Liebe Christina, wie sieht jetzt dein Tagesablauf aus?
Als Künstlerin und Mutter von 2 kleinen Kindern bin ich rund um die Uhr gefordert- Das ist manchmal nicht leicht, aber machbar. Ich brauche nicht mehr so viel Schlaf wie früher, um mich fit zu fühlen- und habe über die Jahre hinweg gelernt mit der Ressource Zeit sinnvoller umzugehen. Für mich steht in der Kunstproduktion Qualität immer noch vor Quantität.
Ich bin viel in der Natur, lasse mich von der Natur inspirieren- der Wald und einige Seen liegen vor meiner Haustüre. Meine Kinder klettern jeden Tag auf Bäumen und bauen Tipis. Es ist uns wichtig, dass sie so aufwachsen können- und für mich ist es der ideale Ort, mich auf die nächsten Ausstellungen vorzubereiten.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Jenen unter die Arme greifen, die es wirklich brauchen. Contenance. Herzenswärme. Nächstenliebe. Erdung. Den richtigen Fokus finden. Das eigene Wertesystem überdenken, und zurechtrücken. Viel in die Natur gehen, Kraft tanken, das Licht ins Leben lassen!

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Kunst an sich zu?
Fährt man bewusst durch viele Ortschaften Österreichs und öffnet die Augen dann wird man merken, dass die Rollläden alle heruntergefahren sind. Die Menschen lassen das Licht nicht mehr in ihren Lebensraum. Das ist sehr traurig, und ein Zeichen für eine kollektive Depression. Wo viel Licht ist, gibt es viel Schatten. Aber wenn das Licht aus ist, dann ist nichts mehr da.
Die Zahl der Selbstmorde ist stark in die Höhe gegangen, die Menschen sind verunsichert, sie sind völlig entwurzelt, und viele werden sprichwörtlich verrückt. Sie ertragen ihren Alltag nicht mehr, denn dieser hat sich ja verschoben. Also muss man sich selbst auch weiterbewegen.
Die Kunst könnte eine „neue“ Rolle fernab des Kunstmarktes bekommen. Damit meine ich nicht die NFT´ s, oder ähnliche Entwicklungen- die zugegebenermaßen in vielen Gesellschaftsbereichen spannend zu beobachten sind. „Jeder Mensch ist ein Künstler“- Vielleicht ist es ein Vordenker wie Beuys, auf den wir uns in diesen Tagen besinnen können.
Denn Kunst kann auch wieder zentrieren und erden- eine therapeutische Funktion haben, wenn Sie so wollen. Sie ist immer das Abbild der jeweiligen Zeit. Der Zugang zur Kunst sollte kein Privileg mehr sein- Jeder Mensch darf ein Künstler sein, wenn er möchte.
Auch die Kunst braucht wieder Licht, mehr denn je!

Was liest du derzeit?
Das kleine Einhorn Funkelstern, das Traumfresserchen,
Käthe Kollwitz- die Tagebücher 1908-1943.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest du uns mitgeben?
„Auf so manches in der Welt
Lernt der Mensch verzichten.
Was vom Leben übrigbleibt
Sind Bilder und Geschichten“
(Goethe)

Vielen Dank für das Interview liebe Christina, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an KünstlerInnen:
Christina Starzer, Künstlerin
Christina Starzer (tumblr.com)
Alle Fotos_ Alex Kiessling
22.4.2021_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.