Liebe Evi, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Es gibt jeweils einen Theorie-Tag und dann einen darauffolgenden Kunst-Tag. Wenn es gut läuft. Am Theorie Tag wird an der Doktorarbeit in Philosophie geschrieben, am Kunsttag Videos oder Kostüme fabriziert. Manchmal funktioniert diese Abwechslung ganz gut, kann ich nur jedem empfehlen.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Tanz/Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?
Ein Neubeginn – persönlich wie gesellschaftlich – ist kein Punkt, an dem etwas einfach neu startet. Er ist eine Bewegung, in der das Alte sich durch seine eigene Überschreitung verwandelt. Bei Hegel wäre das die Vermittlung, in der ein Begriff zu sich selbst kommt, indem er sich negiert und wiederfindet; bei Deleuze das Werden, das nicht zurückführt, sondern ein Anders-Werden eröffnet.
Wesentlich wird deshalb die Fähigkeit sein, diese Prozesse auszuhalten: die Unruhe der Differenz, die Unabgeschlossenheit der Übergänge, die Offenheit dessen, was noch nicht Form geworden ist. Ein Neubeginn heißt, sich in der Bewegung selbst zu orientieren, im Schnitt, im Intervall, im „Noch-nicht“ – dort, wo Zukunft als Möglichkeit aufscheint.
Was liest Du derzeit?
- Die Naturphilosophie von Deleuze von Mathias Schönher
- Spinoza oder das Problem des Ausdrucks in der Philosophie von Gilles Deleuze
- Idee zu einer Philosophie der Natur von Friedrich Willhelm Joseph Schelling
- Francis Bacon: Die Logik der Sensation von Gilles Deleuze
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Ein Werden produziert nichts anderes als sich selbst.“
(Gilles Deleuze, Mille Plateaux, 1980)
Vielen Dank für das Interview, liebe Evi, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Kunstprojekte und persönlich alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen: Evi Jägle, Künstlerin
Zur Person/über mich: Evi Jägle schreibt eine Dissertation an der Universität Wien in Philosophie zum Thema des Gesamtwerks von Deleuze aus Sicht der Film-Bücher. Sie ist Doctoral Projektmitarbeiterin im FWFPEEK-Projekt „Art as Philosophy – Philosophy as Art“ [AR-822] unter Leitung von Arno Böhler.
Sie hat Kunst studiert an der Akademie der bildenden Künste Wien. Sie ist Video-Künstlerin für die Tanzgruppe Dans-Kias zB. für das Impuls-Tanz-Festival, Video Künstlerin für das Bernhard Ensemble des Off-Theater und war Video-Künstlerin für Kompanie Freispiel im Dschungl. Theaterstücke wurden realisiert zB. in den Cammerspielen in Leipzig mit ihrem Kollektiv philomation. Performances beispielsweise beim Performance-Philosophie Festival in Leipzig. Ausstellungen in der Fotogalerie WUK, CVPR AI Art Gallery in Seattle, Frauen Kultur-Labor in Bremen, Exhibit Wien.
Ihre Videos und Performances verbinden sich mit ihrer philosophischen Arbeit zu einem Suchen nach philosophisch-künstlerischen Ausdrucksmitteln im Ausgang von Deleuze.
Aktuelles Projekt mit Evi Jägle:

Tanz im Off _ zeitgenössisches Tanzfestival des OFF THEATERS!
13. – 19. Dezember 2025 _ Off Theater Wien
mit OFF TANZ Tirol, orgAnic reVolt, Ardan Hussain-Evi Jägle – Jan Barner, Tanz Company Gervasi, Julia Mariacher, Lîla Collective, Carla Schuler und Mami Kawabata.
https://off-theater.at/tanz-im-off/
Foto: Evi Jägle
Walter Pobaschnig 11/12/25