„Zärtlichkeit“ Mona Rabofsky, Künstlerin _ Wien 24.6.2023

Liebe Mona Rabofsky, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Ich genieße langsames Erwachen. Gerne gebe ich mich dem morgendlichen Dämmerzustand hin – wenn meine Motorik noch nicht meine Gedankengänge kreuzt, kann ich mich Assoziierend mit dem Tag vernetzen.

Dann brauche ich Kaffee.

Bis dahin ist es in der Regel so um 7 Uhr morgens.

Danach verausgabe ich mich, ich arbeite tendenziell manisch und lasse mich dabei von jedem Tag aufs Neue mitreißen. Ich lebe modular. Zwischen Museum und freiem Schaffen, und da erst recht.

Immer wichtiger wird der Mittagsschlaf.

Diesen halte ich gerne auch erst am Nachmittag oder abends, oder vergesse ganz darauf, eine halbe Stunde reicht. Er hilft mir bei der der Trennung zwischen den Welten, in denen ich mich bewege. Es fühlt sich an, als würde danach ein neuer Tag beginnen.

Mona Rabofsky, Künstlerin

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Zärtlichkeit.
Wir lassen uns in Einzelschicksale zerreißen, diese gegeneinander aufwiegen, uns voneinander trennen, rotten uns virtuell zusammen, missverstehen einander und Demokratie als Recht des Lauteren, Stärkeren.
Zärtlichkeit beinhaltet für mich auch Langsamkeit. In Resonanz treten zu können, ohne auf Harmonie zu bestehen. Und Bewusstheit um unsere jedweilige Verletzlichkeit.
Die ist es, die uns Menschen miteinander verbindet.

Worauf kommt es an?

Auf unser Verständnis von Wirtschaft und Demokratie. Mir fehlt es, und dahin deute ich deine Fragestellungen, im Alltagsbewusstsein. Klar bin ich eine Einzelperson, und als solche habe ich, bis auf kleine Alltagsentscheidungen, nur wenig Einfluss auf das Weltgeschehen. Wenn ich mit Nachbar*innen oder Freund*innen über meine Entscheidungen und Sichtweisen reden, vielleicht schon etwas mehr – eine wirkliche Veränderung, und die steht an, kommt letztlich aber aus politischem Handeln heraus.

Und auf daraus resultierende politische Entscheidungen.

Und auf ein Umdenken, das ist allerdings ein großes Wort. Ich mag Jane Bennetts Idee von „vitalem Materialismus“. Ausgangspunkt für diese Sichtweise ist eine politisch-ökologische Haltung. Ihre Hoffnung ist es, durch eine Weltsicht, die das Gefüge der Mensch-Dingwelt als dichter anerkennt als unser menschlicher Stolz es annehmen möchte, uns in unserer Wahrnehmung in dieses Gefüge einzugliedern, um aus dem heraus bessere Entscheidungen zu treffen. Bennett will den Blick nicht für Unterschiede, sondern für Ähnlichkeiten schärfen. Ohne zu vereinheitlichen oder vereinfachen.
Ein fiktiver Blick, mit dem wir das Farbspektrum unserer Wahrnehmung ein wenig verschieben, um damit altes anders sehen zu können und vielleicht somit umordnen. Umverteilen.

Ein Um-Denken also, inspiriert durch ein einfaches Gedankenspiel.
Wer sagt, dass ein Umdenken nicht lustvoll sein kann?
Ja, vielleicht brauchen wir einen etwas freieren Umgang mit unserer Gedankenwelt. Phantasie werden wir jedenfalls brauchen.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Kunst an sich zu?

Lasst die Künste bitte frei. Vor Allem vom Anspruch, die Welt retten können zu müssen. Das sage ich aus einem Kunstverständnis heraus, in dem ich jedem Wollen im Schaffen skeptisch gegenüberstehe.
Außerdem braucht es dafür mehr als nur die Künste. Ich freue mich aber über jeden Versuch, etwas zu verändern oder aufzuzeigen. Auch diese Freiheit braucht es. Und ja, ich glaube auch, dass, wer im Rampenlicht steht, Verantwortung trägt.

Ich glaube außerdem, dass Kunst, die aus dieser Freiheit heraus geschaffen wird, gesellschaftlich inspirierend wirken kann – irritierend, strittig oder ermutigend.
Vielfalt ist wesentlich.

Was liest Du derzeit?

Ich kann nicht linear lesen, nur assoziieren. Derzeit zwischen

Lukrez: Über die Natur der Dinge; Jane Bennett: Lebhafte Materie; Bernd Hüppauf:  Vom Frosch, Eine Kulturgeschichte zwischen Tierphilosophie und Ökologie; Herbert Kalthoff, Thorsten Cress, Tobias Röhl (Hg.): Materialität – Herausforderungen für die Sozial- und Kulturwissenschaften; Jo Dahn: new directions in ceramics – from spectacle to trace.

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Zwischen den Welten sieht man am weitesten.

Das ist mir mal in meinem Hadern mit meiner Zerrissenheit eingefallen.
Und ich bin ein Zwischenwesen, das wurde mir ab und an zum Vorwurf gemacht. Aber vielleicht ist es eine Stärke und wir brauchen mehr von uns?

Mona Rabofsky, Künstlerin

Vielen Dank für das Interview liebe Mona viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

5 Fragen an Künstler*innen:

Mona Rabofsky, Künstlerin

Zur Person_Meine künstlerische Tätigkeit ist transdisziplinär und Genre-übergreifend. Die Arbeiten vereint die Suche nach Zwischenräumen, Wahrheiten und Grenzen innerhalb verschiedener Felder künstlerischer und kultureller Praxen und Wirklichkeiten sowie Materialien im philosophischen als auch physischen Sinne.

https://www.monarabofsky.com/

Fotos_Max Böhme

Walter Pobaschnig _ 9.6.2023

https://literaturoutdoors.com/

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