„Literatur muss das Wesentliche ausdrücken“ Andreas Praller, Schriftsteller _ Hamburg 18.8.2022

Lieber Andreas, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Ich wache auf und denke über die Interviewfrage nach, wie mein Tagesablauf aussieht. Und um sie gut zu beantworten, versuche ich, mich auf ebendiesen Tagesablauf zu konzentrieren: zum Beispiel auf das Kochen von Kaffee, auf die Gespräche mit meiner Freundin, die mich erfüllen –  ach ja: und mein Geld verdiene ich als Erzieher, ich arbeite mit Grundschulkindern. In den Sommerferien bin ich mit meinen eigenen Kindern zum Haus meiner Kindheit gereist. Sie haben dort aufschlussreiche Entdeckungen gemacht!

Andreas Praller, Schriftsteller

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Für uns alle als Lebewesen ist es natürlich besonders wichtig, die Lebensgrundlagen auf unserem Planeten zu erhalten – da sind wir uns doch alle einig, oder?  Als Individuen ist uns nicht allen dasselbe (gleich-)wichtig –  genau deshalb, weil wir Individuen sind.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?

Was ist denn ein Aufbruch? Etwas bricht auf, was vorher verschlossen war, nicht sichtbar. Das ist ein Geschehnis. Und es ist ein Entschluss und eine Entschließung und eine Öffnung. Und es ist immer wieder etwas Neues.

Und „was wird dabei wesentlich sein“? Wesentlich wird dabei ein Wesen sein (an dem sichtbar wird, was Menschen sein können).

Und die „Rolle der Literatur, der Kunst“?  Der Literatur (als Kunst) kommt dabei keine Rolle zu, denn dies ist kein Theater, in dem Rollen verteilt und gespielt werden, sondern das echte Leben. Und darin muss auch die Literatur (als Kunst) nur sie selbst sein, also das Wesentliche ausdrücken: Das Wesen. Ich denke dabei an ein bestimmtes Wesen, und Andere denken an andere Wesen. Individuen ticken nicht synchron – und deshalb gibt es auch keinen kollektiven gesellschaftlichen „Aufbruch und Neubeginn“, wie die Frage suggeriert. Es ist ein punktuelles Phänomen – aber deshalb nicht weniger bedeutsam.

Was liest Du derzeit? 

Die Mitteilungen meiner Freundin! Und: Zeitungen, gute Zeitungen. Und: Niklas Luhmann – kommt bei mir immer wieder hervor, seit den Neunziger Jahren schon.

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

„…Und offenbar gab „es“ eine Zeit, in der Zeit und Raum noch auf eine geradezu minimalistische Weise eins waren. Und davor gab es noch nicht mal nichts, weil es kein Davor gab – genauso wie es nichts gibt, was nördlich vom Nordpol ist. Es gibt offenbar etwas, was sich uns nicht offenbart, was wir nicht ergründen können, weil es keinen Grund hat. Sicher ist jedenfalls, dass Menschen inzwischen ein Gerät konstruiert haben, mit dem sie (also wir) so weit in den Weltraum hinein schauen können, dass dies (aufgrund der Zeit, die das Licht braucht, um uns zu erreichen) zugleich bedeutet, in eine andere Zeit zurück zu schauen, in eine frühe Phase des Universums, als die Elemente entstanden, aus denen alles entstehen würde, also auch wir selbst – eine irritierende Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen. Was bedeutet das jetzt für unser Leben? Zunächst einmal, dass es einfach erstaunlich ist: Diese Entstehung von letztlich aus Sternenstaub entstandenen Stern-Entstehungs-Beobachtern…“

Vielen Dank für das Interview lieber Andreas, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute! 

5 Fragen an Künstler*innen:

Andreas Praller, Schriftsteller

Foto_privat.

4.8.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com

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