Liebe Susanne, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich beginne den Tag, jeden Tag des Jahres damit, eine Runde barfuß im Freien zu gehen. Dann mache ich meine Morgengymnastik, trinke Kaffee und setze mich an den Schreibtisch.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Ich stamme aus dem Irak, einem politisch schwer gebeutelten Land, die Bevölkerung hat keine Zukunftsperspektive. Es ist Glück oder Schicksal, wo wir geboren werden. Ob wir rechtlos, arm und verfolgt sind oder ein privilegiertes Leben führen können. Sich darauf zu besinnen, relativiert die Probleme, mit denen wir uns beschäftigen.
Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt, heißt ein altes arabisches Sprichwort. Literatur lässt uns die Möglichkeiten der Welt entdecken, die Antworten auf Fragen finden, die wir ohne sie nicht stellen könnten. Ohne Kunst, ohne Literatur würde das Leben armselig sein. Das gilt für alle Zeiten.
Was liest Du derzeit?
Ich lese meist mehrere Bücher parallel: Für meine journalistische Arbeit und meine Recherchen lese ich das gerade erschienene Buch „Sucht“ von Georg Psota; zur Entspannung am Abend und nachts einen Roman, das ist zur Zeit ein Buch meiner Lieblingsautorin Ruth Rendell als Barbara Vine „No Night is Too Long“; dazu oft etwas Philosophisches, das ist in diesem Jahr des Krieges Platons „Politeia“ – und wird mich lange begleiten.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Das Zitat ist von Erich Kästner. In Zeiten der Krise und Verunsicherung der Gesellschaft schlägt es für mich einen gelassenen, tröstlichen Ton an:
„Es tickt die Zeit. Das Jahr dreht sich im Kreise.
Und werden kann nur, was schon immer war.
Geduld, mein Herz. Im Kreise geht die Reise.
Und dem Dezember folgt der Januar.“
Vielen Dank für das Interview liebe Susanne, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Susanne Ayoub, Schriftstellerin, Radio- und Filmemacherin
Zur Person_
Susanne Ayoub, 1956 in Bagdad geboren, lebt heute in Wien. Sie studierte Theaterwissenschaft, Philosophie und Kunstgeschichte und arbeitet als Autorin und Regisseurin für Radio und Film. Ayoub schreibt Drehbücher, Hörspiele und Theaterstücke, sie veröffentlichte bisher fünf Romane sowie mehrere Gedichtbände. Ihr Kriminalroman „Engelsgift“ wurde ein internationaler Erfolg.
Neben ihrer schriftstellerischen und journalistischen Tätigkeit ist sie Filmemacherin. Für ihr Werk erhielt sie zahlreiche Preise, zuletzt den Münchner Filmpreis Literavision 2022 für ihren Film „Antschel“ über den Dichter Paul Celan.
Im Februar 2023 erscheint ihr neuer Kriminalroman „Rondo Veneziano“ Im Gmeiner-Verlag.
Mehr Informationen zur Autorin unter: www.susanneayoub.at
Foto_A. Pawloff
23.12.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.