„Es fasziniert mich, wie Romy Schneider ihre Grenzen auslotet“ Julia Gradl, Musikerin _40.Todesjahr Romy Schneider _ Wien 23.10.2022

Julia Gradl _Musikerin _ Wien _
acting Romy Schneider _ 40.Todestag _ Romy Schneider, Schauspielerin (*1938 Wien +1982 Paris)
Julia Gradl _Musikerin _ Wien _
vor dem Elternhaus von Romy Schneider _ Wien/Döbling
Julia Gradl _Musikerin _ Wien _
vor der Geburtsklinik von Romy Schneider _ Wien/Döbling
Julia Gradl _Musikerin _ Wien _
acting Romy Schneider _
40.Todestag _ Romy Schneider, Schauspielerin (*1938 Wien +1982 Paris)

Liebe Julia, welche Bezüge, Zugänge gibt es von Dir zu Romy Schneider?

Am intensivsten wirkt ein erst kürzlich gesehenes und 2017 veröffentlichtes Interview / Gespräch von Alice Schwarzer und Romy Schneider aus dem Jahr 1976 in Köln nach. Zwei Frauenseelen, die sich in einem Urvertrauen verbinden und Schmerzliches und Unausgesprochenes einen Raum bekommt… Das hat mich sehr berührt.

Gibt es einen Film von Romy Schneider, den Du hervorheben möchtest und warum?

Ich muss gestehen, dass ich noch nicht ausreichend Filme ihrer Filmografie gesehen habe…. Aber erstaunlich ist, wie sie in „Swimmingpool“ mit Alain Delon ein verliebtes Paar spielen konnte. Mir gefällt, dass in ihrer Rolle als Marianne, sie es dann war, die sich von ihm getrennt hat.

Romy Schneider spielte in ihren Filmrollen sehr intensiv und ausdrucksstark, auch körperlich, und ging bis an die Grenzen des persönlich Möglichen. Etwa in den Filmen „Nachtblende“, „Trio infernale“ oder „Die Spaziergängerin von Sans-Souci“. Wie siehst Du als Künstlerin die Darstellerin Romy Schneider in Ihrem Kunstgenre?

Es fasziniert mich, wie sie ihre Grenzen auslotet, wie sie sich in ihren Rollen vom „braven lieben Mäderl“ zur wilden, ungezähmten, verruchten und emanzipierten Frau entwickelt. Ich bewundere ihre Natürlichkeit, Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit im Darstellen.

Wie nah müssen sich Mensch und Kunst intensiv verbinden, um das Publikum erreichen und auch berühren zu können?

In einem ersten Impuls gehe ich davon aus, dass der Mensch selbst die purste Form von Kunst ist: Werden und Vergehen. Vergehen und Werden. Wenn man es als Künstler:in schafft, sich dieser zu ergeben und anzuvertrauen und das Publikum dafür empfänglich ist, kann es zu tiefen Berührungen kommen.

Gibt es Momente in der Kunst, in der sich gleichsam die Kontrolle verlieren kann? Und wenn ja, was holt einen dann zurück?

Das Wort Kontrolle begegnet mir oft, es beschäftigt mich schon lange. In diesem Rahmen ist es mir tatsächlich zu negativ konnotiert und darum versuche ich es, mit einem für mich positiven Gegenüber, nämlich dem aus dem altgriechisch stammenden Wort „mania“ auszudrücken. Sokrates beschreibt es mit den Worten „von etwas ergriffen zu sein und es dadurch zugleich zu verkörpern“. Ich verstehe es als einen Aufruf zum Momenthaften und auch zum Risiko. Für den Verstand ist es glaub ich ein Leichtes, seinen Zensor wieder aufzuschlagen…die Kunst ist es, über ihn hinweg zu walten und durch die Abwesenheit von Kontrolle wahre Intensität zu erspüren.

Würdest Du einen Film von Romy Schneider gerne vertonen und wenn ja, warum?

Wenn ichs mir aussuchen könnte, würde ich eher eine Annäherung an ihre Person bzw. ihr Leben wagen. Vielleicht ein musikalisches Projekt, das dokumentarisch beginnt und sich in Fiktionen verliert… Da kommen mir einige Ideen.

Es gibt von Romy Schneider sehr viele Fotoserien. Gibt es eine Serie, die Du hervorheben möchtest?

Es ist keine bestimmte Fotoreihe, sondern eher ihre Ausstrahlung ab den späten 1960er Jahren, die mich in ihren Bann zieht.

Auch unser Projekt ist ein szenisches Foto/Interviewprojekt. Wie hast Du Dich im Vorfeld darauf vorbereitet und was ist Dir dabei wichtig?

Das mag vielleicht komisch klingen, aber die Vorbereitungen passierten eher zufällig, noch bevor ich wusste, dass dieses Interview-/Fotoprojekt stattfinden wird. Eingeleitet durch das anfangs erwähnte Interview, das mir sprichwörtlich „zugefallen“ ist, und fortgeführt durch einen Aufenthalt Nähe Gmunden vor ein paar Monaten, der an dem von Romy Schneider besuchten Internat vorbeiführte. Und tatsächlich kann ich jetzt sagen, dass mir genau diese „ungeplante“ Art des in-Kontakt-tretens auch für das bevorstehende Fotoshooting kostbar ist.

Wie siehst Du das Spannungsverhältnis von Öffentlichkeit und Schauspielberuf bei Romy Schneider wie an sich im Kunstberuf?

Zum Spannungsverhältnis von Öffentlichkeit und Romy Schneider als Schauspielerin kann ich wenig sagen… Aber generell ist es glaub ich wichtig sich bewusst zu machen, dass es die „Öffentlichkeit“ nicht immer gut mit einem meint, dass aber immer die Möglichkeit besteht, den Blick auf etwas anderes zu richten. Je nachdem, auf welche Weise man mit der „Öffentlichkeit“ in Berührung ist. Es kann andererseits gerade die „äußere“ Anerkennung sein, die ermutigt, anspornt oder Energie bündelt.

Romy Schneider wechselte nach großen Schauspielerfolgen in den 1950er Jahren das Filmgenre wie das Land. Wie siehst Du die Möglichkeiten persönlichen Entwicklungsweges im Kunstberuf?

Jedes neue Projekt als Musiker:in ist eine neue Herausforderung, ein neues Wagnis, ein Wachsen und Entwickeln. Ein Kennenlernen der eigenen Stärken und Schwächen, ein Bewältigen von Höhen und Tiefen, das Risiko, zu versagen, obwohl man eigentlich schon gewonnen hat!

Wie war Dein Weg zur Musik und welche Erfahrungen hast in Wien gemacht?

Das Erlernen von Instrumenten wurde von den Eltern früh gefördert. Gemeinsam wurde gerne gesungen und musiziert. Musikalisch sozialisiert habe ich mich zunächst über die Klarinette. Im Laufe des Studiums befreite ich mich aber zunehmend über und durch das Singen und die Atem-, Körper- und Stimmarbeit, was mich letztlich auch auf die Fährte des Komponierens gelockt hat. Die Stimme ist für mich ganz klar Lichtbringerin und Lichtspenderin.

Relativ bald nach meinem Ankommen und Einfinden in Wien 2019 kündigten sich Corona-Lockdowns und das Einstellen des Kunst- und Kulturbetreibes an… dennoch begann damit auch die musikalische Zusammenarbeit mit der Sängerin und Perkussionistin Jasmin Meiri, mit der ich seither im Duo (KARDAMOM.T) Konzerte spiele. Langsam beginne ich, die Vielfältigkeit der Stadt zu begreifen, was auch die Herausforderung birgt, inmitten so vielen Musiker:innen und Künstler:innen einen Platz einzunehmen.

Was wünscht Du Dir für den Musikberuf?

Im Wort Beruf steckt das Wort „Ruf“, an das ich, um die Frage zu beantworten, anknüpfen möchte. Ich wünsche mir, dass der „Ruf“, der von so vielen engagierten und außergewöhnlichen Musiker:innenpersönlichkeiten in die Welt gesendet wird, Gehör findet. Dass dieser Ruf dazu beiträgt, die ganz großen Themen, die unser Zusammenleben auf der Erde betreffen und prägen, in den Blick zu nehmen und sich selbst als handlungsfähig zu erkennen.

Ich wünsche mir, dass der Beruf ernst genommen, geschätzt und fair honoriert wird. Dass durch ihn möglichst viele Menschen einen Zugang zur Musik und den heilsamen und verbindenden Qualitäten bekommen.

Die Liste geht noch weiter…

Was sind Deine kommenden Projekte?

Musikalisch möchte ich an meinem Herzensprojekt „Kardamom.T“ dranbleiben, sowie das Singen im a capella Vokalensemble wieder aufnehmen. Was das Pädagogische betrifft arbeite ich mit einer Kollegin an Workshop-Konzepten zum Thema atemtypische Stimmentfaltung. Eine Vision ist, mich experimenteller/zeitgenössischer Musik/Kunst anzunähern…aber da plaudere ich jetzt aus dem Nähkästchen.

Was möchtest Du Musikstudenten*innen mitgeben?

Erstens, die Semester nicht zu voll mit Lehrveranstaltungen packen und die Freizeit genießen, Konzerte besuchen und an der Kulturszene der Stadt teilhaben. Zweitens, wenn die Möglichkeit besteht, über das Erasmus-Programm einen Auslandsaufenthalt wahrnehmen. Drittens, sich im kritisch-hinterfragen üben und aufs Bauchgefühl hören J

Wie siehst Du die Umstände des Todes von Romy Schneider?

Dass sie so früh aus dem Leben geschieden ist, ist tragisch und erschütternd. Das, was wir über die Umstände wissen, ist so wenig. Ich glaube, das meiste wissen wir nicht.

Was würdest Du Romy Schneider sagen, fragen wollen?

Mir würde es schon genügen, im selben Raum wie sie zu sein und ihre Aura und Präsenz zu spüren. Vielleicht könnten wir dann noch gemeinsam was singen. Und vielleicht würde sie mir ihr momentanes Lieblingslied verraten…

Was kann eine Künstlerin von Romy Schneiders Werk und Leben mitnehmen?

Mut zum Aufbruch, zur Emanzipation und zum Folgen der Intuition, auch wenn dadurch Erwartungen anderer nicht erfüllt werden.

Romy Schneider hat auch viele Interviews gegeben. Gibt es ein Interview, das Dich besonders anspricht und möchtest Du vielleicht ein Zitat hervorheben?

Hier möchte ich ein weiteres Mal das eingangs schon erwähnte Interview mit Alice Schwarzer nennen und folgendes zitieren:

„Ich habe keine Lust mehr zu lügen. Ich will endlich meine Wahrheit sagen.“ „Ich habe keine Angst mehr, mich gehen zu lassen oder mich frei zu fühlen.“

Darf ich Dich abschließend zu einem Romy Achrostikon bitten?

R         Rarität

O         Offenbarung

M        Mutter

Y         Ysop, eine Heilpflanze

Julia Gradl _Musikerin _ Wien _
acting Romy Schneider _
40.Todestag _ Romy Schneider, Schauspielerin (*1938 Wien +1982 Paris)

40.Todesjahr _ Romy Schneider, Schauspielerin (*1938 Wien +1982 Paris) _ im Gespräch und szenischem Fotoporträt:

Julia Gradl, Musikerin _ Wien

Interview und alle Fotos_Walter Pobaschnig _Wien_10.2022

https://literaturoutdoors.com

Walter Pobaschnig 10_22

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