„Kunst lädt ein, in Offenheit, Kreativität und Achtsamkeit mitzugestalten“ Daniela Ölweiner, Künstlerin _ Klagenfurt 28.8.2025

Liebe Daniela Ölweiner, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Mein Tagesablauf ist nicht einfach zu beschreiben. Mein Alltag folgt keinem festen Plan.  Ich lasse mich von Tag zu Tag treiben. Ehrlich gesagt liege ich abends im Bett, schaue auf meinen Kalender und plane den nächsten Tag rund um meine anstehenden Termine.

Daniela Ölweiner, Künstlerin

Ich liebe diese Tage, an denen nichts im Kalender steht. Dann verbringe ich meine Zeit im Atelier, am See. An Orten, die mir Ruhe schenken und Raum für Kreativität lassen.

An den Tagen mit Terminen verlagert sich mein kreatives Arbeiten oft in die Abendstunden. Diese verbringe ich dann im Atelier oder zu Hause. Manchmal allein, manchmal gemeinsam mit kreativen Freund*innen. Solche Abende können tief in die Nacht hineingehen. Wenn ich einmal im Flow bin, vergesse ich alles um mich herum und genieße die Stille beim Zeichnen und Malen.

Daniela Ölweiner, folgende

Im Sommer nehme ich mir bewusst Zeit für Blumenwiesen und Spaziergänge durch die Natur. Der Sommer ist für mich die wichtigste Zeit im Jahr, denn ich bereite mich auf den Herbst und Winter vor. Da ich mit getrockneten Blumen arbeite, ist diese Jahreszeit essentiell. Doch mein Alltag besteht nicht nur aus Tun, sondern auch aus Staunen. Zum meinem Tagesablauf gehört es, fasziniert und aufmerksam zu sein für das, was mich umgibt: für die kraftvollen und intensiven Farben der Blumen, für Vögelformationen am Himmel, für das Glitzern des Sees im Sonnenlicht. Diese kleinen Momente berühren mich, nähren meine Kreativität und erinnern mich daran, wie lebendig alles ist.

Als Künstlerin kann jeder Tag zu einem neuen Abenteuer werden. Sei es ein Kunstprojekt, eine Ausschreibung, ein neuer Auftrag oder die Kunst, sich selbst immer wieder neu zu begegnen und kennenzulernen.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Ich glaube, was uns heute wirklich guttut, ist das Bewahren der Ruhe und ein liebevolles und verständnisvolles Miteinander.

Was ich besonders wahrnehme ist, das viele Menschen unserer Gesellschaft getrieben sind, von ständigem Input, sozialen Medien, Konsum, To-do-Listen und vollen Terminkalendern. Orte und Momente, in denen wir wirklich bei uns sind sind daher besonders wichtig. Nicht erreichbar sein. Nicht funktionieren müssen. Einfach nur sein, atmen, schauen, wahrnehmen, lachen, Neues ausprobieren, Zeit vergessen.

Zwischen all dem Lärm brauchen wir die leisen Räume, in denen wir wieder hören können, was in uns klingt. Für diese Antworten braucht es besonders verständnisvolle Mitmenschen, die einem Zeit schenken, zuhören und Geborgenheit schenken.

Vielleicht geht es genau darum: wieder spüren zu lernen, was wirklich zählt. Nicht das, was sich laut in den Vordergrund drängt , sondern das, was leise da ist, wenn wir still werden.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Kunst an sich zu?

Was dabei wesentlich sein wird, ist das Bewusstsein für Veränderung und die Bereitschaft, uns selbst und unser Umfeld neu zu entdecken. Es braucht Offenheit für Neues und den Mut, Schritte ins Unbekannte zu wagen. Gleichzeitig ist es wichtig, genau hinzuschauen und nicht alles gedankenlos zu übernehmen.

Ebenso wichtig ist es, das Bewährte nicht zu vergessen. Unsere Traditionen und das uralte Wissen, das oft eng mit der Natur verbunden ist, können uns Orientierung und Halt schenken. Das Gefühl, das entsteht, wenn wir etwas mit unseren eigenen Händen herstellen oder verarbeiten, ist kaum in Worte zu fassen. Dabei entsteht eine Verbindung zwischen dem, was wir tun, und dem, was wir sind. Selbst herzustellen bedeutet Verantwortung zu übernehmen., also bewusst mit Materialien, Ideen und Prozessen umzugehen.

Ein Beispiel für solch eine alte Tradition, die ich in meiner Arbeit weiterführe, ist das Pressen und Konservieren von Blumen. Die Arbeit mit getrockneten Pflanzen hat eine lange Geschichte. Man denke an Herbarien, an fein säuberlich gepresste Blätter in dicken Büchern, an getrocknete Blüten zwischen den Seiten alter Lexika. Für viele sind diese Erinnerungen mit der Kindheit verbunden, an Sommernachmittage bei der Großmutter und an das Staunen über die Formen und Farben, die sich beim Trocknen verändern.

Dieses einfache, stille Tun,  das Blumen sammeln, sortieren, pressen und bewahren, ist für mich Verbindung: zur Natur, zur Zeit und zur Erinnerung. Indem ich dieses alte Wissen in meine künstlerische Arbeit einfließen lasse, entsteht etwas Neues, das trotzdem seine Wurzeln kennt. Es ist ein zarter Dialog zwischen gestern und heute.

Meiner Meinung nach spielt Kunst im Prozess des Wandels eine ganz besondere Rolle. Sie ist nicht nur Ausdruck unserer inneren Welt, sondern auch ein Spiegel unserer Gesellschaft. Kunst schafft Räume, in denen Fragen gestellt und Visionen sichtbar werden können. Sie lädt uns ein, innezuhalten, zu reflektieren und neue Perspektiven einzunehmen. Gerade in Zeiten des Umbruchs ist es wichtig, das Unsichtbare sichtbar zu machen, das Unausgesprochene fühlbar zu machen und dabei auf wesentliche Werte zu erinnern.

Die Kunst öffnet Räume, in denen wir hinter die Kulissen blicken, das Verborgene spüren und neue Perspektiven entdecken können. Sie verbindet das Sichtbare mit dem Unsichtbaren, das Alte mit dem Neuen, das Innere mit dem Äußeren. Für mich ist die Kunst eine Einladung, den Wandel nicht nur zu erleben, sondern ihn aktiv mit Offenheit, Kreativität und Achtsamkeit mitzugestalten.

Kinder sind für mich ein ganz besonderer Schatz in diesem Wandel. Sie tragen eine natürliche Offenheit in sich, einen unvoreingenommenen Blick auf die Welt, der uns Erwachsenen oft verloren geht. Ihre Neugier und ihre Verbundenheit zur Natur sollten wir behüten und bewahren. Es ist essenziell, dass Kinder nicht von der Natur entfremdet werden wie technisierte, künstliche Umgebungen, die den direkten Kontakt zu Erde, Pflanzen und Tieren ersetzen. Stattdessen brauchen sie Räume, in denen sie barfuß über Wiesen laufen, im Regen tanzen und den Wind auf der Haut spüren können. Nur so können sie ihr natürliches Gespür für das Leben entwickeln und mit offenem Herzen in die Zukunft gehen.

Kunst kann Kinder wunderbar unterstützen, indem sie ihnen die Freiheit schenkt, frei und kreativ zu denken, sich mit sich selbst und anderen zu verbinden und ihre eigene Sprache zu finden. Durch das Spielen mit Farben, Formen und Materialien entdecken sie ihre Individualität und lernen gleichzeitig, Teil eines größeren Ganzen zu sein.

Was liest Du derzeit?

Zurzeit begleitet mich The War of Art von Steven Pressfield. Ein Buch, das mit erstaunlicher Klarheit über kreative Prozesse und innere Widerstände spricht. Und es trifft einen Punkt, den viele Menschen kennen. Nämlich, dass das größte Hindernis oft in uns selbst liegt.

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

“Art is not what you see, but what you make others see.” – Edgar Degas

Dieses Zitat zeigt, dass Kunst als Brück dienen kann. Eine Verbindung zwischen Menschen, zwischen inneren Welten und der äußeren Realität. Kunst ist nicht nur Ausdruck des Künstlers, sondern öffnet Türen für andere, sich selbst neu zu entdecken, Gefühle zu spüren und Perspektiven zu wechseln. Sie lädt uns ein, genauer hinzuschauen und das Verborgene sichtbar zu machen.

Vielen Dank für das Interview, liebe Danielaviel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Kunstprojekte und persönlich alles Gute! 

5 Fragen an Künstler*innen: Daniela Ölweiner, Künstlerin

Zur Person/über mich: Daniela Ölweiner ist eine zeitgenössische Künstlerin mit Sitz in Klagenfurt am Wörthersee. Schon immer von der Natur und ihrer Schönheit fasziniert, fließen florale Elemente organisch in ihre Werke ein.

Ihre einzigartigen Blumencharaktere sind eine spielerische Verschmelzung von Farbe, Form und Emotion – ein Ausdruck von Lebendigkeit und zarter Stärke.

In ihrer Kunst arbeitet sie mit getrockneten Blumen, die als symbolische Repräsentation für die emotionalen und charakterlichen Wurzeln eines Menschen dienen. Diese Blumen verleihen den Bildern einen individuellen Ausdruck, indem sie die vielfältigen Facetten der menschlichen Persönlichkeit und Gefühlswelt verkörpern. Sie machen sichtbar, was oft flüchtig und ungreifbar ist: die feinen Nuancen unserer Emotionen.

​Nach Jahren in der Selbstständigkeit fand sie ihren künstlerischen Weg über die Liebe zum Detail.  Neben Originalkunstwerken bietet die ausgebildete Pädagogin Workshops an, um Kunst greifbar zu machen und Menschen zu inspirieren.

https://www.kunst-oelweiner.com/info

Fotos: Daniela Ölweiner

Walter Pobaschnig 16/8/25

https://literaturoutdoors.com

Hinterlasse einen Kommentar