„Die Ahnenpyramide“ und „Das letzte Jahr“ Ilse Tielsch. Romane. Neuerscheinungen Atelier Verlag
Die Ahnenpyramide
Es ist der Lebensbeginn und der ist für die junge Anni ein Abenteuer voll von Geschichten und Geheimnissen. Die Phantasie wird zum Kompass einer Welt, die es zu entdecken gilt und die jeden Tag neue Überraschungen und Erfahrungen öffnen. Die zwei Sprachen ihrer Kindheit werden zum spannenden vertrauten Ausdrucksmittel, das so viele Möglichkeiten der Beschreibung bietet und auch den eigenen Namen in viele Variationen hebt. Wie die Reime, die zum geliebten Spiel in der Gruppe werden und Anni noch so lange in Erinnerung bleiben werden…
Doch eines Tages wird Anni vom Vater zum großen Tisch aus Nussholz in das Speisezimmer gebeten und ihr Blick fällt auf Namen in Kästchen, die eine Pyramide bilden. Der Vater erklärt ihr, dass dies die Ahnenfolge der Familie sei. Anni fühlt nun die Schwere der Vergangenheit, die an ihr zieht und welche die Elfenleichtigkeit der Kindheit schwinden lässt. Das Gewicht der Welt wird nun erstmals für sie sichtbar und ihr Heranwachsen wird nun zur Wahrnehmung und Auseinandersetzung mit dem Lebensrahmen in Familie, Ort und Zeit. Biographische Schwere und persönliche Lebensneugier haben sich nun die Waage zu halten in den folgenden Geschehnissen und Jahren in Krieg, Leiden und dem steten Neubeginn in Leben und Gesellschaft. Dem Weiterwachsen der Ahnenpyramide zwischen Himmel und Erde aus Abgrund und Dunkel…
Die österreichische Autorin und Germanistin, Ilse Tielsch (geboren in Auspitz/Hustopece), legt mit ihrem Generationenroman „Die Ahnenpyramide“ eine beeindruckende Familiengeschichte im konkreten historischen Ausgangspunkt und Kontext wie ebenso eine beispielhafte erzählerische Gesamtschau eines Jahrhunderts vor. In direkter persönlicher Perspektive und beobachtender, fast fotografischer, Sprachform lässt die Autorin gleichsam in einer Lebensgeschichte eine Dokumentation (österreichische Monarchie/Fluchterfahrung/Neubeginn) entstehen, die literarisch an die großen Zeitgeschichte Reportagen Österreich I, II von Hugo Portisch/Sepp Riff erinnert. Es ist ein ganz außergewöhnlicher Kunstgriff, der Ilse Tielsch mit Ersterscheinen des Romans 1980 (Neuauflage 2019) gelingt und der die österreichische Seele in Sturz, Abgrund und Neubeginn eindringlich nachzeichnet.
„Ein Roman, der die tragische Seele einer Nation wie des Kontinentes in mitreißender Erzählung schonungslos offenlegt und damit erschüttert wie auch in der Gegenwart mahnt“
Das letzte Jahr
Für Elfi ist es das Fahrrad, das die Welt in Bewegung erschließt. Und das kommt ihren Gedanken gleich, die ständig in Bewegung sind und die im Lesen ihren guten Ort finden. Das junge Mädchen lernt im Fahrtwind und den Stationen Menschen und Ort gut kennen und überlegt, welche Berufe es wohl für sie geben könnte. Ziele und noch mehr Träume bestimmen Fahrrad-, Schul- und Spazierwege. Doch auch die große Geschichte holt das kleine mährische Dorf in seiner Vielschichtigkeit, Gemeinsamkeit und Lebensfreude ein. Das Jahr 1938 wird zu einer Zäsur und jetzt werden die Fahrradwege auch zur Beobachtung von ideologischen Gräben zwischen Menschen, die schließlich zu Gräbern werden sollten. Doch Elfi geht ihren Weg der Jugend und den Traum eines Lebens, das bis zum Himmel reichen will, weiter in Beobachtung, Freude und Mitgefühl…
„Ilse Tielsch kann einfach großartig erzählen und zudem individuellen Lebenslauf und dramatisches Zeitgeschehen einmalig verbinden. Ein Buch als historisches wie psychoanalytisches Ereignis.“
Walter Pobaschnig, Wien 3_2019