„Das größte Problem heute ist, dass es nicht genug Bildung gibt“ James Strauss, Flötist _ Wien 1.12.2025

Lieber James, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Mein Tag beginnt früh: Ich nehme mir Zeit, Flöte zu üben – arbeite an meiner Technik, gehe Repertoire durch und bereite Arrangements vor. Danach folgt oft das Studium von Musikliteratur oder das Durcharbeiten von neuen Programmen. Ich verbringe auch Zeit mit der Planung von Konzerten oder Aufnahmen, wie zum Beispiel dem Projekt zur Aufnahme der Werke des schweizerischen Komponisten Peter Mieg. Später treffe ich Kollegen oder Musiker, arbeite an Korrespondenzen, mit Orchestern, Konzertanfragen und Presse. Abends übe ich oft weiter oder nehme an Proben teil. Bevor ich schlafen gehe, denke ich an zukünftige Projekte oder Konzepte.

James Strauss, Flötist

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

In der heutigen Zeit, mit so vielen isolationistischen Tendenzen, bin ich sehr besorgt. Und ich weiß, dass ich nicht alleine bin. Die politischen Strömungen dieser Länder und jene … Das größte Problem von heute ist, dass es nicht genug Bildung gibt. Es gibt nicht genug Bildung in der Musik, das wissen wir schon lange. Aber jetzt gibt es auch nicht genug Bildung darüber, wer wir sind, was ein Mensch ist und wie er sich mit anderen seiner Art verbinden sollte. Das ist der Grund, warum Musik so wichtig ist. Isolationistische Tendenzen und Nationalismus in seiner sehr engen Form sind gefährlich und können nur mit einem echten Fokus auf die Bildung der neuen Generation bekämpft werden. Kultur ist wirklich das Wichtigste. Und auch in dieser kulturellen Gemeinschaft namens Lateinamerika, eine andere Art, die Dinge zu sehen. Aber das kann nur mit Bildung erreicht werden. Der Fanatismus, der in der Welt existiert, kann nur mit Bildung bekämpft werden. Die wirklichen Übel der Welt können nur mit einem Humanismus bekämpft werden, der uns alle vereint. Auch Dich.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen? Welche Rolle kommt dabei der Musik, der Kunst an sich zu?

Musik und Kunst haben in Zeiten des gesellschaftlichen Wandels eine entscheidende Rolle als Brücke zwischen Kulturen, Generationen und Herzen. Sie ermöglichen es uns, über Grenzen hinweg zu reflektieren, tiefere Gefühle auszudrücken und Werte zu hinterfragen. Musik und Kunst helfen uns, eine Weltgemeinschaft zu schaffen, in der das Gemeinsame über das Trennende gestellt wird. Der heutige globale Moment zeigt uns, wie wichtig es ist, in Bildung und Kunst zu investieren, um gegen Isolationismus und Intoleranz anzukämpfen. Sie sind eine Form der Heilung und eine Quelle der Verbindung.

Was liest Du derzeit?

Zurzeit lese ich Biografien großer Flötisten und Musiker, die den interkulturellen Dialog gesucht haben. Außerdem beschäftige ich mich mit philosophischen und musikwissenschaftlichen Texten, die uns helfen, die menschliche Natur und unser Verhältnis zueinander besser zu verstehen. In meiner Freizeit lese ich Bücher über Menschlichkeit, Frieden und die Rolle der Kunst in der Gesellschaft.

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

„Musik ist die Sprache, die keine Grenzen kennt – kulturelle, geographische, zeitliche. Möge sie Brücke, Trost und Freiheit sein.“ Diese Worte sprechen für sich: Musik und Kunst haben die Kraft, das Menschliche mit dem Universellen zu verbinden. Wahre Kunst ist nicht nur ein Spektakel – sie ist die Stimme der Seele, die Stimme der Menschheit. Kunst ist der einzige Weg, wie wir als Menschheit zusammenstehen können, um die Herausforderungen der heutigen Zeit zu meistern.

James Strauss, Flötist

Vielen Dank für das Interview, lieber James, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Musikprojekte und persönlich alles Gute! 

5 Fragen an Künstler*innen: James Strauss, Flötist

Zur Person/über mich: Biografie – James Strauss (Presseversion)

James Strauss zählt zu den markantesten und ausdrucksstärksten Flötisten seiner Generation – ein Künstler, der die Wahrnehmung seines Instruments neu definiert. Der in Brasilien geborene und in Wien lebende Musiker hat eine internationale Karriere aufgebaut, die sich über mehrere Kontinente erstreckt und durch einen unverwechselbaren Klang, technische Brillanz und eine außergewöhnlich charismatische Bühnenpräsenz geprägt ist.

Als Solist trat Strauss mit renommierten Orchestern in Europa, Amerika und Asien auf, darunter die Cappella Istropolitana, das Lithuanian National Symphony Orchestra, das Tele-Radio Moldova Symphony Orchestra, die Tucson Symphony Orchestra, die Rome Symphony Orchestra sowie die SONOVA – Symphony Orchestra of Northern Virginia. In Brasilien arbeitete er mit zahlreichen bedeutenden Sinfonieorchestern und avancierte zu einer der prägenden Stimmen der klassischen Flöte seines Landes.

Seine künstlerische Laufbahn umfasst zudem Kooperationen mit herausragenden Persönlichkeiten der Musikwelt, darunter der legendäre Komponist und Pianist Claude Bolling, mit dem Strauss international beachtete Projekte verwirklichte. Seine Diskographie spiegelt eine seltene Vielfalt wider – von Repertoireklassikern bis zu Weltersteinspielungen und Werken, die ihm gewidmet wurden.

James Strauss ist ein gefragter Gast bei internationalen Festivals, Radiosendern und Fernsehanstalten. Er trat unter anderem bei Tele Radio Moldova, Radio România Muzical, ORF , Radio France, Radio Classique , sowie verschiedenen Kulturkanälen in Europa und Amerika auf. Seine Interpretation verbindet die Eleganz der europäischen Tradition mit der expressiven Energie seiner brasilianischen Wurzeln – ein Markenzeichen, das sein Spiel sofort erkennbar macht.

Als Professor an der Wien Musik Akademie vermittelt Strauss seine künstlerische Vision an die nächste Generation von Flötistinnen und Flötisten: eine Synthese aus Humanismus, technischer Exzellenz und kulturellem Bewusstsein.

Unter Exklusivvertrag bei Universal Music entwickelt er derzeit großangelegte Projekte, darunter die Weltersteinspielung von Frühling’s Fantasia für Flöte und Orchester sowie eine umfassende Einspielung der Werke des Schweizer Komponisten Peter Mieg. Sein jüngstes Jubiläumskonzert im Musikverein – mit der Flöte als zentrales Instrument eines ausgedehnten Orchesterprogramms – wurde von der Presse als außergewöhnliches Ereignis wahrgenommen und unterstreicht seine Rolle bei der Erneuerung der Flötenpräsenz auf den bedeutendsten Bühnen Europas.

Mit einer Karriere, die Tradition, Innovation und eine tief menschliche künstlerische Haltung vereint, zählt James Strauss heute zu den einflussreichsten und inspirierendsten Flötisten der internationalen Musikszene.

Fotos: privat

Walter Pobaschnig 29/11/25

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