„Kunst stellt das Dringliche vor das Bequeme“ Anna Maltschnig, Schriftstellerin _ Wien 22.11.2025

Liebe Anna Maltschnig, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Die besten bzw. dringendsten Ideen fürs Schreiben kommen mir stets über Nacht bzw. am frühen Morgen, wenn das Denken noch unbeeinflusst von äußeren Einflüssen ist. Deshalb schreibe ich auch am liebsten vormittags oder in der Nacht, wenn die Stadt „schläft“.

Meine Woche ist sonst recht zweigeteilt. Werktags bin ich meistens im 7. Bezirk und am Wochenende pendle ich oft nach Kaisermühlen; derzeit genieße ich die Vorzüge und Gegensätze beider Welten.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig? 

Sich in Zeiten wachsender Polarisierung nicht auseinander dividieren zu lassen; innerhalb der eigenen Person nicht und auch andere nicht. Gleichzeitig bei aller Empathie für „Andersdenkende“, sich vom Mitgefühl auch nicht „völlig vereinnahmen“ zu lassen; das sehe ich als die hohe Kunst unserer Zeit an; sich darauf zurückbesinnen, was „Mensch sein“ letztendlich ausmacht und dabei auszuhalten, sich von abgestumpften Leidensgenossen als „naiv“ bzw. „Gutmensch“ schimpfen zu lassen.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu? 

Die Kunst fordert heraus, schaut hin, wo viele lieber wegschauen, sie sucht stets nach Wahrheit und stellt das Dringliche vor das Bequeme; Die Kunst hinterfragt und hilft Unbegreifliches zu abstrahieren; damit sich die Menschen in ihrem Alltag und Alltagssorgen nicht vollständig verlieren.

Was liest Du derzeit?

Bis auf den einen oder anderen Lebensratgeber, derzeit nicht viel. Mir fehlt in diesen hektischen Zeiten, zugegeben, etwas die Muße und Gelassenheit, mich 300 Seiten lang ungehindert auf die Gedankenwelt eines anderen einzulassen. Derzeit konzentriere ich mich darauf, mein unmittelbares Umfeld zu reflektieren (über das Schreiben von Gedichten). Das hilft mir ein wenig Distanz in all die emotionell aufgeladenen Momente, Meinungen und Medienberichterstattungen zu bringen und mir im Alltag etwas Bodenhaftung zu verleihen.

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

 Lebensmotto: „Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?“

Vielen Dank für das Interview, liebe Anna, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Kunst-, Literaturprojekte und persönlich alles Gute! 

5 Fragen an Künstler*innen: Anna Maltschnig, Schriftstellerin, Künstlerin

Zur Person/über mich:  Anna Maltschnig (Jahrgang 1980) lebt in Wien. Annas Spezialgebiet sind treffsichere Wortspiele und Kurzgedichte. Deren Inhalte drehen sich um (Kontroll-)verlust, menschliches Scheitern und die emotionale Schwebelage dazwischen. Wiederholte Veröffentlichungen v.a. in der Straßenzeitung „Augustin“. (www.annamaltschnig.com/poetry)

Walter Pobaschnig 13/11/25

https://literaturoutdoors.com

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