
Interview zum Tod von Helena Adler _ Christian Gsöllradl-Samhaber_Künstlerischer Leiter – Literaturschiff
+ 5.1.2024 „Helena Adler“, Schriftstellerin, Salzburg (Stephanie Helena Prähauser *1983)

(Stephanie Helena Prähauser *1983)
Lieber Christian Gsöllradl-Samhaber, welche Erinnerungen hast Du an Helena Adler, Schriftstellerin (Stephanie Helena Prähauser + 5.1.2024 *1983) ?
Ich erinnere mich so liebend gerne an die Begegnung in Sierning (OÖ), als sie fantastischer weise unserer Literaturschiff-Einladung nachkam, es war am 29. März 2023 mit ihrem vielgefeierten Text „Fretten“. Das war auch der Tag, an dem ich sie persönlich zum ersten Mal überhaupt erleben durfte. Ihr Mann, der Thomas, begleitete sie und war auch gleich so zugewandt: das war sehr angenehm. Helena hatte so ein ausdrucksstarkes Lachen, das inspirierte, selbst wenn man in einer tieftraurigen Stimmung war. Zwei Tage später hab ich sie in Rauris getroffen, ich ab die bezaubernden Bilder noch im Kopf, wie sie mit ihrem Sohn und Mann die Lebensfreude mitten in den Rauriser Gassen zelebrierte. Das hat sich tief in meine Gedanken hineinmanifestiert.
Wann, wie begegnete Dir der erste Text von Ihr und welche Wirkung hatte dieser auf Dich?
Im September 2022 hat mich Harald Gschwandtner von Jung&Jung auf Helena Adler aufmerksam gemacht. „Fretten“ war der erste Text, den ich rezipierte. Der Text hat genau diesen rebellisch klugen Ton, den ich liebe und mehr noch, ich finde diesen Text immens gesellschaftsrelevant: Er evoziert das Emanzipatorische, den ehrlich-kritischen Blick auf das Landleben, und das auf eine wortgewaltige und sprachspielstarke Art und Weise, die mich fesselte.
Was zeichnete Ihr Schreiben für Dich aus?
Das Kunststück der Metaphorisierung – wie kein-e andere-r Schriftsteller-in hat Helena eben genau das beherrscht. Ihre Sprache war so bildstark, dass man sich zu jedem Satz ein eigenes, konkretes Bild hereinimaginieren konnte.
Wie hast Du Helena Adler als Kollegin erlebt?
Sehr offenherzig, lebenslustig und kommunikationsfreudig. Es hat sich soviel Freude zusammengebraut, wenn man die Möglichkeit hatte, sich mit ihr zu unterhalten. Ja, und die elektronischen Briefe über Gott und die Welt ließen so viele Emotionen mitschwingen…
Welches literarische Erbe hinterlässt Helena Adler und wie ist dies in der österreichischen Literatur einzuordnen?
Sie hat der Antiheimatliteratur ganz neues Leben eingehaucht, und das ist ganz allein ihr Erbe! Thomas Bernhard würde, wenn er heute ihre Texte lesen könnte, Freudensprünge machen. Helena Adler hat einen ganz eigenen Sound erfunden, der dieser Literatur diesen rebellischen Ton verleiht, den es vorher noch nicht gegeben hat.
Wie wird Dir Werk und Leben Helena Adlers in Erinnerung bleiben?
Mit dem Werk von Helena werde ich mich immer wieder auseinandersetzen. Vielleicht träume ich auch mal davon, wie sich ihr Werk weiter fortgesetzt hätte? Das Leben von Helena war einfach viel zu kurz. Unfassbar traurig, wie fatal sich das Leben wenden kann. Das Leben kann so ungerecht sein, das bestürzt mich schon sehr! Helena Adlers` Leben wird in meinen Gedanken immer wieder aufleuchten. Ihr Leben hat sich durch die einzigartigen Begegnungen mit ihr und durch die außergewöhnlichen Leseerfahrungen ihrer Bücher in meine Seele gebohrt. Und im Moment habe ich das Gefühl, dass ich die Angst vor meinem Tod etwas verloren habe, das habe ich, so vermute ich, der Stärke von Helena zu verdanken! Ich werde sie vermissen!
Herzlichen Dank für das Interview, lieber Christian!

Zur Person _ Christian Gsöllradl-Samhaber, Künstlerischer Leiter (Literaturschiff),
geboren am 07.12.1978 als Christian Samhaber in Wels (OÖ); ersten 6 Lebensjahre in Traun, dann aufgewachsen in Eferding (Volksschule, Hauptschule); Besuch HTL für chemische Betriebstechnik, anschl. Arbeit in Konzernen für Pharma etc. in Linz; dann Auslandsaufenthalte wie u.a. in Südamerika und Deutschland (Tübingen) und viel auf Reisen. Gründung von Childrenplanet – Entwicklungszusammenarbeit; anschl. Studium cultural studies mit Schwerpunkt Sprachen und Kernfach Vergleichende Literaturwissenschaft in Linz JKU – Fernuni Hagen; immer Benefiz-Veranstaltungen (Benefiz-Lesungen&Buch-Gespräche, Konzerte etc.) für Vereine mit sozialen und soziokulturellen Anliegen organisiert;
2020 Gründung des Literaturschiffs (www.literaturschiff.at);
verheiratet und 2 Kinder: Marie Sophie (8) und David (6).

(Stephanie Helena Prähauser *1983)
Geboren 1983 in Oberndorf bei Salzburg in einem Opel Kadett.
Lebte als Autorin und Künstlerin in der Nähe von Salzburg.
Studium der Malerei am Mozarteum sowie Psychologie und Philosophie an der Universität Salzburg.
Auszeichnungen:
2022 Shortlist Österreichischer Buchpreis
2020 Longlist Deutscher Buchpreis
2020 Shortlist Österreichischer Buchpreis
2020 Projektstipendium Literatur BKA
2018 Jahresstipendium Literatur, Salzburg
https://jungundjung.at/verfasser/adler-helena/ 6.1.2024
Bücher:
https://literaturoutdoors.com/2022/09/12/fretten-helena-adler-jung-und-jung-verlag/
Interview:
Fotos Helena Adler_Eva Trifft/Jung und Jung
Foto_ Portrait Christian Gsöllradl-Samhaber _ privat
Walter Pobaschnig 23.1.2024