„Ist das System Theater noch zeitgemäß?“ Jan Meier, Direktor Kostüm, Maske &Garderobe_ Salzburg 28.5.2022

Lieber Jan, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Der Tag beginnt mit dem Wecker klingeln um 6.00, je nach Form wird dann noch eine Zeit gesnoozed. Café, Bad, Müsli und los zur Arbeit. Hier gilt derzeit höchste Flexibilität, denn was man minutiös geplant hat, kann am nächsten Tag schon wieder ganz anders sein, aber ich bin ein ruhiges Gemüt, behalte alles im Blick, bin schnell im Reagieren und ich hoffe das sich das auch auf die Kolleg*innen überträgt. Es ist viel Orga, Absprachen in der Abteilung und im Haus und Kommunikation.

Jan Meier_
Direktor Kostüm, Maske &Garderobe; Kostüm-und Bühnenbildner

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Das ist schwer zu sagen. Vielleicht Ruhe bewahren und Vertrauen haben denke ich. Auf den anderen schauen, zuhören und auch mal alle Neune gerade sein lassen. Es bringt nichts, wenn wir uns in diesen Zeiten auch noch gegenseitig fertig machen. Auch wenn es sehr schwerfällt.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater, der Mode, der Kunst an sich zu?

Diese Frage ist ja schon fast philosophisch. Es gibt viel zu viele Dinge, die jetzt gleichzeitig gemacht gehören, meiner Meinung nach hat sich die Menschheit in ihrer Welt in eine ganz gefährliche Lage gebracht. Wir leben in einer Zeit des Überangebots, der Überinformation, wir haben alles, wissen alles und alle wollen ein Stück abhaben und ihre Meinung kundtun, wo soll man da anfangen? Ich denke ein Großteil der Gesellschaft ist froh, wenn sie ihre Miete noch zahlen können und sich was zu essen leisten können. Die Schere wird immer größer, kann das ein Sozialstaat auf Dauer aushalten? Kann eine Gesellschaft das aushalten? Wie steuert man dagegen? Was ist relevant. Konsum und Verzicht liegen nah bei einander, denn alles hängt von einander ab.  

Wir sollten meiner Meinung nach alle versuchen bewusster leben. Einfach nachdenken bevor man handelt. Ich glaube dies sollte auch in der Schule gelehrt werden, wie gehen wir mit unseren Ressourcen um. Muss es Läden…wie sie alle heißen, geben. Haben es nicht genau diese Konzerne in der Hand etwas zu verbessern; Rohstoffgewinnung, Herstellung, Produktionsbedingungen, Lieferketten etc. Muss hier nicht ein Umdenken beginnen? Z.B. Die fünfzehnjährige Schülerin wird es nicht machen, sie möchte flotte Klamotten haben um in ihrer Clique dabei zu sein, und für die nächste Party gibt’s was neues….  Ich nehme mich gar nicht aus. Ich konsumiere auch zu viel, aber mir wird es immer bewusster und ich fange an mich zu ärgern, wenn es mir passiert. Denn ich hatte das Glück das ich so aufgewachsen bin, wir hatten einen Schrebergarten (quasi Selbstversorger), sind einmal die Woche auf´s Dorf zum Metzger und Bäcker und haben den Wochenvorrat eingekauft. Ich weiß wie eine Kuh geschlachtet wird (auch wenn es mit 6 recht traumatisch war).

Es sollte wieder Werte geben. Nur wer kann die vermitteln? Ist es die Kunst? Ist sie nicht für den Großteil unerreichbar und ebenso elitär. Das Theater, wen spricht man dort an? Das Abo Publikum und Sprech-und Musiktheater Fans? Es gibt bestimmt immer wieder gute Bewegungen, aber am Ende stehen sich die Theater selbst im Weg, es geht immer um den schnöden Mammon, öffentliche Etats werden gekürzt und das erstaunliche ist, es wird immer mehr produziert, anstelle das Geld was da ist zu nehmen und gute Bedingungen zu schaffen, denn die Belastung ist bald für viele nicht mehr auszuhalten. Es ist ein Teufelsrad und irgendwann bricht die Achse. Ich bin gespannt was ist, wenn jetzt langsam die „Junge Generation“ in die Leitungsetagen Einzug hält. Ist das System Theater noch zeitgemäß? Sind Vertragsformen noch zeitgemäß? Ist das herrschende Patriarchat noch zeitgemäß? Vertraut das Theater noch auf seine Mittel? Es ist immer live und du kannst nicht einfach schneiden, wenn ein Fehler passiert, du kannst nicht auf die Pausentaste drücken und dir ne Cola holen. Ich beschäftige mich schon lang mit den Themen Führung, Entwicklung und diversen Arbeitsformen. Nun habe ich mich entschlossen eine Ausbildung in Organisationsentwicklung und Beratung zu machen. Vielleicht schaffe ich es meinen kleinen Beitrag zu einem Umdenken in diesem Bereich beizutragen. Uff das war jetzt lang, sorry, aber es könnte bestimmt noch weitergehen. J

Was liest Du derzeit?

Rutger Bregman „Im Grunde gut“, Thomas Schmidt „Macht und Struktur am Theater“, Daniel Schreiber „Allein“; Xavier Bayer „Geschichten mit Marianne“, Sebastian Fitzek „Der erste letzte Tag“

Die gehe ich immer nach Lust und Laune an und lese gern parallel.

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Aus der Jugendtheaterproduktion „Ich lieb dich“ von Kristo Šagor

# mit all dem Mist und all dem Schönen #

Ich finde dieses Zitat sagt grad alles aus und hat mich sehr berührt.

Vielen Dank!

Ebenso

Jan Meier_
Direktor Kostüm, Maske &Garderobe; Kostüm-und Bühnenbildner

Vielen Dank für das Interview lieber Jan, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Theater-, Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

5 Fragen an Künstler*innen:

Jan Meier_ Direktor Kostüm, Maske &Garderobe; Kostüm-und Bühnenbildner

Fotos_privat.

3.5.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com

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