„Lüg mich an und spiel mit mir_Pension Europa 2_“ Begeisternde Uraufführung_Aktionstheater Ensemble _ Werk X_Wien 2.6.2022

Da ist das Weiß. Der leere Raum. So beginnt es. Für alle. Da und dort.

Und dann kommen die Menschen. Suchen ihren Platz. Zum Da-Sein. Da und dort.

Doch wo hinsetzen? Wo war ich gestern? Wo ist heute? Da und dort.

Dann die Worte. Das Sehnsüchtige, Verzweifelte und Unverstandene. Lass mich erzählen. Da und dort.  

Und dann die Gewalt. Plötzlich. Das Blut. Es färbt das Weiß. Da. Zwischen uns. Die Worte, die Fäuste, die Waffen zwischen uns. Tag um Tag. Da.

Am Himmel die Bilder des Krieges. Dort.

Es gibt kein Weiß mehr.

Wo fängt es an? Vielleicht in der Lüge? Im Miteinander. Da und dort.

Jetzt gilt es zu suchen. Weiterzusuchen. Im Dunkel. Da und dort. Bis die Musik endet.

Da und dort….

Mit seiner neuesten Produktion gelingt dem Aktionstheater Ensemble eine großartige Verbindung des gesellschaftlichen wie individuellen belastenden Panoptikums der Gegenwart in Herausforderung, Ratlosigkeit, Scheitern und Hoffnung mit einem geschichtsphilosophisch-existentiellen Entwurf der Frage des Grundes und der Wiederkehr von Gewalt und des Scheiterns im Miteinander.

Der Ausgangspunkt dieser Fragestellung, die schonungslose Darstellung der Realität der Existenz in Sehnsucht, Lüge und Gewalt, wird dabei in einzigartiger Darstellungskunst gleichsam auf die Bühne geschmettert – so ist der Mensch – „der Wille zur Macht“, der Fuchs, der alle tötet, aus Lust. Eine Lust, die einen Anfang hat. In der Kindheit, im Trauma. Im scheinbar „Kleinen“. Und im Großen. Der Verdrängung von Geschichte und deren Wiederkehr.

Und wie kommt es nun zur Formulierung der Frage nach dem Ursprung von Gewalt?

Der geniale Kunstgriff der Inszenierung wie Darstellung ist, dass es um Aufmerksamkeit für das Leben, das alltägliche Leben, geht und das eben in dieser Aufmerksamkeit für den Menschen in Wort, Bewegung, Moment, die in tiefster Sehnsucht eine Suche nach dem Platz in der Welt sind, diese Frage täglich gestellt wird. Gleichsam „in der Hölle des Anderen mit mir“. Die Frage nach dem Grund von Gewalt und Krieg ist immer eine nach dem alltäglichen mitmenschlichen Krieg, der dann im bewaffneten „Gemetzel“ an die Oberfläche der Gesellschaft tritt. Wie es auch Ingeborg Bachmann formulierte – „Es herrscht Krieg, alltäglicher Krieg.“ Die Inszenierung öffnet hierfür eine schonungslose Aufmerksamkeit und Analyse in unglaublich intensiven Theatermomenten und es ist einzigartig wie der ausverkaufte Saal ganz still wird und man sprichwörtlich die Stecknadel fallen hören könnte.

Das Aktionstheater Ensemble begeistert einmal mehr mit einem Stück, das in einzigartiger existentieller Wucht packt und in seiner Dynamik, im rasanten Wechsel von Ansprache, Bewegung und Stille, wie großartiger Musik in variantenreicher Akzentuierung, begeistert.

Genial ist auch die Sichtbarmachung der Zerbrechlichkeit wie Zartheit des Menschen in seinem inneren Anspruch von Selbstbewusstsein und der Unsicherheit dieses Versuches. Wie dies auf der Bühne in Sprache, Gestik, Mimik, Bewegung von Händen und Körpern im dialogischen Spiel ausgedrückt wird, ist höchste Inszenierungs- und Darstellungskunst. Diese existentielle Ambivalenz von Mitteilung, Öffnen wie Verbergen, Zurückzuziehen ist feinste Psychoanalyse von Körper und Geist – einmalig!

Es ist bestes Theater, das unbändig mitreißend spielt, zum Lachen und Weinen bringt und schonungslos Fragen nach Mensch und Gesellschaft, Krieg und Frieden mit dem Zeigefinger nach innen stellt.

Danke für diesen Theaterabend!

Lüg mich an und spiel mit mir

Pension Europa 02

Uraufführung von Martin Gruber und aktionstheater ensemble 

Eine Produktion des aktionstheater ensemble in Koproduktion mit dem Bregenzer Frühling der Landeshauptstadt Bregenz und dem Vorarlberger Landestheater. In Kooperation mit Werk X

Do. 2. Juni 19:30 Uhr Premiere

Fr. 3., Sa. 4., So. 5., Di. 7., Mi. 8. Juni jeweils 19:30 Uhr

im Werk X, Oswaldgasse 35a, 1120 Wien

Karten: reservierung@werk-x.at, T +43 1 535 32 00-11,
http://werk-x.at & www.aktionstheater.at

Walter Pobaschnig 6_22

Alle Fotos_Walter Pobaschnig

https://literaturoutdoors.com

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