Liebe Milena Michiko Flašar, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Sehr ruhig und entspannt. Morgens laufe ich eine kleine Runde, danach setze ich mich an den Schreibtisch und arbeite. Im August dieses Jahres erscheint ein Erzählband von mir – „Der Hase im Mond“. Momentan gehe ich zusammen mit meiner Lektorin die Fahnen durch. Eine schöne Phase. Etwas, woran ich lange gesessen habe, nimmt nun Buchform an. Für den letzten Schliff braucht es einen ruhigen und entspannten Blick.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Für uns alle zu sprechen, ist schwierig. Ich persönlich finde es wichtig, mich und meine Meinungen immer wieder einmal in Frage zu stellen bzw. eine distanzierte Haltung dazu einzunehmen. Recht haben wollen – das ist etwas, worauf ich gerne verzichte.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Die Literatur bewahrt uns vor der schon oben erwähnten Rechthaberei. Indem sie uns die unterschiedlichsten Lebensläufe vor Augen führt, erlaubt sie es uns, in die Schuhe eines anderen zu schlüpfen und uns in aktivem Mitgefühl zu üben. Aufbruch und Neubeginn sind nur dann möglich, wenn wir aus der Enge unseres Selbst heraustreten und uns weitmachen für die Wirklichkeit, die uns umgibt. Dass es immer mehrere Wirklichkeiten sind – nicht nur eine – ist, was wir lesend erfahren können.
Was liest Du derzeit?
Yukio Mishimas „The Frolic of the Beasts”. Ein typischer Mishima: Kraftvoll, verwegen, hart und an die Grenzen des Moralischen bzw. darüber hinaus gehend.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
In Yasunari Kawabatas „The Rainbow“, das ich vor Kurzem gelesen habe, heißt es an einer Stelle: „Don´t dwell too much on worry. Life brings tears at times, joy at others.“ Diese zwei Sätze haben mich – trotz oder wegen ihrer Einfachheit – angesprochen. So banal sie daherkommen, verbirgt sich ihnen eine Lebensaufgabe. Kummer und Freude, sie wechseln einander ab. Mal geht es rauf, mal geht es runter. Dies still zu bezeugen, ohne an jedwedem anzuhaften, das würde ich gerne können.
Vielen Dank für das Interview, liebe Milena, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen: Milena Michiko Flašar, Schriftstellerin
Zur Person: Milena Michiko Flašar, geboren 1980 in St. Pölten, hat in Wien und Berlin Germanistik und Romanistik studiert. Sie ist die Tochter einer japanischen Mutter und eines österreichischen Vaters. Ihr Roman „Ich nannte ihn Krawatte“ wurde über 100.000 Mal verkauft, als Theaterstück am Maxim Gorki Theater uraufgeführt und mehrfach ausgezeichnet. Er stand unter anderem 2012 auf der Longlist des Deutschen Buchpreises und wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Wien.
Foto: Helmut Wimmer
Walter Pobaschnig 1/6/25