„Ein sensationeller, mitreißender Theaterabend!“ Das Wechselbälgchen.Christine Lavant. Hof-Theater/Höf-Präbach _ Off Theater Wien 10.4.2024

Das ist das Stroh auf dem nackten Boden. Und darauf das nackte Leben in kratzende Jute gehüllt. Arbeit, Armut, Einsamkeit. Ein tagtäglicher Kreislauf, dem das werdende Leben am bäuerlichen Grund in aller Unerbittlichkeit folgt, folgen muss. Zwischen Recht und Ordnung.

Da ist Gesetz und Tradition. Angst und Aberglaube. Und die Angst, die Ausweglosigkeit gebiert Schatten, die alles an sich ziehen und in Dunkelheit verschwinden lassen…

Wrga, die einäugige Magd am Hof, hat ein uneheliches krankes Kind, das vom Pfarrer den brandmarkenden Namen Zitha erhielt. Die Liebe zu diesem neuen Leben ist ein zart flackerndes Licht des Herzens und der Seele für Wrga, das sie mit aller verzweifelten Kraft festhalten will…denn die Schatten werden größer und größer…der Pfarrer, der Knecht Lenz sind nicht auf der Seite des schutzlosen Lebens, das als Wechselbälgchen, als vom Teufel getauschtes Leben, der Gewalt ausgeliefert ist…und so nimmt das Drama seinen Lauf in Leiden, Stummheit und Tod…

„Das Wechselbälgchen“, eine Erzählung der Kärntner Schriftstellerin Christine Lavant (1915 – 1973), deren Lyrik- wie Prosawerkzu den herausragendsten Stimmen österreichischer Literatur gehört, ist zweifellos ein zentrales Schlüsselelement ihres Schreiben zwischen sozialer Topographie bäuerlichen Milieus der Zeit wie traditionsbezogener Mythologie und dem kritischen scharfen wie anklagenden Blick auf das Leiden und deren sozialen Autoritätsstrukturen in ihrem Gehorsam und Akzeptanz fordernden Legitimationsordnungen und -anordnungen.

Christine Lavant _ Literaturarchiv Kärnten

Das Hof-Theater/Höf-Präbach nimmt sich nun in seiner aktuellen Produktion dieses zeitübergreifenden Themas sozialer Exklusion an und setzt es in einem mitreißend-fulminanten Abend in Szene, der das Publikum in langanhaltendem Applaus begeistert danken lässt!

Regie, Dramaturgie und Ensemble gelingen ein Kunststück, welches in wunderbarer Narration wie äußerst beeindruckender Rollenvariation und dialogischer Abstimmung in Wort und Bewegung das Publikum gleichsam mitnimmt in die Emotion und den Spannungsaufbau der bestens gewählten Szenenfolge. Die Erzählung Lavants bekommt hier ein mitreißendes Bühnenleben, in einem Feuerwerk großartiger Schauspiel-, Puppenspielkunst. Es ist allen Beteiligten – Kostüme, Puppe wie Bühnenbild – wurden vom Ensemble selbst beeindruckend hergestellt, herzlich zu gratulieren! Die Puppe „Wechselbälgchen“ ist in ihrer Form und Ausdruckskraft von Stefanie Elias sensationell konzipiert und wird von der so vielseitig begabten Wiener Schauspielerin grandios bespielt. Jula Zangger, welche die großartigen Jute-Kostüme hergestellt hat, die auch beste Spieltauglichkeit haben, wie die zentrale Maria-Statue in Gips (mit Tränen am Schluss) toll erschaffen hat, brilliert in Erzähl- wie Spielkraft und zeigt einmal mehr, dass sie zu den herausragendsten, vielseitigsten Bühnenpersönlichkeiten Österreichs gehört. Großartig ebenso Rainer Juratti, der im anspruchsvollen Rollenwechsel das Publikum und wohl auch Christine Lavant bestens beeindruckt und unterhält in Präsenz, Dynamik seines wunderbaren Schauspielkolorit. Sehr stark auch Benjamin Klug am großartig dezent akzentuierten Akkordeon wie Gruppenspiel. Regisseurin Ursula Leitner, zweifellos eines der größten Talente wie seit Jahren renommierte Größe österreichischer Bühnenwelt begeistert mit einer Inszenierung, die alle Register höchster Theaterkunst in Werkadaption, Spannungsaufbau, Ensemblespiel zieht und dabei wesentliche Maßstäbe im modernen literarischen Bühnentransfer setzt. Das ist Spitzenklasse wie Literatur hier in Anspruch, Aussage wie Spannung kraftvoll lebendig wird. Sophie Benedikte Stocker ist die kongeniale Dramaturgin, die ein Feuerwerk an Interaktion, Aktion wie Präsenz und Wirkung zu zünden vermag, das in allem voll aufgeht.

Herzliche Gratulation und vielen Dank für dieses großartige literarische Theatererlebnis!

Das Wechselbälgchen. Christine Lavant. Hof-Theater/Höf-Präbach _ Off Theater Wien 10.4.2024

Erzählung von Christine Lavant in einer Dramatisierung von Sophie Stocker. Regie: Ursula Leitner. Mit: Stefanie Elias, Rainer Juriatti, Jula Zangger, Benjamin Klug

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Weitere Spieltermine Off Theater Wien: Do 11.4. u. FR 12.4. 20h    

DAS OFF THEATER – Off-Theater

Regisseurin Ursula Leitner

Walter Pobaschnig  4/24   

Alle Fotos _ Walter Pobaschnig

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