Lieber Ernst, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich bin Frühaufsteher und frühstücke etwa um 3 Uhr bevor ich noch im Bett wichtige Tages-Mail-Korrespondenz erledige, Ideen, Texte, Konzepte entwerfen und in den Mac klopfe. Ab 8 bin ich im Haus, um kleinere Bürosachen zu erledigen, dann gibt’s eine kurze Bürobesprechung für den Tag. Ab 9 Aufwärmen, 9.30 Probenstart mit Kritik vom Vortag, dann künstlerische Probe bis 14.30. Dann weitere Büro- und Technikbesprechungen, bzw. Termine mit Gastkünstler:innen, bzw. Geschäftspartnern, Politik, etc. Um etwa 17 Uhr fahr ich heim und beginne das Material vom Tag zu sichten. (Da ich oftmals selber mitspiele muss ich das Videomaterial vom Tag auswerten!) Ab 19 Uhr lese oder schaue ich Nachrichten. Ab 21 Uhr geht’s Richtung Bett!
Bei Abendvorstellungen verschiebt sich dieser Rhythmus nur geringfügig, dadurch schlafe ich dann Nachmittags 2 Stunden vor den Vorstellungen!

Wien
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Nerven behalten! Wir sind jetzt im Theater in einer besonders schwierigen Übergangsphase! Das Publikum kommt zaghaft zurück, die Gruppen trauen sich noch nicht recht neu zu produzieren. Warum: Fällt dir jemand aus dem engsten Team, oder zentrale Performer:innen vom künstlerischen Ensemble aus, dann war´s das oft mit der gesamten Produktion und das ganze Geld für Proben, Werbung, Bühne ist dahin. Es gibt keinerlei Schutzschirme mehr, Quarantäne wurde zu Krankenstand und dadurch wird einem nichts mehr ersetzt und Mitarbeiter:innen, die ausfallen führen bei kleineren Häusern zu drastischen Problemen, weil sie nicht kurzfristig ersetzt werden können!
Und ehrlich: Maske am Arbeitsplatz bei symptomlosen Verlauf ist ja wohl im darstellenden Bereich ein Witz!
Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?
Ich gebe zu: Es ist für mich verdammt hart gerade jetzt Theater zu machen oder zu schauen. Alles kommt mir so lächerlich vor im Vergleich dazu, was sich alles vor unserer Haustür und über unseren Köpfen abspielt! Und das degradiert uns im Moment zu Ablenkern und Entertainern! Man muss gerade jetzt sehr vorsichtig und respektvoll mit den Menschen umgehen, auch abseits der Bühne, denn alle scheinen mir sehr angegriffen und sensibel! Nicht die schlechteste Lektion, die uns im Moment zu Teil wird, trotzdem entbehrlich! Theater kann im besten Falle visionär arbeiten, und Vieles posaunen wir schon seit Jahren warnend von der Bühne, was nun schreckliche Realität geworden ist. Die Menschen als Gesellschaft begreifen viele Dinge leider erst, wenn sie auf der Nase liegen oder der Hut bereits abgebrannt ist.
Was liest Du derzeit?
„Endspiel des Kapitalismus“ von Norbert Häring
Harter Tobak!
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Glauben heißt: Nichts wissen müssen…“

Wien
Vielen Dank für das Interview lieber Ernst, und viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Theaterprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Viel Freude und Erfolg für die kommende Premiere!
5 Fragen an Künstler*innen:
Ernst Kurt Weigel_Regisseur, Schauspieler, Theaterdirektor
Zur Person:
ERNST KURT WEIGEL
spielt, schreibt und inszeniert. Geboren 1970 in Wien. Ausbildung: Schauspielschule Krauss. Leitet das.bernhard.ensemble und DAS OFF THEATER.
Schauspieler: 1991-96 Theater in der Josefstadt, 1996 freie Wiener Performanceszene, 1997/1998 Serapionstheater im Odeon, 1997 Gründung das.bernhard.ensemble, 2006 Gründung DAS OFF THEATER, 2016 Gründung *sterne*reißen*
Regisseur und Schauspieler: Inszenierte die meisten, der über 30 Produktionen des bernhard.ensemble an vielen Wiener Spielorten (WUK, dietheater, Stadtintiative, Theater des Augenblicks, MQ, projekttheater studio, ab 2006 im OFF THEATER)
Autor vieler Stücke, zuletzt: „Kein Groschen, BRECHT!“, „701“
Auszeichnungen: 2001 Nestroy Beste OFF Produktion, 2014 Nestroy-Nominierung WIENER.WALD.FICTION, Beste OFF Produktion, 2019 Nestroy-Nominierung LILIOM.CLUB, Beste OFF Produktion
letzte Arbeiten: 2020 „THE.HELDENPLATZ.THING“, „Die grauenvolle Entdeckung des Jakob Levy Moreno“, 2021 „THE.HELDENPLATZ.THING.MOVIE“, „Reenacting Jakob Levy Moreno”, “BLADE.UNWICHTIG“, 2022 „DER.SEMMELWEIS.REFLEX“
Aktuelle Produktion von und mit Ernst Kurt Weigel:
JEDE(R).NOW
Mashup _ nach Hugo von Hofmannsthals “Jedermann“ und Francis Ford Coppolas “Apocalypse Now”
das.bernhard.ensemble / DAS OFF THEATER _Koproduktion

https://www.bernhard-ensemble.at/
Termine::
Premiere: 4. November, 19:30 Uhr
Nov: 5.|8.|11.|12.|15.|18.|19.*|22.|25.|26.|29.
Dez: 2.|3.|6.|9.|10.
Beginnzeit: immer 19:30 Uhr
WHITE.BOX
https://www.off-theater.at/index.html
Fotos_Walter Mussil
31.10.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.