Buchmesse Leipzig: „Es könnte auch ein Literatur-Waterloo werden“ Martin Amanshauser, Schriftsteller_Wien 29.4.2023

Österreich_Gastland Leipziger Buchmesse 2023

Interview _ Martin Amanshauser, Schriftsteller_Wien

Martin Amanshauser, Schriftsteller

Lieber Martin Amanshauser, ist Österreich als Gastland die Revanche für den deutschen Gast?

Sicherlich, Österreich ist bekanntlich das Synonym für Revanche, Revanchefouls, Revanchismus.

Was macht einen österreichischen Gast aus?

Österreichische Gäste fordern schon am Frühstücksbuffet brutal starken Kaffee, interessieren sich weniger für Literatur als für die lokalen halluzinogenen Drogen und schlagen einen hysterischen Wirbel, wenn das Schnitzel mit Tunke serviert wird. Dabei ist sächsische Tunke, besonders dann, wenn man sie vollständig auftunkt, im Grunde tierisch gut, ich meine abartig, ich meine krass, ich meine knorke!

Wird Leipzig das Literatur-Cordoba für Österreich?

Es könnte auch ein Literatur-Waterloo werden, vor allem, wenn meine Kollegen vom Österreichischen Autorenfußballteam beim Match gegen die deutsche „Autonama“ keinen hohen Sieg einfahren, wie sie es aus der 3. Halbzeit gewohnt sind, allerdings bisher vor allem aufgrund meiner aktiven Teilnahme. Durch eine plötzlich auftauchende Senf-Pressereise nach Dijon, die ich in meiner Kolumne „Amanshausers Album“ in der „Presse“ veröffentlichen werde („Brotjob“), ist mir diesmal das Dabeisein verwehrt, und seit meine Abwesenheit ruchbar wurde, schreiben mir sämtiche Mitspieler jammernd, dass sie ohne mich am End gar kein Goal erzielen werden können. Aber Kopf hoch, immerhin treten bei uns Präsident Kurt Leutgeb und Schriftführer Clemens Berger an, beides zertifizierte Spitzenautorenkicker! Und vielleicht zaubert Trainer Wilhelm Kaipel diesmal wieder eine gute Aufstellung auf den Rasen, allerdings eben ohne meine Wenigkeit. Normalerweise will ich ja Stürmer spielen, aber Kaipel stellt mich konsequent auf den Posten des Sechsers, er kalkuliert vermutlich, ich könne dort weniger Schaden anrichten. Jedenfalls sende ich unseren Gegnern metaphorisch senfdurchtränkte Rote Karten aus Dijon!

Ist „Meaoiswiamia“ als majestätischer Plural gemeint mit dem Wir geschickt Deutschland narzisstisch überlisten?

Ich hab ewig lange buchstabieren müssen, bis ich dieses komplizierte Wort „auseinanderdröseln“ konnte, wie die Sachsen sagen. Ich hielt den Claim zunächst für den onomatopoetischen Aufschrei einer Katze, der jemand auf den Schwanz tritt. Der angesprochene Narzissmus steht Autoren/innen beider – ja aller – Länder gleichermaßen nahe, daher sehe ich absolut kein Überlistungspotential.

…oder ist „Meaoiswiamia“ auf den Literaturbetrieb bezogen?

Als könnte es je mehr als wir bzw. als uns geben! Ich trau mir zu sagen, und dieses Selbstbewusstsein muss man als kleine Nation haben, sonst droht der Müllhaufen der Geschichte, es gibt vor allem weniger als uns. Wenn Sie das auch glauben, sage ich nur zustimmend: Ich denke das ebenfalls – i a. Wer jetzt genau?, meinen Sie? Na eh i!

Wer kann besser lesen – Deutschland oder Österreich?

Ich befürchte, dass Deutschland deutlich besser lesen kann, deren Schuls<stem ja halbwegs funktioniert, während Österreich per Pisastudie regelmäßig partieller Analphabetismus bescheinigt wird. Ich hab ein bisschen Angst vor dem Wort Analphabetismus, denn die ersten vier Buchstaben, betont auf der zweiten Silbe, weisen I-Tüpfelreiter wie mich auf die zwängliche Komponente schriftstellerischer Sprachgenauigkeit hin. Wir müssen ja immer genauer, sein als die Deutschen, weil wir uns beim Lesen schwertun, wir Analphabeten.

Herzlichen Dank!

Zur Person _ Martin Amanshauser (1968, Salzburg)

Studium von Geschichte bzw. Portugiesisch/Spanisch/Afrikanistik in Wien. Diplomarbeit Al-Garb und Galicien, Die ´Reconquista´ in Portugal (711-1147), Wien 1994. Dissertation: Taifas und Condados, Die mittelalterliche Stadt im Westen der Iberischen Halbinsel, Wien 2001.

http://www.amanshauser.at/

Aktuelles Buch_ Martin Amanshauser, Es ist unangenehm im Sonnensystem. Verlag Kremayr & Scheriau

„In Martin Amanshausers Universum ist jeder Tag eine neue Chance. Eine Chance, um zu lachen, zu weinen, zu lieben, zu staunen und manchmal auch grandios zu scheitern. Ob Liebesfreud, Liebesleid, politische Ärgernisse, eigenartige Reisen, nervtötend gleichförmiger Alltag oder Selbstreflexion – alles findet seinen Platz in Amanshausers ureigenem Sonnensystem, in dem manchmal nach klassischen Vorlagen gereimt wird, oftmals alles im Chaos versinkt und immer irgendetwas zwickt und zwackt.

Ich hätte meinen Schmerz am liebsten idiotisch.

Ich würde mit ihm um die Wette schrein.

Den Nachbarn würd ich sagen, ich lern Gotisch.

Und meine Katzen (sag ich) quietschen oft allein.

Amanshauser schickt seine literarischen Miniaturen, in denen er Großes verhandelt, aus allen Ecken der Welt, bleibt in Herz und Feder aber immer österreichisch – also skeptisch – und auf dem Boden, den Artmann, Jandl &Co. einst bereitet haben. Durchzogen von feinem Witz, einer guten Portion Selbstironie, realistischer Melancholie, immer scharf beobachtend, schreibt er sich durch die Welt und lässt die Lesenden teilhaben am Allgemeingültigen aus seinem Gefühlskosmos. Was dabei entsteht, sind Texte, die auf jedem Planeten verständlich sind. Aber keine Sorge: Martin Amanshausers Lyrik bleibt stets erfrischend erdverbunden. Wenn sie uns nicht gerade einen Schlag auf den Kopf versetzt.

Hardcover mit Schutzumschlag

176 Seiten, Format 13,5 x 21,5

1.Auflage, Kremayr & Scheriau 2019

19,90 € inkl. MwSt.

ISBN: 978-3-218-01163-1

Es ist unangenehm im Sonnensystem

Weitere Bücher:

Im Magen einer kranken Hyäne, Wiener Stadtkrimi, 1997.

Erdnussbutter, Roman, 1998.

in der todesstunde von alfons alfred schmidt, Gedichte, 1999.

Der Sprung ins Dritte Jahrtausend, 2 Stories zur Jahrtausendwende, gemeinsam mit Gerhard Amanshauser, 1999/2000.

NIL, Roman, 2001.

100.000 verkaufte Exemplare, Gedichte, 2002.

Chicken Christl, Roman, 2004.

Alles klappt nie, Roman, 2005.

LOGBUCH WELT, 52 Reisegeschichten, 2007.

Viel Genuss für wenig Geld, Sachbuch, 2009.

Das Rogner Bad Blumau, Reiseführer, 2013.

Falsch Reisen, Alle machen es, 100 Geschichten, Reisebuch, 2014.

Der Fisch in der Streichholzschachtel, Roman, 2015.

Pedro und der Drachen, Kinderbuch 2016.

Typisch Welt, 111 Geschichten zum weiter Reisen, 2016.


Übersetzungen

aus dem Portugiesischen:

Hotel Lusitano (Roman) von Rui Zink, 1998.

Apokalüpse Nau (Roman) von Rui Zink, 1999.

Afghanistan! (Roman) von Rui Zink, 2001.

aus dem Englischen:

What is told (Roman) von Askold Melnyczuk, 2006.

Das Witwenhaus (Roman, gemeinsam mit Andrea Marenzeller) von Askold Melnyczuk, 2008.

Musik:

Amanshauser & Wenzl, Auf der falsche Seite von Ikebukuro, CD, 2006.

Foto_privat

Walter Pobaschnig 28.4.2023

https://literaturoutdoors.com

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