Lieber Andreas Jungwirth, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Wenn mit „jetzt“ heute gemeint ist – mich weckt (wie jeden Morgen um 7:00 Uhr) das Ö1 Morgenjournal. Die Schlechtwetterfront hat Regen und Kälte ins Salzkammergut gebracht. Ich heize den Kachelofen ein.
Ab 8:00 Uhr Emails und Notizen zur Hörspielinszenierung des neuen Stückes von Manuela Tomic. Nebenbei backe ich einen Kuchen – für die Gäste, die ich um die Mittagszeit erwarte. Ich erwarte außerdem die Anrufe eines Hörspielredakteurs des MDR und einer Puppentheater-Dramaturgin aus Magdeburg. Lese Artikel und Facebook-Posts zum Tod von Claus Peymann. Erinnere mich an die Heldenplatzaufführung, an das „Erscheinen“ von Marianne Hoppe am Ende des Stückes, im hohen Alter, im intensiven Dialog mit der Souffleuse. Suche und finde Thomas Bernhards „In hora mortis“ im Bücherschrank – um es ungelesen auf den Tisch zu legen.
Die Gäste kommen. Auf die Anrufe warte ich vergeblich.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Nicht immer sofort zu allem eine Meinung zu haben, nicht immer sofort zu wissen, was falsch und was richtig ist.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Ich bin 58 Jahre alt und stehe zum wiederholten Male vor einem Aufbruch und Neubeginn – weiß ich deshalb, was zu tun ist? Nein. Literatur kann nur beschreiben. Hilft sie, weil sie beschreibt? Vielleicht.
Was liest Du derzeit?
„Die Liebe vereinzelter Männer“ von Victor Heringer. Als Junge verliebt sich Camillo in einen anderen Jungen, der ermordet wird – was ihn in eine große Verzweiflung stürzt, die ihn für den Rest seines Lebens nicht wieder loslassen wird. Als er erfährt, dass sein Vater als Folterarzt während der brasilianischen Militärdiktatur tätig war, verliert er eine selbstverständlich erschienene Gewissheit. Mittlerweile ist Camillo Mitte 50. Regelmäßig besucht ihn ein Straßenjunge. Wenn diese Besuche für längere Zeit ausbleiben, ängstigt Camillo sich um und Jungen (und um sich).
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Ach, ach, ach, oh du mein Ach!“ (aus: Thomas Bernhard „In hora mortis“ – zitiert aus der Erinnerung, auch wenn ich nachschlagen könnte, da das Buch ja jetzt am Tisch liegt.)

Vielen Dank für das Interview, lieber Andreas, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen: Andreas Jungwirth, Autor, Hörspielregisseur und Moderator
Zur Person/über mich: : Andreas Jungwirth *1967 Linz/Donau, lebt in Wien. Autor, Hörspielregisseur und Moderator. Zuletzt erschienen die Hörspielserie „Todesangst“ (MDR, 2024) und der Roman „Alle meine Namen“ (edition atelier, 2024), der Einakter „Im Nebel“ (Grips-Theater, Berlin 2025), Anfang 2025 inszenierte er für Ö1 „Treibholz“ Hörspiel von Helmut Peschina, für Ö1 moderiert er die „Hörspiel-Gala“ und die „Radiophone Werkstatt“. Im Gespräch mit Autor*innen moderiert er Buchvorstellungen
Fotos: privat
Walter Pobaschnig 17/7/25