Lieber Gernot Ragger, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Da ich mich seit einem halben Jahr in der Alterspension befinde und damit finanziell eine monatliche Absicherung habe, kann ich das Verhältnis meiner Arbeiten ändern – Bücher zu verlegen, um finanziell überleben zu können, nimmt nicht mehr so viel Zeit ein, dafür genieße ich jetzt mehr Freiheiten für die vielen angefangenen und nun fertigzuschreibende Projekte aus meiner eigenen Feder.
Als Selbstständiger war mein Tagesablauf immer flexibel und niemals starr, daran ändert sich also nichts, aber die Tatsache, einfach einmal NICHTS zu tun, fühlt sich irgendwie gerechter und angenehmer an.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Das Richtige zu tun. Noch mehr Fragen stellen, noch mehr in Frage stellen.
Das größte Problem und zugleich die wichtigste Aufgabe ist, endlich ein Mittel gegen die Dummheit zu finden. Die Dummheit ist die Wurzel des Übels, gefüttert von Gleichgültigkeit und Egoismus. Da muss uns bald etwas einfallen, sonst fallen wir in eine Zeit zurück, in der ich nicht leben möchte.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Kritik ist die eine Möglichkeit, auf Missstände und negative Veränderungen zu reagieren – nur ist Kritik an sich ein negativ behaftetes Wort.
Als Schriftsteller sehe ich meine Möglichkeit und meine Aufgabe in unserer gegenwärtigen Situation darin, Schönes zu vermitteln, über Hoffnung und positive Erlebnisse zu schreiben. Das Böse ins Leere laufen lassen und das Gute mit den eigenen Texten einfangen und in eine Form bringen, die möglichst viele Menschen ansteckt.
Was liest Du derzeit?
Immer wieder Handke, Nooteboom, Horvath und Kolleritsch, wobei das „Gedicht an die Dauer“ von Peter Handke nach wie vor mein absolutes Lieblingsbuch ist.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Wer hinter etwas kommen will, darf nicht davor stehen bleiben.

Vielen Dank für das Interview, lieber Gernot, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literatur-, Verlagsprojekte und persönlich alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen: Gernot Ragger, Schriftsteller und Verleger
Zur Person/über mich: Gernot Ragger
Lebenslauf:
1959 in Wolfsberg/Kärnten geboren
Anschließend Studium der Philosophie und Physik in Graz
Durch Motivation und Unterstützung von Alfred Kolleritsch und später auch von Fred Dickermann wurden aus Wunsch und Interesse Leidenschaft und Berufung
1989 Teilnahme am Ingeborg Bachmann Wettbewerb
Aufgrund der Nummer eins in der Lesereihenfolge war ich der erste Autor in der Geschichte dieses Wettbewerbs, dessen Lesung via 3sat live übertragen wurde.
1998 Literaturförderungspreis des Landes Kärnten
2019 – 2023 Literaturstipendien des Landes Kärnten
Bereits 1994 Gründung des „der wolf verlag“, in dem bis jetzt rund 290 Titel erschienen sind
Lebt als Schriftsteller und Verleger in Wolfsberg und Klagenfurt
Preise und Stipendien:
1985 – Ebenthaler Literaturpreis für Prosa mit dem Text „Bekenntnisse von WENN und ABER“
1989 – Stipendium beim „Preis der Arbeit“ der Kärntner Arbeiterkammer für den Text „Der Ziegelturm“
1990 – 3. Preis beim „Max-von-der-Grün-Preis“ der Arbeiterkammer Linzr für den Text „Schichtwechsel“
1998 – Förderungspreis für Literatur des Landes Kärnten
2019 – Finalisierungsstipendium des Landes Kärnten
2020 – Literaturstipendium des Landes Kärnten
2021 – Finalisierungsstipendium des Landes Kärnten
2021 – Literaturstipendium des Landes Kärnten
2022 – 2 x Literaturstipendium (Corona-Hilfe) des Landes Kärnten
2023 – Finalisierungsstipendium des Landes Kärnten
Veröffentlichungen:
„Ferdi“ – Erzählung, 1988
„Scalpay“ – Roman, 1989
„Doppelte Heimat“ – mit Berndt Rieger – Erzählungen, 1990
„Along the fault“ – mit Berndt Rieger – Erzählungen, 1990
„Afrika“ – Lyrik, 1994
„Violett“ – Erzählungen, 1994
„Der tote Vogel“ – Roman, 1995
„Tränen im Wind“ – mit Robert C. Schmid – Prosa, 1995
„Abschiede“ – Erzählungen, 1995
„365“ – Prosa, 1996
„Der Wahnsinnliche“ – Prosa, 1997
„Land ohne Boden“ – Erzählung, 1998
„Ferdi“ – Erzählung, 2. Auflage, 1999
„Bautta“ – Prosa, 2000
„Bananenrot und Erdbeergrün“ – Prosa, 2001
„Gegenhang“ – Erzählung, 2008
„Alphabet der Konsequenz“ – Prosa, 2011
„Der Wanderzirkus“ – Erzählung, 2017
„Blutleer“ – Erzählungen, 2018
„Ferdi“ – Erzählung, 3. Auflage, 2022
„Das Erbe“ – Roman, 2022
Derzeit sind mein Buch über meinen vor 20 Jahren verstorbenen Vater „Hungrige Schritte“ und eine aus drei eigenständigen Büchern bestehende Trilogie kurz vor der Fertigstellung.
Zur Trilogie: Die drei Bücher „Ein Abend mit Herrn Zimmerman“, „Au revoir“ und „Ich bau mir einen Himmel“ bilden eine für mich sehr wichtige Epoche ab, funktionieren aber nicht als EIN Buch, deshalb die Eigenständigkeit der Werke, die ich allerdings im Spätherbst zugleich mit einem Musikprogramm präsentieren werde.
Fotos: privat
Walter Pobaschnig 16/6/25