„Kunst kann alles“ Carsten Klook, Schriftsteller _ Hamburg 27.4.2022

Lieber Carsten, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Ich wache meist sehr früh auf und setze mich dann spätestens um 4.30 Uhr morgens an den Schreitisch. Das b esse ich zum Frühstück, trinke Kaffee und bleibe bis zum Mittag dort sitzen, um mein Interesse zwischen -net, Büchern und Manuskripten wandern zu lassen. Das geht dann bis circa 18.00 so weiter bis ich von Grunz auf beleidigt (Grundsicherung), den Fluchtweg vom Briefkasten zum TV antrete. Meist ist nix drin. Da mache ich lieber zwei Zeichnungen und prüfe mit einem Handgriff den strammen Sitz der sechs Saiten auf der Telecaster. Zwischendurch Telefonate, Supermärkte, Straßen, Schulterblatt, PflegerInnen, Tabletten, Fitnesscenter, Maskenwechsel, Schanze, Taxifahrten, Arztbesuche, Online-Einkäufe. Später gemütliches Absacken zwischen Abs-inth-ackern und *Innen. Nach außen hin nimmt’s eher ab. Jedenfalls gerade in der an- und abschwellenden Pandemie. Hin und wieder gibt’s auch Mal eine Lesung für zwei bis drei Personen.

Carsten Klook, Schriftsteller

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Einzusehen, dass wir alle sehr verletzbar sind und wie schnell wir am seidenen Faden hängen können. Und trotzdem dabei stark zu bleiben und zu tun, was noch möglich ist.

Und zwar nicht wegen verhängter Corona-Maßnahmen, sondern aus Trotz und Gegenwehr zu den Versprechen, die nach einer Wahl von den Parteien schnell vergessen sind. Es geht eben in erster Linie doch immer nur ums Geld, dass das Motiv für Handlungen abgibt. Wichtig ist, an diesem Trauerspiel nicht zu verzweifeln und die Lust am Leben nicht zu verlieren. Denn Lust ist wunderbar. Schöner als Geld und dessen Mangel.

Und also: Freedom of speech! Der Kampf um Meinungsfreiheit beginnt aber nicht erst dort, wo sie eindeutig verboten ist. Sondern bereits hier direkt bei uns in den Medien und Verlagen, in die man nicht wirklich ganz hineinkommt, weil diese mit der funktionalisierten Meinung und der Form, in die diese gegossen ist und geäußert wird, auch wieder in erster Linie Geld verdienen wollen. Selbst das Setting, das in einem Text aufgeschlagen wird, kann insofern verboten werden, weil es bei Nichtverlegen zum Ausschluss an der Teilnahme vom Markt führt. Nicht nur jede Themenwahl,  jedes (Satz-)Zeichen ist politisch und kann als zu prekär oder zu intellektuell und somit für den Konsum als unbrauchbar deklariert werden – von denen, die die Produktionsmittel besitzen oder im Namen derer glauben, handeln zu müssen.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?

Kunst kann die Sensitivität des Menschen fördern und ihn sich seiner selbst gewahr werden lassen. Und das sein, wonach wir uns die ganze Zeit gesehnt haben: ein Bart in der Menge. Nur nicht der des Profit-Propheten.

Kunst kann aber auch der Schmelz sein, der unseren inneren Seehund ins Eis zieht und ihn dort fast zum Ertrinken bringt. Kunst kann alles. Daher darf man ihr nicht den Spaß verderben.

Was liest Du derzeit?

Die Stäbchen zwischen den Fragen. Kurz zuvor: die Codenummer auf dem 2 Euro-Verbilligungs-Bon  für den erneuten Burgerkauf vom Burgergeld. Wenn ich nicht an meiner AUTOBIOGORAPHOBIE und meinem entstehenden Poesie-Band REGELWIDRIGIDE TAGESSÄTZE arbeite, lese ich „Blank Generation“, die stellenweise erstaunlich literartistische Autobio von Richard Hell, dem miesen Bassisten und energischen Sänger aus der Frühphase der CBGB-Punkszene Mitte der Siebziger in New York. Zudem stöbere ich im neuen Roman „Null“ von Gine Cornelia Pedersen und schlage, was auf den Tisch kommt und dann unter den Nägeln unweit der Lebenslinie im Handteller brennt: Francis Ponge – „Der Tisch“. Mein Spielfeld eben. Dazu höre ich immer wieder rein in „Finn’s Hotel“ von James Joyce auf CD und taste mich langsam durch die artifiziell geschachtelten, recht vertrackten Geschichten mit extremer Wortspiel-Dichte.

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

a) „Sein Binsenweisheitszahn lockerte sich proportional zu seinen fester werdenden Überzeugungen.“ b) „Wie sag‘ ich’s meinem Unterbewusstsein?“  c) „As the veneer of democrazy starts to fade“ (Mark Stewart & The Maffia) d) Genugtuung durch Wahrheit!

Carsten Klook bis auf c)

Vielen Dank für das Interview lieber Carsten, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

5 Fragen an Künstler*innen:

Carsten Klook, Schriftsteller

http://www.carsten-klook.de/

Foto_Jakob Boerner.

2.11.2021_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com

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