Liebe Ronja, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Also jetzt-jetzt? Oder allgemein?
Jetzt und die letzten Tage habe ich keinen Tagesablauf, weil ich mich seit dem ersten Tag der Theaterferien mit Corona zuhause befinde und einfach in den Tag hineinlebe – mit der Hoffnung, dass der zweite Strich auf meinem Test endlich nicht mehr auftaucht.

in „Emil und die Dedektive“
Und allgemein: Da ich an einem Repertoiretheater mit kleinem Ensemble spiele, bin ich sehr eingespannt. Was aber nicht heißt, dass es sowas wie einen Rhythmus gibt. Das merke ich immer, wenn ich versuche mit jemandem extern einen Termin zu vereinbaren. An einem normalen Arbeitstag stehe ich gegen 8h auf, frühstücke in Ruhe und die Probe beginnt um 10h. Zwischen 14 und 19h habe ich Mittagspause und dann nochmal Probe bis 22h. Dazwischen wird Text gelernt, die Probe nachbereitet, gekocht und gegessen. Das geht so von Montag bis Samstag (wobei wir Samstag abends nicht proben, sondern meistens eine Vorstellung spielen). Wenn wir morgens eine Kindervorstellung spielen, stehe ich meistens um 6h auf, bin um 8h im Theater um mich aufzuwärmen, vielleicht noch Einsingen mit den Kolleg*innen und um 9.30h geht’s auf die Bühne. Bei Abendvorstellungen ähnlich, da bin ich zu meiner Maskenzeit im Theater. Und da wir Frauen meistens die ersten in der Maske sind, ist das auch mal vor 18h….

Im Sommer spielen wir manchmal auch im Theatergarten, dann aber erst um 21h, da kommt also nie ein richtiger Rhythmus auf. Und wenn ich in einem Stück nicht mitspiele, oder in einer Szene nicht dran bin, dann habe ich auch mal spontan frei.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Zusammenhalten, das Gute sehen und uns gegenseitig eine Stütze sein. Spaß haben und Liebe verteilen. Menschlich sein.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt
dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?
Ich denke, wesentlich wird, dass wir endlich verstehen, wohin uns unser Individualismus führt und dass wir eben nicht alles haben können. Wir müssen lernen, Abstriche zu machen, wenn es um das Wohl Aller geht. Das bezieht sich auf Corona, auf die Umwelt, auf den Krieg und seine Folgen und eigentlich auch auf alles andere.
Und Theater hat da meiner Meinung nach – wie immer – die Aufgabe, einen Spiegel vorzuhalten und auch zu provozieren, um zum Umdenken anzuregen. Aber genauso ist unsere Aufgabe, Hoffnung zu schenken, eine Ausflucht zu bieten und Menschen für einen kurzen Moment in eine andere Welt mitzunehmen und ihnen Freude zu bringen. Und das Schönste ist ja, wenn die Freude überschwappt und wir selbst genauso viel davon haben, wie das Publikum.

Was liest Du derzeit?
Ich muss gestehen, dass ich privat sehr wenig lese. Deshalb ist mein aktueller Lesestoff das nächste Stück, das auf dem Spielplan steht: „Kabale und Liebe“.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Ich möchte euch zwei Zitate mitgeben. Das Erste ist ein kurzer Dialog aus meinen Lieblingskinderstück „Nur ein Tag“ (Martin Baltscheit), das allen Mitwirkenden eine große Herzensangelegenheit ist:
Fliege: Gehen wir an die Arbeit.
Wildschwein: Welche Arbeit?
Fliege: Wir machen ihn glücklich.
Fuchs: Oh, gute Idee!
Wildschwein: Äh, versteh ich nicht.
Fliege: Na Glück! Das hat jedes Lebewesen verdient.
Wildschwein: Liebe kleine Fliege, das ist ja ganz reizend von dir, aber…
Fliege: Keine Widerrede, wer nur einen Tag hat, braucht das ganze Glück in 24
Stunden. […] Also, gehen wir das Glück suchen!
Das zweite Zitat kommt aus dem Jugendstück „Freie Wahl“ (Esther Rölz), das
mich jedes Mal sehr aufwühlt:
Bruno: Uns fehlt’s an Demut vor der Schöpfung.
Denise: Vor wessen Schöpfung?
Bruno: Scheißegal. Wir haben nur die eine.

Vielen Dank für das Interview liebe Ronja, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Theaterprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Ronja Jenko, Schauspielerin
Fotos_1 Petra Lulei ,2,4,5 Julia Fenske; 3 Markus Scholz; 6 Ute Seidel.
22.7.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.