Liebe Julia Novacek, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich bin Frühaufsteherin, meist beginne ich direkt nach dem ersten Kaffee mit der Arbeit. Das ist für mich die produktivste und liebste Zeit.
Theaterproben starten meist gegen 10 Uhr, davor habe ich dann noch Zeit, die Proben zu reflektieren und sie vorzubereiten.
Neben der Arbeit an Performanceprojekten mache ich Filme und arbeite viel am Computer, da kann ich es mir einteilen wie ich will, was ich sehr schätze.
Abends gehe ich oft ins Theater und schaue mir Stücke von Kolleg:innen an.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Immer aktueller werden Fragen nach der Zusammenarbeit von Menschen und nicht-menschlichen Akteur:innen, wie zum Beispiel Künstlicher Intelligenz. Spätestes mit der Einführung von ChatGPT ist das Thema in der Gesellschaftsmitte angekommen.
Philosoph:innen und Wissenschaftler:innen prognostizieren eine politische Landschaft, die zunehmend durch die Fortschritte der technologischen Entwicklung der künstlichen Intelligenz geprägt wird.
Wichtig ist es, denke ich, offen zu sein für Neues, sich zu informieren und kritisch zu hinterfragen, nützliche Schnittstellen in der Kooperation von Menschen und nicht-menschlichen Akteur:innen zu fördern, die beispielsweise in der Medizin nicht mehr wegzudenken sind.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?
Aufgabe der Kunst ist es meiner Meinung nach, das zu reflektieren und zu befragen, was ist, und den gesellschaftlichen Konsens künstlerisch zu hinterfragen und zu bearbeiten. In meinen Projekten geht es im ersten Impuls darum, etwas zu verstehen. So entstehen Projekte, die mit einem sehr dokumentarischen Interesse an einem Thema beginnen. Für mich bietet das Theater die Möglichkeit, mit künstlerischen Strategien gemeinschaftliche Erfahrungen zu schaffen, neue Denkanstöße mitzunehmen und in den Austausch mit anderen Disziplinen und mit dem Publikum zu kommen.
Was liest Du derzeit?
Aktuell lese ich „Critique and the Digital“- herausgegeben von Erich Hörl, Nelly Y.Pinkrah und Lotte Warnholt im Diphanes Verlag, 2021.
Der vielstimmige philosophische Band gibt Einblick in den kritischen Diskurs zur Politik und Ästhetik der „Computational Media“. Mich interessieren die politischen und philosophischen Implikationen unseres digitalen Lebens. Das Buch zeigt spannende kritische Reaktionen vor dem Hintergrund der politischen und technologischen Transformationen, die allgegenwärtig sind. Empfehlung!
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Ein schönes Zitat aus dem aktuellem Stück STREAMS.Catching caches: „In dieser Laborsituation, in dieser wissenschaftlichen, entwickeln wir uns gemeinsam mit den Systemen weiter, also künstliche Intelligenz wird auf jeden Fall nicht nur auf technischer Seite entwickelt, sondern wir entwickeln auch eine Art künstliche Intelligenz dabei, das darf man nicht vergessen. Also wir werden auch zum Teil, wenn man das jetzt so blöd in diesem Dualismus sagen möchte, wir werden auch ein bisschen künstlicher dadurch. Es ist immer die Frage: Was weiß man, was kann man wissen, was will man wissen und ab wann muss ich nur mehr blind vertrauen und was brauchts wiederum, damit ich blind vertrauen kann?“ – Katja Mayer, Wissenschafts- und Technikforscherin (Interview, Juni 2021)
Vielen Dank für das Interview lieber Julia, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Theater-, Kunstprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Julia Novacek, Performance- und Videokünstlerin
Zur Person_Julia Novacek, geboren 1989 in Wien, ist Performance- und Videokünstlerin. Sie studierte Kunst und digitale Medien sowie Kunst und Film an der Akademie der Bildenden Künste Wien und Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen. Sowohl filmisch als auch performativ ist der feministische Blick leitend in ihrem Schaffen. Sie setzt sich mit der medialen Konstruktion und Brechung von Authentizität auseinander.
Gezeigt wurden ihre Arbeiten sowohl auf internationalen Film- und Performancefestivals als auch in vielen deutschen Produktionshäusern.
Neben ihren Soloarbeiten wie „Dosta, Dosta (genug, genug)“ kooperierte Julia Novacek in Projekten wie „Nach dem Ende der Versammlung“ am Künstlerhaus Mousonturm oder der Performance „RAGE. A Tennis Western“ ebenda, die 2021 mit dem Hessischen Theaterpreis ausgezeichnet wurde. Ihre eigenen Werke waren u. a. zu sehen in der Klosterruine Berlin 2020, am SON/TON Festival (Brüssel) 2018, flausen+festival 2018, Kasseler Dokfest 2017, im Casa del Sol (Los Angeles) 2017, den Hessischen Theatertagen 2017, am brut Konzerthaus (Wien) und dem Nakt Festival / K3 Kampnagel (Hamburg).
Seit 2019 arbeitet und recherchiert sie mit ihrem Frauenkollektiv Studio Studio an ortsspezifischen filmisch-performativen Projekten zwischen Fiktion und Dokumentation mit Fokus auf die Darstellung und Analyse des Wandels der Lebens- und Alltagskultur im ländlichen Raum.
2018 erhielt Novacek ein FLAUSEN-Stipendium mit Artemiy Shokin, 2019 das Start-Stipendium für Musik und Darstellende Kunst vom Bundeskanzleramt Österreich und 2020 ein Reload-Stipendium der Kulturstiftung des Bundes.
Julia Novacek
Aktuelle Produktion _ Streams.Catching Caches
Eine performative Stückentwicklung von Julia Novacek & Artemiy Shokin

Werk – X Petersplatz Wien 1010
STREAMS. Catching Caches
Fotos_Apollonia Theresa Bitzan
27.6.2023_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.
Die KI hat meine Katze gefressen.
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