Liebe Larissa, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Immer wieder anders – hangelnd zwischen Wissenschaft, Lehre, Literatur und Care-Arbeit. Meist aufstehen, frühstücken, schreiben oder arbeiten, mal zuhause, mal im Büro, mal in der Bibliothek. Zwischendurch essen, aufräumen, Mails beantworten, Zeit vertrödeln, träumen, es wird dunkel, schlafen oder mir wünschen, ich täte es.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Immer noch dasselbe wie vor 100 Jahren und vermutlich auch in 100 Jahren: Rücksichtnahme und Toleranz für andere Lebewesen und Lebensentwürfe, allen Schutz, Würde und Rechte zugestehen, auch Tieren und der Umwelt, notfalls dafür kämpfen, über den eigenen Horizont hinausschauen, sich selbst hinterfragen in seinen eigenen Vorurteilen und Bequemlichkeiten, immer und immer wieder.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Empathie und Verständnis für andere Perspektiven. Neugier und Offenheit. Vermutlich denken die meisten, einschließlich einem selbst, sie täten das Richtige und moralisch Beste. Trotz aller Offenheit nie zurückweichen hinter den wichtigsten Prinzipien.
Kunst, wie Literatur, fungiert seit jeher als Brücke zwischen den Menschen, eröffnet andere Perspektiven, vertritt Ideale, stiftet an, macht Mut, ruft im Kleinen zur Revolution auf. Nicht ohne Grund werden in Diktaturen oft als eine der ersten Maßnahmen die Bücher verboten. Als Wissenschaftlerin freuen mich natürlich auch ein paar Studien hierzu: Lesen fördert nachweislich sofort und messbar Empathie. Sie öffnet uns Türen zu anderen Lebenswelten, in die wir ohne Fiktion nie eintreten könnten.

Was liest Du derzeit?
Lichtungen von Iris Wolff.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach da zu sitzen und vor sich hin zu schauen. – Pippi Langstrumpf

Vielen Dank für das Interview, liebe Larissa, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literatur-, Kunst-, Wissenschaftsprojekte und persönlich alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen: Larissa Schleher, Schriftstellerin
Zur Person/über mich: Larissa Schleher, geb. 1993, lebt und arbeitet als Autorin, Dozentin und Wissenschaftlerin nahe Stuttgart. Als Residenzautorin in Vechta, in Düsseldorf und bei der GEDOK in Lübeck interviewte und fotografierte sie Menschen zu ihrem Leben und Europa. Auszüge daraus sowie weitere literarische Texte erschienen in ihren Büchern „Alltag“ und „Länder, das sind doch nur im Sand gezeichnete Linien“.
Homepage: www.larissaschleher.com
Instagram: larissa_schleher

Fotos: 1-4 Elia Luca Dylan Schmid; 5 Hartmut Bühler.
Walter Pobaschnig 9/11/25