Theaterabend, der ein fulminanter Spiegel der Zeit ist.
Walter Pobaschnig 10_19
Alle Fotos_Walter Pobaschnig
WASTED von Kate Tempest
Deutsch von Judith Holofernes
Inszenierung: MOROSIS Kollektiv
– Mit: Anna-Sophie Fritz, Nikolaij Janocha, Onur Çağdaş Şahan
– Bühne: Simon Schabert
– Kostüm: Brigitte Schima
– Musik: YOUCANCALLMEOLIVER
– Dramaturgie: Laura Zielinski
– Regie: Magdalena Suss
Weitere Spieltermine:
So 06.10., Mi 09.10., Do 10.10., Fr 11.10.,
Sa 12.10., So 13.10.2019,
jeweils: 20.00 Uhr
Ort: WERK X-Petersplatz, 1010 Wien