
Gernot Ragger nach seiner Lesung mit „Startnummer 1“ _
Gernot Ragger, Schriftsteller und Verleger _ Wolfsberg/Kärnten _
Bachmannpreis Teilnehmer 1989 _
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Lesung mit der gelosten Startnummer 1

Am Tisch von links Moderator Thomas Hocke, Jury-Mitglied Volker Hage und Autor Gernot Ragger

Gernot Ragger in der Bildmitte neben Hansjörg Schertenleib, Schweizer Schriftsteller und Übersetzer

„Da ich Startnummer 1 hatte, habe ich zumindest diese Wertung gewonnen …“ Gernot Ragger

Bachmannpreis Teilnehmer 1989 _
Foto _ Lesung 2024
Lieber Gernot Ragger, Du hast 1989 am Bachmannpreis in Klagenfurt teilgenommen. Wie gestaltete sich vor 36 Jahren der Lesungs/Diskussionsablauf und überhaupt das gesamte Organisationssetting?
Eigentlich hat sich vom Ablauf her nicht viel verändert, 1989 war es wahrscheinlich, da noch handylos, viel entspannter und gemütlicher und deshalb auch persönlicher. Schon damals zogen die Autoren in alphabetischer Reihenfolge ihren Platz in der Lesereihenfolge. Als ich an der Reihe war, sagte ich zum damaligen Moderator Ernst Grissemann „Was wetten wir, dass ich die 1 ziehe“. Er sagte, „Ein Bier“ und hatte schon die Wette verloren. Vom Hotel rief ich meine Eltern an, da sie den Videorecorder früher als gedacht einschalten mussten. Am nächsten Morgen „durfte“ ich dann die letzten 100 Meter zum Landesstudio gleich dreimal gehen, da diese Premierenschritte vom ORF aufgezeichnet wurden. Als Dekoration im ORF-Theater gab es ja damals jedes Jahr eine Installation von Peter Maya. 1989 waren vor den Juroren und dem Autor rostige Baggerschaufeln platziert. Ein Bild, das man nicht vergisst. Erst vor wenigen Monaten hat ein befreundeter Filmemacher die VHS-Kassette von meinem Auftritt digitalisiert. Das Ganze noch einmal zu sehen war ein wunderschönes Erlebnis.
Wie kam es zu Deiner Teilnahme und welche Erfahrungen hast Du gemacht?
Ab Mitte der 80er Jahre wurden meine ersten Bücher veröffentlicht, und 1989 kam mit Heinz Schwarzinger – der in Paris als Uni-Professor tätig war – ein neuer Juror zum Bewerb, der unbedingt einen heimischen Autor nominieren wollte. Weil ich zu jener Zeit in der literarischen Szene recht aktiv war, war sicher mit ein Grund, dass er sich dann für mich als einen seiner Autoren entschieden hat.

von links Fred Dickermann (ORF Redakteur/Organisation) und die teilnehmenden Autoren Engelbert Obernosterer, Gerhard Maierhofer und Gernot Ragger
Was hat Deinen Klagenfurt-Text inspiriert und wie ging es mit diesem Text weiter?
Zu jener Zeit arbeitete ich gerade an meinem Roman „Der tote Vogel“, in dem der Protagonist Identitäten bekannter Personen wie J.F. Kennedy oder Ghandi „ausleiht“, um zu erfahren, wie sie leben und wie sich seine Identität mit der Geliehenen verträgt. Der „tote Vogel“ war dann das Symbol für das Scheitern des Experiments, da durch das „Schlüpfen in fremde Identitäten“ die eigene abzusterben begann. Ich habe aus dem halbfertigen Roman ein abgeschlossenes Kapitel gelesen, das Buch ist dann ein halbes Jahr später erschienen.
Wie hast Du Dich unmittelbar auf Deine Lesung vorbereitet?
Sobald man weiß, dass man dabei ist, vergeht die Zeit wie im Flug. Da ich noch keine allzu große Erfahrung mit Lesungen hatte, habe ich meinen Text einfach ungezählte Male laut gelesen (manchmal vor Freunden), um ein gutes Tempo und einen passenden Rhythmus zu finden.

Am Tisch von links Moderator Thomas Hocke, Jury-Mitglied Volker Hage und Autor Gernot Ragger
Wie hast Du Deine bzw. die weiteren Jurydiskussionen damals persönlich erlebt?
Wenn du denn Text zur Seite legst, kommt kurz der Gedanke „Na Mahlzeit, jetzt geht’s los“. Aber es überwiegt schnell die Neugier, was die einzelnen Jurymitglieder zu sagen haben. Da macht es dann kaum einen Unterschied, wenn dabei ein Hoppala aufgedeckt wird, einer mit dem Text überhaupt nichts anfangen kann, ein anderer wieder Passagen zitiert, die er bemerkenswert findet. Ich hatte vor der Lesung schon ein wenig Angst, weil ich ja als Zuschauer schon in den Jahren zuvor einiges miterleben konnte, aber wenn man dann da vorne sitzt, ist die Angst weg.
Welche unmittelbaren Impulse hat und hatte Deine Teilnahme am Bachmannpreis für Deine schriftstellerische Tätigkeit?
Vor allem war die Teilnahme eine enorme Motivation. Ich habe auch mit der Kritik an meinem Text gut leben können, weil ich in kurzer Zeit mit so vielen Interpretationen, die sich von meiner eigenen unterschieden haben, konfrontiert wurde. Die Teilnahme war spannend und hat mir Mut gemacht.
Gibt es bleibenden Kontakt zu Mitlesenden, Jury, Journalisten*innen oder Bezugspersonen in Klagenfurt?
Für einige Jahre nach dem Bewerb gab es schon Kontakte. Vor allem mit dem Schweizer Autor Hansjörg Schertenleib (er lebte einige Jahre danach in Irland) hatte ich regelmäßig Kontakt. Von Jurorenseite habe ich mich noch eine Zeit lang mit Hellmuth Karasek ausgetauscht. Aber mit dem nachfolgenden Bewerb sind die Autoren des Vorjahres – mit Ausnahme der Preisträger – schnell vergessen.

Würdest Du wieder am Bachmannpreis teilnehmen?
Wenn ich die Zeit um vielleicht 20 Jahre zurückdrehen könnte, wahrscheinlich schon, aber jetzt ist das natürlich kein Thema mehr.
Was möchtest Du den diesjährigen Teilnehmer*innen mitgeben?
Natürlich und authentisch sein, keine Spielchen spielen. Das Echte setzt sich durch.

Bachmannpreis Teilnehmer 1989 _
Vielen Dank für das Interview, lieber Gernot, alles Gute weiterhin in Literatur, Verlag und Leben und weiterhin viel Freude mit dem Bachmannpreis!
Gernot Ragger, Schriftsteller und Verleger
Zur Person/über mich: Gernot Ragger
Lebenslauf:
1959 in Wolfsberg/Kärnten geboren
Anschließend Studium der Philosophie und Physik in Graz
Durch Motivation und Unterstützung von Alfred Kolleritsch und später auch von Fred Dickermann wurden aus Wunsch und Interesse Leidenschaft und Berufung
1989 Teilnahme am Ingeborg Bachmann Wettbewerb
Aufgrund der Nummer eins in der Lesereihenfolge war ich der erste Autor in der Geschichte dieses Wettbewerbs, dessen Lesung via 3sat live übertragen wurde.
1998 Literaturförderungspreis des Landes Kärnten
2019 – 2023 Literaturstipendien des Landes Kärnten
Bereits 1994 Gründung des „der wolf verlag“, in dem bis jetzt rund 290 Titel erschienen sind
Lebt als Schriftsteller und Verleger in Wolfsberg und Klagenfurt
Preise und Stipendien:
1985 – Ebenthaler Literaturpreis für Prosa mit dem Text „Bekenntnisse von WENN und ABER“
1989 – Stipendium beim „Preis der Arbeit“ der Kärntner Arbeiterkammer für den Text „Der Ziegelturm“
1990 – 3. Preis beim „Max-von-der-Grün-Preis“ der Arbeiterkammer Linzr für den Text „Schichtwechsel“
1998 – Förderungspreis für Literatur des Landes Kärnten
2019 – Finalisierungsstipendium des Landes Kärnten
2020 – Literaturstipendium des Landes Kärnten
2021 – Finalisierungsstipendium des Landes Kärnten
2021 – Literaturstipendium des Landes Kärnten
2022 – 2 x Literaturstipendium (Corona-Hilfe) des Landes Kärnten
2023 – Finalisierungsstipendium des Landes Kärnten
Veröffentlichungen:
„Ferdi“ – Erzählung, 1988
„Scalpay“ – Roman, 1989
„Doppelte Heimat“ – mit Berndt Rieger – Erzählungen, 1990
„Along the fault“ – mit Berndt Rieger – Erzählungen, 1990
„Afrika“ – Lyrik, 1994
„Violett“ – Erzählungen, 1994
„Der tote Vogel“ – Roman, 1995
„Tränen im Wind“ – mit Robert C. Schmid – Prosa, 1995
„Abschiede“ – Erzählungen, 1995
„365“ – Prosa, 1996
„Der Wahnsinnliche“ – Prosa, 1997
„Land ohne Boden“ – Erzählung, 1998
„Ferdi“ – Erzählung, 2. Auflage, 1999
„Bautta“ – Prosa, 2000
„Bananenrot und Erdbeergrün“ – Prosa, 2001
„Gegenhang“ – Erzählung, 2008
„Alphabet der Konsequenz“ – Prosa, 2011
„Der Wanderzirkus“ – Erzählung, 2017
„Blutleer“ – Erzählungen, 2018
„Ferdi“ – Erzählung, 3. Auflage, 2022
„Das Erbe“ – Roman, 2022
Derzeit sind mein Buch über meinen vor 20 Jahren verstorbenen Vater „Hungrige Schritte“ und eine aus drei eigenständigen Büchern bestehende Trilogie kurz vor der Fertigstellung.
Zur Trilogie: Die drei Bücher „Ein Abend mit Herrn Zimmerman“, „Au revoir“ und „Ich bau mir einen Himmel“ bilden eine für mich sehr wichtige Epoche ab, funktionieren aber nicht als EIN Buch, deshalb die Eigenständigkeit der Werke, die ich allerdings im Spätherbst zugleich mit einem Musikprogramm präsentieren werde.
Fotos: privat
Bachmannpreis 2025

Veranstalter und Sponsoren (v. l. n. r.): Reinhard Draxler (KELAG-Vorstand), Brigitte Winkler-Komar (Land Kärnten, Leiterin Kunst und Kultur), Nadja Kayali (Intendantin Carinthischer Sommer), Horst L. Ebner (Koordinator Tage der deutschsprachigen Literatur), Christian Scheider (Bürgermeister von Klagenfurt), Karin Bernhard (ORF-Landesdirektorin), Franz Petritz (Stadtrat von Klagenfurt/Kulturreferent), Ursula Schirlbauer (ORF/3sat), Julian Geyer (Gemeinderat der Landeshauptstadt Klagenfurt am Wörthersee), Michaela Werblitsch (BKS Bank, Leiterin Communication & ESG) und Klaus Wachschütz (Technischer Leiter ORF Kärnten & Regisseur Ingeborg-Bachmann-Preis)

Autorinnen und Autoren 2025
14 Autorinnen und Autoren aus Deutschland, der Schweiz und Österreich lesen um den mit 25.000 Euro dotierten Ingeborg-Bachmann-Preis.
Thomas Bissinger, D
Natascha Gangl, A
Max Höfler, A
Nefeli Kavouras, D
Fatima Khan, D
Laura Laabs, D
Kay Matter, CH
Tara Meister, A
Nora Osagiobare, CH
Josefine Rieks, D/A
Almut Tina Schmidt, D/A
Boris Schumatsky, D
Verena Stauffer, A
Sophie Sumburane, D

Lesung Mario Wurmitzer, Schriftsteller _ Wien

Die Jury
Vorsitzender Klaus Kastberger, Graz (A)
Mara Delius, Berlin (D)
Laura de Weck
Mithu Sanyal (D)
Brigitte Schwens-Harrant, Wien (A)
Thomas Strässle (CH)
Philipp Tingler, Zürich (CH)

Am 29. Juni wird in Klagenfurt am Wörthersee der 49. Ingeborg-Bachmann-Preis vergeben. Die Tage der deutschsprachigen Literatur 2025 finden vom 25. bis 29. Juni im ORF-Theater des Landesstudios Kärnten statt.




heute Ingeborg Bachmann Museum




Weitere Informationen zum Bachmannpreis 2025: https://bachmannpreis.orf.at/stories/3305089/
Fotos _ Bachmannpreis 1989/Portraits _ Gernot Ragger.
Fotos: Pressekonferenz Bachmannpreis 2025 _ Johannes Puch; alle weiteren Fotos_Walter Pobaschnig
Walter Pobaschnig 23/6/25