Lieber Roman Seeliger, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ein Teil meiner Zeit ist einem juristischen Job gewidmet, den ich gewählt habe, weil mir das Talent zur Armut fehlt, die mit dem künstlerischen Risiko eines klassischen Pianisten und Kabarettisten mit leicht intellektuellem Touch verbunden sein kann. Da meine besondere Liebe der Musik, dem Theater und der Unterhaltung gilt, bin ich aber auch kreativer Pianist und Klavierkabarettist geworden. Ich schreibe und lerne praktisch täglich neue Programme meiner Klavier-Komödien.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Die Lage der Welt ist alles andere als beruhigend, kriegerische Auseinandersetzungen und gesellschaftliche Polarisierungen auf allen Ebenen machen mir Sorgen. Um den Optimismus nicht zu verlieren, ist für mich der Humor der Schalter, an dem wir drehen können. Ich meine damit nicht irgendwelche derben Witze, sondern Pointen, die uns – auch – über eigene Unzulänglichkeiten schmunzeln lassen.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Kunst an sich zu?
Die COVID-Pandemie hat uns gezeigt, wie sehr die einzelnen Bereiche unseres Lebens verzahnt sind. Die Kunst ist auch ein wirtschaftlicher Faktor, was schon wieder vergessen zu sein scheint. Denn: Die Wirtschaft leidet unter dem Wegfall von kulturellen Veranstaltungen, weil dann Umsätze und mit ihnen Abgaben für den Staat verloren gehen. Damit wird wieder das Geld in den Fördertöpfen für Kunst und Kultur knapp.
Die Kunst kann – mehr denn je – den Finger in die Wunde von Missständen legen und somit Impulse zur Verbesserung liefern. Dabei ist nach meiner persönlichen Einschätzung nicht mit der Brechstange vorzugehen, weil solche radikalen Aktionen in der Regel mehr zu einer Verkrustung bestehender Standpunkte beitragen als zu einer Entspannung. Wir müssen Äste biegen und nicht brechen. Ich bin daher nicht so sehr dafür, allgemein gültige Konzepte zu präsentieren, die es wahrscheinlich gar nicht geben kann, sondern zum Nachdenken anzuregen, damit zumindest Teile des Publikums beginnen, durch einen Perspektivenwechsel Dinge neu zu bewerten. Im Idealfall gelingt es, Menschen mit unterschiedlichen Grundpositionen zusammenzuführen.
Damit diese Chance auch in Zukunft genützt werden kann, muss die Freiheit der Kunst unbedingt verteidigt werden. Sie ist und bleibt neben anderen Grundrechten ein Gradmesser für das Funktionieren demokratischer Systeme.
Was liest Du derzeit?
Wieder einmal das Werk „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ von Karl Popper und Gogols Theaterstück „Der Revisor“, da ich in einer Produktion dieses Klassikers, in dem das Thema der Korruption komödiantisch verarbeitet wird, die Rolle des Stadthauptmanns spiele.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Im Scherz darf man sogar die Wahrheit sagen.“ (Wird Sigmund Freud zugeschrieben)
Vielen Dank für das Interview, lieber Roman, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Musik_Kabarettprojekte und persönlich alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen: Roman Seeliger, Pianist, Jurist, Kabarettist und Komponist
Zur Person/über mich: Roman Seeliger, Pianist, Jurist, Kabarettist und Komponist, schreibt seit über 10 Jahren Komödien, in denen er alle Figuren spielt und auch am Klavier ohne Double auskommt. Er tritt mit Programmen wie „Seeliger Beethoven“ oder „Veto gegen Keto“ regelmäßig auf österreichischen Bühnen auf. Musikalisch verbindet er dabei Stücke, die ursprünglich nichts mit einander zu tun haben. Hits der Gegenwart und Werke beispielsweise von Bach oder Beethoven verschränkt er zu einem neuen Ganzen. So entstand für das Straussjahr etwa sein Radetzky-Walzer. Näheres auf: www.klavierkabarett.com
Foto: privat
Walter Pobaschnig 15/10/25
