
Erinnerungen an Helena Adler _ Jerome Jaminet, Literaturkritiker

(Stephanie Helena Prähauser *1983)
Lieber Jérôme Jaminet, welche Erinnerungen hast Du an Helena Adler, Schriftstellerin (Stephanie Helena Prähauser + 5.1.2024 *1983) ?
Unvergesslich ist mir Helena Adlers Humor, den eine Luxemburg-Anekdote von ihr sehr schön illustriert. Als Gymnasiastin soll sie ihrem besten Freund erzählt haben, sie sei in Wahrheit adeliger Herkunft und stamme aus dem Großherzogtum. Weil sie aber ihren Wohlstand nicht zu schätzen gewusst habe, hätten die leiblichen Eltern sie einer armen Bauernfamilie im Salzburger Voralpenland untergejubelt.
Ich hatte sie im Frühjahr letzten Jahres in ihre alte Heimat eingeladen, zu einer Lesung aus „Fretten“. Sie sagte zu, obwohl sie eigentlich nicht gerne reiste. Es wäre unser erstes Treffen gewesen. Leider ist es nicht mehr dazu gekommen.
Wann, wie begegnete Dir der erste Text von Ihr und welche Wirkung hatte dieser auf Dich?
In Vorbereitung auf eine Sondersendung der RTL Bicherlies zur österreichischen Literatur las ich als erstes ihren dritten Roman, im April 2023. Schon vorher war ich durch Katja Gasser und Klaus Kastberger auf sie aufmerksam geworden. Das Buch hat mich dann mit seinem Feuerwerk an Sprachbildern und Wortspielen schlicht überwältigt.
Was zeichnete Ihr Schreiben für Dich aus?
Das ist Prosa mit Karacho, die von einem unbändigen Sprachkompositionsdrang zeugt, aber auch davon, dass hier jemand wirklich etwas zu erzählen hat, und zwar unbedingt, leidenschaftlich, völlig entfesselt.
Welches literarische Erbe hinterlässt sie und wie ist dies in der österreichischen Literatur einzuordnen?
Der Adler-Stil ist schon singulär, dieser wilde, mitreißende Erzählstrom. Klar war sie nicht die erste, die einem jede romantisch verklärte Lust aufs Landleben austreiben konnte. Aber ihr Werk erschöpft sich nicht in einem Anti-Heimat-Rant. In „Fretten“ etwa fungiert die Mutterliebe als ein Gegengewicht, das sich auch in Haltung und Tonlage niederschlägt. Dieser Kontrast war Helena Adler wichtig.
Wie wird Dir Werk und Leben Helena Adlers in Erinnerung bleiben?
In dem einen Ohr wird mir der Sound ihrer Literatur bleiben, in dem anderen ihr herzliches Lachen.
Jérôme Jaminet, 7.1.2024
Herzlichen Dank für Dein Interview und Deine Erinnerungen, lieber Jérôme!

Jérôme Jaminet, Literaturkritiker
Foto: Lynn Berchem
Helena Adler, Schriftstellerin +5.1.2024

(Stephanie Helena Prähauser *1983)
Geboren 1983 in Oberndorf bei Salzburg.
Lebte als Autorin und Künstlerin in der Nähe von Salzburg.
Studium der Malerei am Mozarteum sowie Psychologie und Philosophie an der Universität Salzburg.
Auszeichnungen:
2022 Shortlist Österreichischer Buchpreis
2020 Longlist Deutscher Buchpreis
2020 Shortlist Österreichischer Buchpreis
2020 Projektstipendium Literatur BKA
2018 Jahresstipendium Literatur, Salzburg
https://jungundjung.at/verfasser/adler-helena/ 6.1.2024
Bücher:
https://literaturoutdoors.com/2022/09/12/fretten-helena-adler-jung-und-jung-verlag/
Fotos Helena Adler_Eva Trifft/Jung und Jung
Grafik: Romana Fürlinger
Walter Pobaschnig 7.1.2024