









acting „Undine geht“ _ Erzählung_ Ingeborg Bachmann _ 1961
Liebe Peta, wie liest Du den Text „Undine geht“ von Ingeborg Bachmann? Welche Grundaussagen gibt es da für Dich?
Ingeborg Bachmann´s „Undine geht“ ist ein sehr moderner text, ich fühle mich direkt angesprochen, und er wirkt heutig auf mich. enttäuschte wut ist die grundhaltung, das Du, der andere, dieser Hans hat Undine´s erwartungen nicht erfüllt. wobei nicht passive verletzung die stimmung dominiert, auch keine anklage, sondern scharfe, schonungslose konfrontation und ein klares, direktes an- und aussprechen der misslage.









„Undine geht“ wurde vor 60 Jahren veröffentlicht. Was hat sich seit damals im Rollenbild von Frau und Mann verändert und was sollte sich noch ändern?
wenig. viel. alles. nichts.
ich denke, genau dieses spannungsfeld – das eben jetzt, 2022 die verschiedensten formen und facetten von frau-mann beziehungen möglich sind, ist die antwort. damals, denke ich, waren die menschen auch in ihren beziehungen mehr in äußeren normen und ideen, wie (privat)leben zu sein hat, festgefahren. heute gibt es alle möglichkeitem der beziehungsgestaltung, sie ist bei allen sozialen und moralischen vorstellungen mehr ins eigenverantwortliche verlagert, – mit den vor- und nachteilen dieser errungenschaft von freiheit.

Mir begegnen empathische, rücksichtsvolle, reflektierte männer und auch rüpel, besitzergreifend, so richtige machos, alles da.
ändern? Ändern! eine menge, wir sind gerade am beginn einer gleichberechtigungsbewegung, und sehr, sehr deutlich sind die gegenströmungen wahrnehmbar. ich denke, gerade an der gehaltsschere ist natürlich noch einiges zu verbessern, am grundrespekt und dem zugestänis von fähigkeiten, die wir frauen mitbringen und erlernen können und wollen.

andererseits ist da auch eine gewisse verunsicherung bei uns frauen, also, bei mir bemerke ich es, wie ich weiblich zugeschriebene gefühle wie rückzug und heim schaffen, mit dem außen und beruf verbinden, wo die eigenen aufgaben liegen. das ist bei mir permanent im wandel begriffen.
ich erachte es allerdings als glück, in einem land zu leben, wo freie meinungsäußerung und systemkritik ohne freiheitsstrafe (und schlimmeres) endet. deshalb sehe ich es auch als meine aufgabe, den mund aufzumachen. weil ich es kann. weil so viele frauen es nicht können. weil wir es so lange nicht konnten.

Der Monolog geht mit der patriarchalen Gesellschaftswelt schonungslos ins Gericht. Wie siehst Du die Situation patriarchaler Macht heute?
ich empfinde sie als durchwachsen. patriachale macht richtet sich ja zum gleichen teil gegen sich selbst, und dann auch gegen frauen. ich denke, es geht prinzipiell sehr viel um recht haben wollen, um beherrschen, es hat viel mit dem uns anerzogenen mangel-bewusstsein zu tun. das vergleichen, das neid schüren, das gefühl, der, die andere hat mehr, darf mehr, tut mehr und tolleres, das verlernen von zufriedenheit. da reckt man schnell mal die ellenbogen aus. patriachat bedeutet für mich den lebensfokus auf materielles zu richten, auf überbewertung von geld. haben-müssen, besitzen-müssen, dominieren-müssen, bestimmen-müssen. es fällt noch immer schwer, verschiedene denkmuster und kulturen nebeneinander zu akzeptieren, leben und leben lassen.

diese kämpferischen, eroberischen lebensweisen werden, obwohl wohl tief in uns verankert, durch die medien geschürt. auch das internet, die vernetzung kann mensch als übergriffe, als grenzüberschreitungen werten.

leider, und da beginnt der normale lebenskampf ins brutale zu kippen, der den boden für auch femizide, für untergriffige verbale attacken, fürs wegsperren, säureangriffe, vergewaltigungen ebnet, gibt es noch immer auch in unserer breiten die auffassung, MANN sei mehr wert als frau und MANN hat recht und rechte über frauen.






Der Text drückt auch viel Trauer über das Scheitern der Liebe und eines Miteinander von Mensch und Mensch im gesellschaftlichen Lebens aus. Welche Auswege siehst Du da?
ja, viel hoffnung lässt der text nicht zu. meiner meinung nach sind funktionierende beziehungen von hoher kompromissfähigkeit beider partner getragen, und einem hohen Grad an Toleranzfähigkeit. aber, ich rede jetzt von dingen, in denen ich selbst nicht gut bin.




Was kannst Du als Frau und Künstlerin von „Undine geht“ in das Heute mitnehmen?
die klarheit in der benennung von tatsachen, von missständen. es ist ein dogma gegen die schweigekultur, die zum teil zwar ein selbstschutz ist, aber auch gebrochen werden soll. muss. ich denke, wie sehr das im privaten stimmig ist, ist ein anderes kapitel, aber in kunst und politik ist es unendlich zwanzig nach zwölf.

Was bedeutet Dir Natur?
sehr viel. es ist mir das wichtigste überhaupt, um ressourcen aufzutanken, um ideen zu finden, zum durchatmen, atem holen. ich liebe es, einfach zu gehen. ich gehe sehr viel.


Wie kann der moderne Mensch in Harmonie zur und mit der Welt leben?
es geht wohl um ein realistisches einschätzen, wie weit das mit all dem gegebene fortschritt tatsächlich möglich ist, und da geht es sehr viel um auf sich selbst hören, die eigene bedürfnisse, und eben die umwelt, mensch wie natur.


wenn mensch einfach seine lebensnotwendigen bedürfnisse deckt, ist das ok.. es macht auch keinen sinn, so zu tun als ob wir nicht kulturellen und sozialen bedingungen ausgesetzt sind, das kind braucht den computer in der schule, und eine heiße dusche ist bei uns usus, nicht luxus. „zurück zur natur“, ein leben als „neue wilde“, das ginge nur in sehr radikaler lebensform eines einzelnen (außer, man zöge diesen stecker… 😉 es gab die erfindung der lok, des flugzeugs, rakete, atomkraftwerk, binnenschifffahrt…das können wir nicht wegträumen, so wir (als mitteleuropäische gesellschaft )wir es auch wollte.wolle wir? es gibt ausplünderung, es gibt immense kapitalistische interessen, es gibt die notwendigkeit, energie und strom zu fördern und es gibt verpackung über verpackung , plastik über plastik im supermarkt und es braucht wirklich kraft und wille, sich (vor allem letzteren) entgegenzustellen und alternativen zu finden, für sich selbst, für die gesellschaft.

das sind jahrelange, jahrzehntelange prozesse der bewusstseinsschaffung, aber es benötigt auch aktive, reale lösungsalternativen, und da mangelt es.

deshalb zieht es mich ja auch in die utopie des theaters – hier kann ich diese lösungen lebendig werden lassen, in einer kleinen momentaufnahme, in einem kleinen kleis der zusehenden.

Was braucht Liebe immer, um zu wachsen, zu blühen?
verständnis, achtsamkeit, respekt. und raum, (frei)raum, freiheit.

Was lässt Liebe untergehen?
altlasten, unverarbeitetes, eigene traumata, vorverletzungen, enge und zwänge, überhöhte erwartungen (ein problem gerade unserer zeit des selbst- und fremdperfektionismus, in der überhöhten erwartungen an alles, job, wohnung, partner, kinder, ….) uns nach dingen suchen lassen, die es gar nicht gibt (zum glück!).

Wie war Dein Weg zum Schauspiel?
durchwachsen und verschlungen. von der portraitfotografie in die bildende und performance kunst in diverse schauspielschulen, zur moderation von finanznachrichten, in die performance, zum zircus (ein ganz klein bisschen) und ins tanzen und immer mäandernd hin- und her…


Welche Berührungspunkte/Impulse mit/von Literatur gab es bisher in Deinen künstlerischen Projekten?
ich habe mir zumindest eine basis in dramenliteratur angeeignet, aber im gegensatz zu vielen kolleg*innen oder sonst theateraffinen menschen bin ich da nicht besonders belesen. ich habe grosse ehrfurcht vor diesen zeitreisen, diesen spiegeln, und was ich daraus lernen durfte ist die vergänglichkeit von prinzipien, hierachien, standesvorgaben, moralvorstellungen, gesetzgebungen, kleidungsstilen, werten., wie realtiv das alles ist, wie wandelbar.

Welche Impulse gibt es von der Natur für Dich persönlich?
ich liebe land art. von bildhauen hört man ja auch oft, dass im ausgangsmaterial die figur/skulptur schon vorhanden ist, und dass sie diese sozusagen nur befreien

Was bedeutet Dir das Element Wasser?
ich empfinde tiefe verbundenheit zu diesem element, nicht umsonst heißt die erde blauer planet und wir sind fast gänzlich wasser, für mich ist es medidationsort, träumort, und ich bin auch „nah am wasser gebaut“. ich lerne schwimmend (planschend 😉 text, mein klangkollektiv heißt LIQUIDinfinity. schwimmen ist für mich eine schöne möglichkeit, der materie und aller last zu entkommen. es befreit mich, und es macht mich glücklich. wenn man dick auftragen will, könnte man es fast mein lebenselixier nennen.

Wie lebst Du den Kreislauf der Jahreszeiten?
ehrlich gesagt ignorierend und durch die stromrechnung erinnert. bzw. durch rituelle feste wie ostern und weihnachten. also, ich bin eher in richtung kälte resistent, warme oder sogar heiße zeiten fordern mich heraus, was stimmung und auch lern- und leistungsfähigkeit betrifft.















Welches Zitat aus „Undine geht“ möchtest Du uns mitgeben?
es gäbe so viele nennenswerte stellen, gerade auf den ersten seiten. gut, ich entscheide mich für:

„Nie wart ihr mit Euch einverstanden. Nie mit euren Häusern, all dem Festgelegten. Über jeden Ziegel, der fortflog, über jeden Zusammenbruch, der sich ankündigte, wart ihr froh insgeheim. Gern habt ihr gespielt mit dem Gedanken an Fiasko, an Flucht, an Schande, an die Einsamkeit, die euch erlöst hätten von allem Bestehenden. Zu gern habt ihr in Gedanken damit gespielt.“

Darf ich Dich zum Abschluss zu einem Achrostikon zu „Undine geht“ bitten? (Wortassoziation zu der Buchstabenfolge – U=Stichwort, N=…..)
und

nachher,

danach

in

neuer

einsamkeit

geht

er

heuchlerisch

träumen vom großen glück






acting „Undine geht“ _ Erzählung_ Ingeborg Bachmann _ 1961
Station bei Ingeborg Bachmann_“Undine geht“:
Peta Klotzberg, Schauspielerin, Sängerin, Klangkünstlerin _
acting „Undine geht“ _ Erzählung_ Ingeborg Bachmann _ 1961
Performance/Choreographie/Kostüm_Peta Klotzberg
Regie_Walter Pobaschnig
Ort_Donau/Wien
Interview und alle Fotos_Walter Pobaschnig _Wien_7/2022.
Walter Pobaschnig 8_22