„Literatur unterwandert das phrasenhafte Sprechen“ Leonie Romana Köhler, Schriftstellerin _ Berlin 17.12.2025

Liebe Leonie Romana, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Mein Tagesablauf ist ziemlich regelmäßig und strukturiert. Ich stehe oft schon zwischen 5 und 6 Uhr auf, manchmal auch früher, und trinke in Ruhe meinen Morgenkaffee, das ist eine Art Ritual. Wenn meine Tochter aufwacht, frühstücken wir und dann bringe ich sie in die Kita. Die begrenzte Arbeitszeit, die ich habe, versuche ich, möglichst effizient zu nutzen. Nachmittags hole ich meine Tochter wieder ab, wir fahren nach Hause etc. Abends wird immer vorgelesen. Meistens bin ich dann so müde, dass ich kurz nach meiner Tochter selbst einschlafe.

Leonie Romana Köhler, Schriftstellerin

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Gelassenheit, Wachsamkeit, Empathie

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?

Literatur/ Kunst ist unersetzbar. Sie unterwandert das phrasenhafte Sprechen und Denken, sie lässt Ambivalenzen zu, zeigt die Gleichzeitigkeit verschiedener oder sogar gegensätzlicher Dimensionen auf. Sie führt das Allgemeine, das in unserem Sprechen oft vorherrscht, auf seinen Ursprung zurück: Das Erleben der Welt aus der individuellen Perspektive. Und sie verbindet das Erkennen mit der Wahrnehmung, dem Unmittelbaren, dem Sinnlichen.   

Was liest Du derzeit?

„Vor ihren Augen sahen sie Gott“, von Zora Neale Hurston.

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

„Schriftstellerinnen und Schriftsteller sind mit ihrem ganzen Wesen auf ein Du gerichtet, auf den Menschen, dem sie ihre Erfahrung vom Menschen (oder ihre Erfahrung der Dinge, der Welt, ihrer Zeit) zukommen lassen möchten.“

(Ingeborg Bachmann in: „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“)

Leonie Romana Köhler, Schriftstellerin

Vielen Dank für das Interview, liebe Leonie Romana, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

5 Fragen an Künstler*innen: Leonie Romana Köhler, Schriftstellerin

Zur Person/über mich: Leonie Romana Köhler ist Autorin und Literaturwissenschaftlerin. Sie studierte Philosophie und Deutsche Literatur und promovierte mit einer interdisziplinären Arbeit an der Freien Universität Berlin. 2019 war sie Finalistin beim Ulrich-Grasnick-Lyrikpreis, 2023 belegte sie den dritten Platz beim Hanns-Meinke-Preis für junge Lyrik. Sie ist im Vorstand von Poesiekritik international, verfasst Rezensionen zu Lyrikbänden und veröffentlicht Texte (Lyrik und Prosa) in Zeitschriften und Anthologien.

Im Frühjahr 2026 erscheint ihr erster Roman Die Linie zwischen Himmel und Meer im dr. ziethen verlag.

Sie lebt mit ihrer Tochter in Berlin.

Fotos: Clara Kahn

14.12.2025_Interview_Walter Pobaschnig

https://literaturoutdoors.com

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