„Mensch bleiben“ Ursula Nocchieri, Schauspielerin, Regisseurin _ Wien 8.5.2023

Liebe Ursula Nocchieri, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Es gibt für mich keinen geregelten Tagesablauf, jeder Tag sieht anders aus und das ist schön. Aber normalerweise – wenn in der Früh keine Termine angesetzt sind – stehe ich um etwa 8 Uhr auf, vormittags werden E-Mails beantwortet, Termine vereinbart, meine Social Media Kanäle bedient. Nachmittags habe ich meist Besprechungen oder ich gönne mir einen Plausch mit Freunden. Im Falle eines terminfreien Nachmittags arbeite ich meine administrativen Angelegenheiten ab, bearbeite Regiebücher, erstelle Probenpläne, suche Texte für meine Lesungen, dh ich mache meine „Hausübungen“ für aktuelle Projekte. Abends sind fast täglich Proben angesetzt, oder eigene Auftritte (deren Proben meist vormittags stattfinden). An meinen seltenen freien Abenden gehe ich ins Theater und sehe mir Produktionen von KollegInnen an. Oder ich besuche meine Söhne (24 und 26 Jahre alt), die in einer „Brüder WG“ zusammen ganz in der Nähe meiner Wohnung in Wien wohnen.

Ursula Nocchieri, Schauspielerin, Regisseurin und Trainerin

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Ruhe bewahren, allen Lebewesen mit Respekt und Wohlwollen begegnen, sich mit Freunden austauschen, Zeit mit der Familie verbringen, sich in Dankbarkeit üben und vor allem jeden Tag bewusst erleben und genießen.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?

In Bezug auf die Frage, was in dieser Zeit des Aufbruchs wesentlich ist, kann ich nur nochmals auf meine vorhergehende Antwort hinweisen. Mensch bleiben, nicht zur Maschine oder zu ferngesteuerten, funktionierenden Mitläufern werden. Sich auf das Wesentliche konzentrieren, einen Filter für belastende und Angst machende Nachrichten und Ereignisse aufbauen, ohne dabei unsensibel dafür zu werden. Sich die Frage stellen, was wirklich wichtig ist.

Theater hatte immer schon die Aufgabe, sich unangenehmen Dingen, Missständen sowie politischen wie gesellschaftlichen Themen zu widmen, die in anderen Bereichen schwer oder gar nicht angesprochen werden können. Und sie den Menschen vor Augen zu führen. Abgesehen davon ist natürlich auch die Unterhaltung und die Ablenkung der Menschen von Sorgen und Ängsten mit erheiterndem und humorvollem Programm nicht zu unterschätzende „Therapie“. Gerade in Zeiten der Unruhe und vor anstehenden Veränderungen brauchen die Menschen auch einen Zufluchtsort, an dem sie für ein paar Stunden Distanz zum Alltag und den damit verbundenen Problemen gewinnen können. Oder damit „von außen“, also als Zuseher und nicht direkt involviert, konfrontiert werden und zum Nachdenken oder auch zur Findung von eigenen Wegen angeregt werden.

Was liest Du derzeit?

Ich mache gerade eine Ausbildung im Bereich Kinder- und Jugendtheater und muss über Fachbücher Rezensionen schreiben. Im Moment ist es das Buch „Der poetische Körper“ von Jacques Lecoq.

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

„Das „Ich“ ist nebensächlich. Man muss herausfinden, wie die Lebewesen und die Dinge sich bewegen und wie sie sich in uns spiegeln. Man muss der Horizontalen und der Vertikalen, all dem was auf unantastbare Weise außerhalb von einem selbst existiert, den Vorzug geben. Im Verhältnis zu diesen Anhaltspunkten in der äußeren Welt wird die Person sich selbst offenbar.“

Vielen Dank für das Interview liebe Ursula, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Theater-, Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

5 Fragen an Künstler*innen:

Ursula Nocchieri, Schauspielerin, Regisseurin und Trainerin

Zur Person_ Ursula Nocchieri, geb. 1962 in Wien, Schauspielerin, Regisseurin und Trainerin, Ausbildung in der „International School of Humor“ sowie bei internationalen SchauspiellehrerInnen. Schauspiel, Regie, Kabarett, Moderationen, Vorträge und Lesungen. Clown- und Theaterworkshops für Erwachsene, Kinder und Jugendliche und als Motivationstraining für Manager runden ihr künstlerisches Repertoire ab. Vier Jahre Leitung des Lenautheaters Stockerau (www.lenautheater.at). 2020 Gründung des Theatervereins „Il Salottino“ mit Fokus auf Produktion klassischer Theaterstücke. Schauspieltrainerin beim Kindertheater International (www.kindertheater-international.at) sowie in der Musik- und Kunstschule Waidhofen/Ybbstal. Sprachen: Deutsch, Englisch, Italienisch, Französisch.Info: www.uschi-nocchieri.at

Foto_privat

31.3.2023_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com

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