Liebe Dalma Sarnyai, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Heute (So 3.8.25, Anm.) ist der zweiwöchige Meisterkurs (isa – Internationale Sommerakademie der mdw) zu Ende gegangen, an dem ich teilgenommen habe. Ich war rund um die Uhr mit meinem Instrument beschäftigt, habe viele neue Impulse bekommen und neue Musikerfreundschaften geschlossen. Ich denke, in den nächsten Tagen wird mich diese Erfahrung innerlich noch weiter beschäftigen – das alles arbeitet ja nach.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Filtern und reflektieren lernen. In einer Zeit, in der uns eigentlich alles sofort zur Verfügung steht – vor allem Information – ist es wichtig, die eigenen Grenzen zu kennen: Was tut mir gut, und wo beginnt die unnötige Überforderung? Ich glaube, wir sollten lernen, nicht alles aufnehmen zu müssen, nur weil es da ist.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Musik, der Kunst an sich zu?
Musik ist ein essenzieller Bestandteil meines Lebens – es gibt kaum Momente, in denen ich nicht zumindest innerlich Musik höre. Für mich ist sie die bedeutendste aller Kunstdisziplinen, und das nicht nur, weil ich selbst in diesem Bereich tätig bin. Musik – und Kunst im Allgemeinen – bedeuten für mich, dass meine innere Welt durch etwas Abstraktes angesprochen wird: Gefühle werden erweckt, wiedererlebt oder ganz neu definiert. Wie ein Spiegel – für das, was wir erleben, denken oder auch verdrängen.
Ich finde, Kunst hat die Kraft, dem Alltag neue Farbnuancen zu schenken und dabei zu helfen, sich selbst besser kennenzulernen.
Außerdem hat Kunst für mich nicht nur eine persönliche, sondern auch eine gesellschaftliche Relevanz. Sie kann zum Mittel werden, auf aktuelle Situationen zu reagieren und Themen sichtbar zu machen.
Was liest Du derzeit?
Gerade ist es eine Phase, in der ich parallel verschiedene Bücher lese – je nach Tagesverfassung. Darunter sind auch Werke, die ich schon einmal gelesen habe, sodass ich keinen Stress habe, falls ich zwischendurch den Faden verliere. Es ist auch eine spannende Erfahrung, wie Geschichten in unterschiedlichen Lebensphasen auf mich wirken.
Zurzeit lese ich auch gerne Märchen – japanische oder ungarische – die kurz, fantasievoll und unterhaltsam sind. Sie helfen mir, den Kopf freizubekommen.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Aus aktuellem Anlass des Meisterkurses möchte ich ein Zitat der Flötistin und Professorin Wally Hase teilen:
„Just open the door and go out!“
Dieser Satz erinnert mich immer daran, dem Leben mit Neugier zu begegnen – und sich in vielen Situationen auszuprobieren und zu zeigen.
Besonders im künstlerischen Prozess finde ich es wichtig, nicht zu lange zu zögern, sondern den Mut zu haben, Ideen auszuprobieren – auch wenn sie noch nicht fertig sind.
Denn wann ist ein Werk „fertig“ überhaupt?
Vielen Dank für das Interview, liebe Dalma, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Musikprojekte und persönlich alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen: Dalma Sarnyai, Flötistin
Zur Person/über mich: Dalma Sarnyai (1995, Sopron, Ungarn) ist eine vielseitige Flötistin mit Wohnsitz in Wien. Nach ihrem mit Auszeichnung abgeschlossenen Konzertfachstudium an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (2023) ist sie aktiv in der klassischen und zeitgenössischen Musikszene.
Dalma verbindet in ihren Projekten traditionelles Repertoire mit innovativen, körperbezogenen Ansätzen – etwa in der Zusammenarbeit mit Tänzer:innen und Schlagwerker:innen. 2023 wurde sie durch ein Stipendium bei Claire Chases visionärem Projekt Density 2036 gefördert, das weltweit innovative Flötist:innen unterstützt.
Konzerttourneen führten sie zu Festivals und renommierten Kulturinstitutionen quer durch Europa. Neben ihrer musikalischen Tätigkeit arbeitet sie auch als Regie- und Produktionsassistentin. Ab Herbst 2025 beginnt sie ein Masterstudium in Neuer Musik und übernimmt eine Lehrverpflichtung am Burgenländischen Musikschulwerk.
Foto: Stephan Polzer
Walter Pobaschnig 3/8/25