

Erinnerung an Barbara Frischmuth, Schriftstellerin *5.7.1941 Altaussee +30.3.2025 Altaussee
Erinnerung _ Eva Surma, Schriftstellerin
Liebe Eva, welche Erinnerungen hast Du an Barbara Frischmuth als Kollegin? Gab es persönliche Begegnungen und wie hast Du diese erlebt?
Barbara Frischmuth bin ich bei zahlreichen Lesungen begegnet, wie die Wege von Menschen sich eben kreuzen, wenn man dieselben Interessen pflegt. Ich denke, dass ich im Literaturhaus Graz erstmals eine Lesung von ihr besuchte, weil ich damals gerade in der Stadt war und es eine Ausstellung zu Elias Canetti gab, eine typische Kolateralsynergie hat uns also zusammengeführt. Seit damals brachte ich Barbara Frischmuth mit dem Literaturnobelpreis in Verbindung, immer wieder, sehr zum Erstaunen ihres Großneffen, der mit einem meiner Söhne die Tourismusschule in Kleßheim besuchte. Paul und Simon waren Zimmerkollegen. Der Name an der Tür ließ mich das Verwandtschaftsverhältnis erfragen.
Egal ob im Literaturhaus Graz, im Kunstgarten, in Leibnitz am Hauptplatz beim Hofbauer, … Barbara Frischmuth war immer interessiert an Menschen und ihren Lebensumständen. Sie war ein Zugvogel, und unter Zugvögeln erkennt man einander. So kam es, dass sie mich bei einer dieser Lesungen zu sich nach Altaussee einlud.
Dieser Einladung kam ich nicht sofort nach, aber ich erzählte meinen Freundinnen davon. Die wiederum waren ausgesprochene Fans der Frischmuth Gartenbücher, von denen sie bei gemeinsamen Wanderungen schwärmten. So besuchten wir als Frauenkulturrunde eine Lesung gemeinsam, und ich erinnerte Barbara Frischmuth, dass sie mich ja schon einmal zu sich eingeladen habe. „Ja. Sie sind aber nie gekommen. Warum nicht?“ gab Frau Frischmuth zurück. Und die Freundin neben mir antwortete spontan: „Weil wir alle mitkommen und ihren Garten sehen wollen.“ Frau Frischmuth fragte: „Na, wie viele seid ihr denn?“ Und schließlich lud sie uns alle fünf zu sich ein.
Was für eine Aufregung! Ich erinnere mich noch gut, wie wir im August 2019 beim Altausseer Feuerwahrhaus hielten und anriefen, um uns den Weg zum Haus ansagen zu lassen. Wir verbrachten Stunden im Garten und auf der Terrasse und wurden freundlich von Frau Frischmuths Mann mit Kaffee und Kuchen bewirtet. Wir haben viel gelacht und Pflanzen und Samen mitgenommen. Für den nächsten Besuch wünschte Frau Frischmuth sich südsteierische Äpfel, weil an apple a day, …
Was macht für Dich das Werk von Barbara Frischmuth aus und wie ist dieses in die österreichische Literaturgeschichte einzuordnen?
Barbara Frischmuths Werk zeichnet aus, dass es feministisch und authentisch ist. Weder um Feminismus noch um Authentizität bemüht, aber von klarer Kraft und Wirkung. Einmal hörte ich sie zusammen mit Bodo Hell auf der ORF Seebühne in Graz. So offen das Leben in allen seinen Facetten zu lieben und sich dabei eine Leichtigkeit zu bewahren, die nichts von einem Stargehabe in sich barg, das ist nicht jedem gegeben – und führt vor allem bei Frauen dazu, dass wir unsichtbar bleiben. Bei Gesprächen über den Literaturbetrieb reagierte Frau Frischmuth mit einer mir unverständlichen Gelassenheit auf die Hegemonie der tonangebenden Männer. Frau Frischmuth wusste sich gut zu distanzieren und schlüpfte, wann immer es ihr beliebte, in ein Feenmärchen davon. Die Altausseer Politik war ihr unverständlich, weil es ihr um die Natur, um ein natürliches Zusammenspiel aller Kräfte im Leben und Sein ging.
Gibt es ein Lieblingsbuch von Ihr und warum dieses?
Die Rückkehr zum vorläufigen Ausgangspunkt.
Die Mystifikationen der Sophie Silber.
Der Sommer, in dem Anna verschwunden war.
Woher wir kommen.
Barbara Frischmuths Bücher sind dicht gewobene Portraits. Man kann richtig hineinfallen und sich gar nicht sattlesen. Ihre Sprache ist so schön, wie ein Sommermorgen und so vielfältig, wie die Pflanzen in ihrem Garten. Frischmuth präsentiert einen Kosmos voller Aufmerksamkeit, mit Mut zum Wildwuchs.
Welche Inspiration hinterlässt Ihr Schreiben, Ihre Weltsicht, Ihr Künstlerinsein?
Frischmuth inspiriert mich wieder und wieder dazu, den Blick auf schreibende Frauen zu werfen, mich mit schreibenden Frauen zusammenzutun, ihre und meine Arbeiten mit ihnen zu besprechen und für meine Werke Zitate und Ideen von Frauen zu verwenden. Denn im Literaturbetrieb in Österreich ist es leider immer noch so, dass wir starke männliche Fürsprecher brauchen, um uns in Verlagen oder bei Messen zu positionieren. Unsere Leselisten in den Schulen sind von alten weißen Literaten geprägt. Ich möchte anregen, vor das eigene Bücherregal zu treten und zu zählen, ob eher Autoren oder Autorinnen ins Auge springen.
Gibt es ein Zitat/eine Textstelle von Ihr, die Du uns noch mitgeben möchtest?
Frau Frischmuth hat mich aufgefordert, in meiner Lyrik mehr mit Verfremdungen zu arbeiten. Darüber denke ich oft nach. Während ich in jungen Jahren dachte, das sei sicher gar nichts für mich, finde ich heute, dass Alter und Verfremdung Hand in Hand gehende Prozesse sind. Mein mich begleitendes Frischmuth-Zitat ist also seit Jahren: Lyrik braucht Verfremdung.
Vielen Dank für das Interview!
Vielen Dank, Walter Pobaschnig, für die Einladung zu diesem Interview. Es freut mich sehr, dass du dafür sorgst, dass Barbara Frischmuth uns in den vielen Reflexionen, die du anregst, präsent wird. Wie schön! Danke!

*5.7.1941 Altaussee +30.3.2025 Altaussee
Barbara Frischmuth, Schriftstellerin
geboren 1941 in Altaussee, studierte Türkisch, Ungarisch und Orientalistik und war seitdem freie Schriftstellerin. Die mehrfach ausgezeichnete Autorin lebte seit 1999 wieder in Altaussee. Zu ihren größten Erfolgen zählen die Romane „Die Klosterschule“ (1968), „Die Mystifikationen der Sophie Silber“ (1976) oder „Kai und die Liebe zu den Modellen“ (1979), aber auch ihre zahlreichen Gartenbücher. Zuletzt im Residenz Verlag erschienen: „Natur und die Versuche, ihr mit Sprache beizukommen“ (2021)„Schaufel, Rechen, Gartenschere“ in der Reihe „Dinge des Lebens“ (2023) und „Die Schönheit der Tag- und Nachtfalter“ (2025). Der Residenz Verlag trauert um Barbara Frischmuth 31.3.2025

Eva Surma, Schriftstellerin
Zur Person: Eva Surma, gebürtige Grazerin. Lebt und schreibt in Leibnitz, in der Südsteiermark, aber auch sehr gern am Meer. Sie hat Deutsch als Fremdsprache in Graz, Judenburg und Modena im MA-Studium abgeschlossen und darf sich, nach einem Studium an der Donau Universität Krems, Akademische Expertin der Migrationswissenschaften nennen. Feminismus ist ihr Beruf und ihre Berufung. 2005 gründet sie gemeinsam mit der Geschlechterforscherin Sandra Jakomini den verein-freiraum, der fortan die Frauenberatungsstelle Leibnitz trägt. 2021 gründet sie mit Mark Klenk den Verein Worte und Taten, der aktuell in der Ukrainehilfe sehr aktiv ist. Seit 2022 ist Eva Surma Mitglied der IGfem und gründet in selben Jahr zusammen mit der IGfem-Präsidentin Gerlinde Hacker und der Wordrapperin Anna Cech die IGfem Bezirk Leibnitz Schwesternvereinigung. Eva Surma ist seit vielen Jahren leidenschaftliches Mitglied der internationalen Plattform literatur*grenzenlos und seit 2023 PEN Mitglied.
Als dem Chaos verbundene Grenzgängerin ist sie immer auf der Suche nach Altem und nach Neuem. Seit 15 Jahren ist Eva Surma Mitglied des Lebringer Literaturkreises. Jüngster Poetik-Preis: 2022 Un Monte di Poesia, Florenz, „Premio Oltre Confine“. Am 26. Mai 2023 reklamiert sie ihre Meerschutzgedicht „Mare, il grande fratello blu“ auf der Piazza Unitá in Triest auf Italienisch und Deutsch, im Rahmen der Veranstaltung von Mare Nordest gemeinsam mit ihrer feministischen Künstlerkollegin Qing Yue.
Foto_Portrait Barbara Frischmuth: Franz Johann Morgenbesser
Fotos_Portrait Eva Surma: privat
Walter Pobaschnig 9.4.2025