
Erinnerung an_ Barbara Frischmuth, Schriftstellerin *5.7.1941 Altaussee +30.3.2025 Altaussee
Interview _ Barbara Deissenberger, Schriftstellerin _ Wien
Welche Erinnerungen hast Du an Barbara Frischmuth als Kollegin? Gab es persönliche Begegnungen und wie hast Du diese erlebt?
Ich bin ihr nie persönlich begegnet, aber sie hat mich praktisch seit meiner Jugend mit ihrem vielfältigen Werk begleitet. Als erstes las ich „Die Klosterschule“ und fand darin nur allzu viele Parallelen zu meiner eigenen Klosterschulzeit. Während meiner Studienzeit wiederum ließ ich mich von ihren Romanen „Vergiss Ägypten“ und „Der Sommer, in dem Anna verschwunden war“ auf Reisen und Spurensuchen in orientalische Welten mitnehmen. Später bekam ich ihr saftig-sinnliches Geschichtenbuch „Die Kuh, der Bock, seine Geiss und ihr Liebhaber“ geschenkt, wo sie hinreißend hemmungslos den abtrusen Wendungen unserer Sprache mit ihren Zuordnungen von Tiernamen folgt. Dann entdeckte ich ihre Gartenbücher und erfuhr in Werken wie „Der unwiderstehliche Garten“ irrsinnig viel über Pflanzen, während ich gleichzeitig gierig ihre üppig poetischen Naturbeschreibungen einschlürfte. “Prodesse et delectare“ – Frischmuth verbindet dort auf höchstem Niveau nützliches Wissen mit sinnlich literarischem Genuss. In den letzten Jahren las ich ihren autobiografisch inspirierten Roman „Verschüttete Milch“ und ließ mich von der mit allen Wassern gewaschenen Autorin mitnehmen in die genuin kindlich wirkende Weltsicht einer Heldin, die glaubhaft auch Unglaubliches erlebt.

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Was macht für Dich das Werk von Barbara Frischmuth aus und wie ist dieses in die österreichische Literaturgeschichte einzuordnen?
Dass ihr Werk so reichhaltig ist und so vielfältige Genres umfasst – was ihr von Kollegen teilweise, etwa beim Fantastischen und den Gartenbüchern, auch vorgeworfen wurde. Sie hat neben Romanen, Erzählungen, Theaterstücken und Lyrik auch Fantastisches, Märchen, Kinder- und Jugendliteratur sowie eben Sachbücher, die als „Gartengeschichten“ aber kunstvoll zwischen Literatur und Sachbuch balancieren, geschrieben. Das Schöne dabei ist: Ich bin noch lange nicht durch mit Büchern, die ich von ihr lesen will und kann! Auf diese Weise lebt Barbara Frischmuth für mich und viele andere weiter. Man kann sich einfach nicht satt genießen an ihrem wunderbaren Werk und möchte noch und noch davon probieren. Die österreichische Literaturgeschichte wird durch das Schaffen dieser Maestra im höchsten Maß bereichert.

Gibt es ein Lieblingsbuch von Ihr und warum dieses?
Ich glaube, ihre poetisch-sinnlich-informativen-reflexiv-mystischen Erzählungen aus der Welt der Pflanzen haben es mir seit einiger Zeit am meisten angetan.

Welche Inspiration hinterlässt Ihr Schreiben, Ihre Weltsicht, Ihr Künstlerinsein?
Ich bin sicher, was die literarische Darstellung von Natur betrifft, auch durch sie zunehmend stilistisch auf das, was man heute Nature Writing nennt, gekommen. Die Tradition gibt es ja schon lange. Ihre Weltsicht ist für mich durch den offenen Blick auf das Andere und die ausführliche Beschäftigung damit gekennzeichnet – seien es nun orientalische alte und neuere Kulturen oder das Reich der Pflanzen. Dazu nimmt sie sich in ihrem Schreiben oft auch kein Blatt vor den Mund. Da kacken Katzen und furzen Frauen aufs aller Selbstverständlichste. Frischmuth war und bleibt eine Künstlerin, die literarisch alles drauf hat. Das ist ein hohes Ideal – inspirierend auf viele Arten und Weisen.

Gibt es ein Zitat/eine Textstelle von Ihr, die Du uns noch mitgeben möchtest?
Im Sinne ihres so unterschiedlichen Schaffens zwei, die ihre Bandbreite illustrieren mögen:
„Eine kleine Chrysantheme vom Wochenmarkt (…) verausgabt sich von einem Tag auf den anderen noch einmal wie im Rausch. In einer lodernden Farbe, der nur mit Staunen zu begegnen ist. (…) Ein ständiges Abschiednehmen, das als Gefühl in der Bewunderung ertrinkt. Was in Pflanzen wie diesen auf molekularer Ebene wohl passieren muss, um ihr Blatt- und Blütenleben in solchem Überschwang enden zu lassen? Gedanken für den Winter, wenn ich die biologischen Prozesse nachlesen kann. Jetzt schwingt alles, vibriert, zeugt von Üppigkeit und Verschwendung, von einem Sterben im Überfluß, das noch voller Begehren scheint und weiterhin wilde Bienen und Hummeln anlockt. Sex in old age.“
aus „Der unwiderstehliche Garten“
„Die Katze verschwindet hinter einem Vorhang, man kann sie in ihrer Kiste scharren hören. Gleich darauf fährt furzend die Scheiße aus ihrem Leib. – Hören Sie, sie hat schon wieder Durchfall. Zum Glück ist sie noch bis zu ihrer Kiste gekommen. (…)
Während ich (…) wartete, (…) begegnete mein Blick den Blicken der Passanten, landete in Augenwinkeln oder auf Nasenflügeln, glitt über straffe Jungmädchenhaut und über Faltiges oder zwängte sich unter die Ränder von Kopfbedeckungen, immer auf der Suche nach der Bedeutung, die etwas haben konnte oder vermitteln wollten.“
aus „Vergiss Ägypten“

*5.7.1941 Altaussee +30.3.2025 Altaussee
Barbara Frischmuth, Schriftstellerin
geboren 1941 in Altaussee, studierte Türkisch, Ungarisch und Orientalistik und war seitdem freie Schriftstellerin. Die mehrfach ausgezeichnete Autorin lebte seit 1999 wieder in Altaussee. Zu ihren größten Erfolgen zählen die Romane „Die Klosterschule“ (1968), „Die Mystifikationen der Sophie Silber“ (1976) oder „Kai und die Liebe zu den Modellen“ (1979), aber auch ihre zahlreichen Gartenbücher. Zuletzt im Residenz Verlag erschienen: „Natur und die Versuche, ihr mit Sprache beizukommen“ (2021)„Schaufel, Rechen, Gartenschere“ in der Reihe „Dinge des Lebens“ (2023) und „Die Schönheit der Tag- und Nachtfalter“ (2025). Der Residenz Verlag trauert um Barbara Frischmuth 31.3.2025

Barbara Deißenberger, Schriftstellerin _ Wien
Zur Person/über mich:
Weg zur Literatur
1970 in Niederösterreich geboren, ging ich zunächst den schmalen, mir vorgezeichneten Weg an Ausbildung bis hin zu Erwerbstätigkeiten. Jahre später verließ ich ihn, um meinen eigenen Weg zu finden. Ich landete als Au-pair in London und Paris und als Stewardess auf einem Kreuzfahrtschiff in der Karibik. Zurück in Österreich trieb es mich über den Zweiten Bildungsweg zur ausführlichen Beschäftigung mit Sprache: dem Studium Vergleichende Literaturwissenschaft und Französisch. Ein Selbsterhalterstipendium ermöglichte mir einige wunderbare Jahre intensiver Auseinandersetzung mit dem, was mich so brennend interessiert.
Nach dem Studium merkte ich schnell, dass es nicht so weiter geht. Auszeichungen in Studienabschnitten lassen sich nicht in spannende Berufstätigkeit ummünzen. Stattdessen hieß Geld verdienen wieder: Abstriche machen und meine Lebenszeit mit Dingen verbringen, die mich größtenteils nicht interessieren. Meine Notlösung hieß: Doktorarbeit. Beschäftige ich mich halt nebenberuflich noch einmal intensiv mit Literatur. Natürlich schrieb ich auch die ganze Zeit über Literatur. Aber davon kann man nicht leben und dafür erhält man keine Kranken- und Pensionsversicherung. Eine nebenberufliche Dissertation schien zumindest als Fluchtpunkt eine berufliche Besserstellung zu haben. Wobei ich unter „besser“ interessanter, meinen Neigungen und Qualifikationen entsprechender, verstand. Da hatte ich mich getäuscht. Ja, es war spannend, sich mit dem gewählten Thema „Romane von Exilschriftstellerinnen“ auseinander zu setzen, aber auch anstrengend, es als wissenschaftliche Arbeit zu guter Letzt neben dem Aufziehen meines Kindes fertig zu schreiben. Ich promovierte also, wurde schwer krank und erst danach vergönnte ich es mir, hauptsächlich Literatur zu schreiben. So entstanden nach den Publikationen in Zeitschriften und Anthologien, in den Stunden, wo mein Kind zur Schule ging, die beiden Romane „Malika“ und „Eine Geschichte in Weiß“. Mein dritter Roman ist auf dem Weg. Es bleibt spannend. (Barbara Deißenberger)
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Barbara Deißenberger _ aktuelle Bücher und Ausblicke:
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Der neueste Roman Barbara Deißenbergers gehört zum höchst aktuellen Genre Climate Fiction und erscheint voraussichtlich 2027.
Fotos_
Portrait Barbara Frischmuth: Franz Johann Morgenbesser
Fotos_Portrait Barbara Deißrnberger _ Staion bei Undine _ Walter Pobaschnig 10_23
Walter Pobaschnig 6.11.2025