Bei Erich Fried geht es immer um Aussicht, um ein Ausbrechen aus der Vereinnahmung durch Ideologie und Dogmatismus. In Leben, Gesellschaft, Politik wie Kunst und Liebe.
Unsere Gesellschaft zeigt in vielem einen Transfer von Agonie zu (unauflöslichem) Antagonismus. Der Kunst kommt hier eine bedeutende Rolle zu. Im Aufzublicken – Anzusprechen, auszusprechen und nicht zuletzt zuzusprechen – von Mut, Dialog und Empathie.
Ich integriere in meiner Kunst auch Lyrik direkt in meine Bilder. Worte als Versatzstücke zerrissener Nomen, verrissener Verben, zerschlissener Adjektive…es geht darum auch um ein kritisches Reflektieren von Sprache bzw. Sprachlosigkeit in unserer Gesellschaft.
Ich schätze es, ein Freigeist zu sein. Fried tat dies auch.
Sprache ist eine wesentliche Mitte meiner Kunst.
Die Lyrik ist eine für mich wichtige Ausdrucksform. Ich schreibe viel und interpretiere auch meine künstlerischen Arbeiten im bildenden Bereich lyrisch. Die Lyrik ist das literarische Medium der Freigeister, denn die Lyrik lässt so viel zu und auch offen. Gerade für den Leser, der kann seine eigenen Geschichten in die Lyrik legen. Die Prosa hingegen ist viel abgeschlossener, viel manifester.
Mich verbindet auch der unmittelbare Lebensraum mit Erich Fried. Ich habe Fried sozusagen wohnlich umkreist. In meiner Kunst ist es wohl genauso.
Fried hat Ende der 1940er Jahre seinen ersten Gedichtband veröffentlicht. In den 60er und 70er Jahren war er in seiner lyrischen Hochblüte. Wir haben daher in der Mode stilistisch auch jene Zeit als Setting hier in seinem Wohnhaus der Jugendjahre ausgewählt.
Es ist auch viel dunkle Vergangenheit hier in diesem Haus. Die Gedenksteine davor erinnern daran. Auch an den Vater des Dichters, der nach einem Gestapo Verhör starb. Erich Fried floh dann nach Belgien, England und überlebte.
An Erich Fried liebe ich so vieles und entdecke immer neues. Als Künstlerin, als Frau.
Fried hatte auch eine starke gestische Ansprache in seinem Gedichtvortrag wie dem Sprechen an sich. Es sind öffnende wie gleichsam ergreifende Gesten. Dieses Erfassen ist lebensunmittelbar wie wohl gerade symbolisch, ästhetisch zu verstehen. Das war eine spannende Herausforderung für die Inszenierung hier bei _Station bei Fried.
Die offene Hand ist aber auch immer eine suchende. Ein Wunsch nach dem Festhalten-Können. Ein Halt_Finden. Dies passt zu Fried wie der Geschichte des Hauses an sich.
Und es ist die Hand, die offen für das Finden und Ausdrücken ist. Das Wiederfinden, Zurückbringen.
Und das Aufschreiben. Was war. Was ist. Was sein könnte.
Auch was
auf der Hand liegt
muss ich
aus der Hand zu geben
bereit sein
und muss wissen
wenn ich liebe
dass es wirklich
die Liebe zu dir ist
und nicht nur
die Liebe zur Liebe zu dir
und dass ich nicht
eigentlich
etwas Uneigentliches will
Aber
solange ich atme
will ich
wenn ich den Atem
anhalte
deinen Atem
noch spüren
in mir
Erich Fried
Station bei Erich Fried _ Lola Lindenbaum, Künstlerin
http://www.lolalindenbaum.com/de/
Collagen/Gedichte/Installation _ Lola Lindenbaum
Walter Pobaschnig, Interview_Lola Lindenbaum
Foto_ Erich Fried_Archiv
Gedicht_Erich Fried
Alle Fotos _ Walter Pobaschnig
Ort_Kindheits-, Jugendhaus des Dichters Erich Fried in Wien.
https://literaturoutdoors.com/